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Schiefe Optik in Vordernberg

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Für die Betreuung des Schubhaftzentrums gab es nur einen einzigen Bewerber - der sagt: "Alles sauber".


Wien. Die Debatte um privatisierte Dienstleistungen im Schubhaftzentrum Vordernberg reißt nicht ab. Nun werden Zweifel an der Sauberkeit der Ausschreibung laut. Für die obersteirische Gemeinde ist das "Kompetenz-Zentrum für aufenthaltsbeendende Maßnahmen" allerdings ein Segen. Erst recht jetzt, wo die Betreuung der Schubhäftlinge dem privaten Sicherheitsunternehmen G4S überantwortet wurde. Der Bürgermeister verteidigt daher das Projekt. Ebenso der Chef der Securityfirma.

Im September 2009 bewarb sich Vordernberg um das Schubhaftzentrum, im Februar 2010 wurde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Im April 2013 folgte der Vertrag, mit dem alle nichthoheitlichen Dienstleistungen an die Gemeinde übertragen werden. Bürgermeister Walter Hubner (SPÖ) glaubte ursprünglich, "das kann die Gemeinde locker mit ihren Leuten machen", wie er der "Wiener Zeitung" erzählt. Allerdings war bald klar, dass die Betreuung eines Abschiebezentrums die Kapazitäten der Marktgemeinde mit ihren 1055 Einwohnern übersteigt. Daher wurde das Projekt im Frühjahr 2013 ausgeschrieben. Für die Gemeinde tat das ein Wiener Rechtsanwalt.

Elf Interessenten hätten die Unterlagen angefordert, sagt Hubner, "aber nur einer hat ein Angebot abgegeben". Das war G4S. Aus Zeitdruck habe man keine neuerliche Ausschreibung gemacht, schließlich soll die Einrichtung Anfang 2014 in Betrieb gehen. "Personalauswahl, Schulung des Personals - das wäre sich nicht ausgegangen", sagt der Bürgermeister. Gespräche habe es vorher mit G4S nicht gegeben.

Dass der 68-Millionen-Euro-Vertrag mit G4S über 15 Jahre läuft, begründet Hubner damit, dass auch Vordernberg mit dem Innenministerium einen langfristigen Vertrag habe. Außerdem habe der Auftragnehmer "nicht unerhebliche Investitionen zu tätigen", etwa für Fahrzeuge oder Funkausrüstung.

Für die Steiermark ist Vordernberg ein Glücksfall, weil man so für ein Erstaufnahmezentrum im Süden (Stichwort: Eberau) nicht mehr in Frage kam. Der Gemeinde wiederum bringt das Schubhaftzentrum 180 Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung von rund 13 Millionen Euro pro Jahr. Außerdem fließen dank der Vergabe an einen Privaten Kommunalsteuern, was bei Betreuung durch das BMI nicht der Fall gewesen wäre.

Die Optik der Vergabe ist aber nicht die beste: Nur ein Bewerber, dem die Ausschreibung wie auf den Leib zugeschnitten scheint, keine Neuausschreibung, und den Zuschlag bekommt eine Firma, deren Chef im Kabinett eines Innenministers tätig war. "Alles sauber", sagt G4S-Vorstand Matthias Wechner. Im Interview nimmt er zur Kritik Stellung.

"Wiener Zeitung": In Vordernberg werden 55 Polizisten Dienst tun. Trotzdem suchen Sie dafür Securities. Wozu?Matthias Wechner: Verfassungsrechtlich ist klar geregelt, dass hoheitsrechtliche Aufgaben nicht ausgelagert werden dürfen, etwa die Anwendung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt. Das ist den Polizeibeamten vorbehalten. Das ist nicht unser Job, auch nicht die Gebäudesicherheit oder der Transport. Wir sind auch nicht für das Verfahren verantwortlich, wer wann wie abgeschoben wird.

Wenn jemand in Vordernberg ankommt, übernehmen wir diese Person von der Exekutive und betreuen sie während des Aufenthalts. Wir sind zuständig für die Stockwerksaufsicht, sind erster Ansprechpartner der Angehaltenen. Wir versuchen den Alltag sinnvoll zu gestalten - mit Freizeitbeschäftigung, Sport, Bibliothek in verschiedensten Sprachen. Für die verschiedenen Religionen gibt es Angebote und Räume. Wir sind Generalunternehmer und haben Sublieferanten für die Krankenstation oder Verpflegung und Reinigung.

G4S in Österreich hat keinerlei Erfahrung mit solchen Projekten. Was hat für Sie gesprochen?

Gefragt waren einschlägige Erfahrungen mit Schubhaftzentren, Gefängnissen und so weiter. Wir sind Teil des weltgrößten Sicherheitskonzerns - da gehört der Betrieb von Schubhaftzentren, Asylzentren, bis hin zu privaten Gefängnissen in verschiedenen Teilen der Welt zu unserer Kernkompetenz.

Das klingt nach einer maßgeschneiderten Ausschreibung.

Aus den Medien wusste man natürlich schon früher, dass in der Obersteiermark ein Projekt entsteht. Details erfuhr man aber erst, als im Frühjahr die Ausschreibung veröffentlicht worden ist. Mit solchen Themen befassen wir uns schon länger, weil ich überzeugt bin, dass in Österreich noch viel Potenzial da ist, Dienstleistungen auszugliedern und kostenoptimiert durchzuführen.

Der Ruf Ihrer Firma ist schwer beschädigt, vor allem in England, wo ein Schubhäftling in Obhut von G4S ums Leben kam.

Dass man als Konzern, der in heiklen Bereichen wie Privatgefängnissen tätig ist, Kritik erfährt, ist nicht überraschend. Was in England passiert, dazu kann ich wenig sagen. Ich bin nur für das Österreich-Geschäft zuständig, und hier haben wir einen guten Ruf. Wir sind Teil eines Großkonzerns, aber gleichzeitig auch ein traditionsreiches österreichisches Unternehmen.

Sie waren im Kabinett von Innenminister Günther Platter. Das macht die Optik etwas schief.

Neben vielen Tätigkeiten war ich auch bei Günther Platter tätig. Das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun. Es gab eine Ausschreibung auf Basis des Bundesvergabegesetzes, das bis ins Detail geregelt ist. Wir wurden als Bestbieter ermittelt, und es gab keine Einsprüche. Es ist alles sauber abgelaufen. Ich sehe da überhaupt keinen Beigeschmack.

Zur Person



Matthias Wechner

(36) ist seit 2011 Vorstand von G4S Österreich, wo er zuvor für das Marketing verantwortlich war. Der Tiroler war Mitarbeiter im Kabinett von Günther Platter (ÖVP) und zwar sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium.