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Nur die "zweitbeste Lösung"

Von Martina Pock

Politik

Regress bringt nur geringe Einnahmen, Landesregierung hält dennoch daran fest.


Graz. Herr B. ist 74 Jahre alt und Vater von sechs Kindern. Er leidet selbst unter gesundheitlichen Problemen, doch schon vor vielen Jahren wurde einer seiner Söhne durch eine schwere Krankheit zu einem Pflegefall. Ein anderer Sohn verstarb vor drei Jahren und hinterließ Schulden, für die Herr B. mit 300 Euro pro Monat geradestehen muss. Nach der Wiedereinführung des Pflegeregresses im Sommer 2011 erhielt er dann eine Aufforderung des Landes, er müsse nun für seinen pflegebedürftigen Sohn 210 Euro monatlich Regress bezahlen.

Nach einer Rücksprache mit der Behörde wurde ihm eine genaue Prüfung seines Falles zugesagt, dann hörte er monatelang nichts mehr und hoffte schon, dass man seine finanzielle Notlage anerkannt hätte. Doch im März 2013 erhielt er eine erneute Zahlungsaufforderung, nun auch mit Nachforderungen - in Summe beinahe 3500 Euro. "Wo soll ich denn als 74-jähriger Pensionist so viel Geld auf einmal hernehmen", sagt Herr B. Wieder fragte er beim Sozialhilfeverband nach, wieder wurde geprüft und der Betrag reduziert. Um 30 Euro. Herrn B. bleiben heute zum Leben nur 126 Euro im Monat.

6000 Angehörige betroffen

Dass die Steiermark als nunmehr einziges Bundesland an einer teilweisen Rückforderung von Pflegekosten festhält, ist für viele Steirer unverständlich. Insgesamt sind etwa 6000 Menschen von Pflegeregresszahlungen für ihre Angehörigen betroffen. Ab einem Nettoeinkommen von 1500 Euro (Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind bereits eingerechnet) muss der Regress bezahlt werden, dabei werden anderweitige Zahlungen wie Unterhalt, Schulden oder Alimente nicht berücksichtigt.

Doch gerade einmal 9,7 Millionen Euro lukrierte das Land Steiermark damit jährlich, was gemessen an einem Jahresbudget von etwa fünf Milliarden Euro nicht gerade viel erscheint. Davon fallen noch einmal eine Million Euro für die Verwaltung weg.

"Eierlegende Wollmilchsau"

Selbst SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves gibt zu, dass der Regress nur die "zweitbeste Lösung" sei. Doch er will dennoch daran festhalten, obwohl es mittlerweile auch bereits innerhalb seiner "eigenen Gesinnungsgemeinschaft Widerstand dagegen gibt", wie er erzählt. Von der Opposition wird der Pflegeregress mit zunehmender Heftigkeit kritisiert, die Grünen wollten sogar eine Volksbefragung in der Steiermark initiieren, der Antrag wurde aber vor drei Tagen abgelehnt.

Voves redet sich, wie bereits einige Male davor, auf den Bund aus. Doch dort wurde bereits ein aus Steuergeldern finanzierter Pflegefonds eingerichtet, der den Ländern hilft, die Kosten zu bewältigen. Auch Bundeskanzler Werner Faymann hat sich vor der Nationalratswahl eine Abschaffung des Regresses in der Steiermark gewünscht. Warum also halten die Reformpartner SPÖ und ÖVP so sehr am Regress fest?

"Ich hege nicht die Hoffnung, dass in Verfolgung des Budgetkonsolidierungskurses die eierlegende Wollmilchsau des Weges kommt", argumentiert Andreas Kirsch, Pressesprecher von Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder. Die Einnahmen mögen nicht gerade hoch sein, hochgerechnet werden sie im Jahr 2013 etwa 11 Millionen Euro betragen, verzichten will man auf sie allerdings auch nicht. Zudem verweist Kirsch auf eine gegenseitige Beistandspflicht innerhalb der Familie, die wichtig sei. Denn als der Pflegeregress 2008 abgeschafft wurde, gab es 50 Prozent mehr Anträge zur Heimunterbringung. "Ältere Menschen wollen so lange wie möglich zuhause bleiben. Übrigens gibt es für pflegende Angehörige die Möglichkeit, sich versichern zu lassen. Die Beiträge übernimmt der Bund", erklärt Kirsch.

"Man glaubt offensichtlich, dass man so die Leute dazu bringen kann, ihre Angehörigen selber zuhause zu pflegen und so weniger Menschen Leistungen vom Land in Anspruch nehmen", kontert Philipp Funovits, Mitarbeiter aus dem Büro der KPÖ-Landtagsabgeordneten Claudia Klimt-Weithaler. Jährlich fließen in der Steiermark etwa 80 Prozent (rund 230 Millionen Euro) aus dem Sozialbudget in die Pflege von alten Menschen in Pflegeheimen. Wenn mehr Menschen zuhause gepflegt werden würden, würde dies das Landesbudget entlasten.

5,6 Millionen liegen gelassen

"Welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen diese Entwicklung mit sich bringt, kann dem Land wiederum egal sein", sagt Funovits. "Wenn der Durchschnittsverdienst der Frauen sinkt, weil viele von ihnen zuhause bleiben, um einen Angehörigen zu pflegen, dann ist das auf Landesebene nicht spürbar". Viele würden dann auf eine 24-Stunden-Hilfe zurückgreifen, deren Kosten wiederum vom Bund und nicht vom Land getragen werden.

Laut KPÖ hätte das Land Steiermark im vergangenen Jahr 5,6 Millionen Euro im Bundessozialfond liegen gelassen, da das Land bei der Erfüllung der dafür notwendigen Kriterien zu säumig gewesen wäre. "Ja, das war 2011 der Fall, aber wir haben das beim Bund gemeldet." Durch eine Novellierung im heurigen Frühjahr und eine entsprechende Nachmeldung der Steiermark können diese Gelder nunmehr zur Gänze ausgeschöpft werden, heißt es dazu aus dem Büro von Edlinger-Ploder.