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Regieren mit leeren Kassen

Von Brigitte Pechar

Politik

Landeshauptmann Kaiser beklagt die desaströse Finanzlage Kärntens.


"Wiener Zeitung": Herr Landeshauptmann, Sie führen seit März eine Proporzregierung in Kärnten. Dennoch haben Sie sich entschlossen, die SPÖ mit ÖVP und Grünen in einer Koalition zu vereinen. Auf Bundesebene herrscht wenig Begeisterung, einen dritten Partner hereinzuholen; warum haben Sie das in Kärnten gemacht?

Peter Kaiser: Wir hatten in Kärnten eine ganz besondere Situation. SPÖ, ÖVP und Grüne haben es geschafft, gegen die damals regierende FPK eine um ein Jahr vorgezogene Landtagswahl zu erzwingen. Diese neun Monate des Kampfes haben zusammengeschweißt. Nach diesen Geburtswehen entstand die erste Dreierkoalition in Österreich. Trotz inhaltlicher Differenzen haben wir das Gemeinsame in den Mittelpunkt gerückt, das sich in einem sehr ambitionierten Regierungsprogramm widerspiegelt.

Haben Sie einen koalitionsfreien Raum festgelegt?

Wir haben ein Koalitionsübereinkommen, das wechselseitiges Überstimmen in festgelegten Punkten untersagt. Wenn sich etwa ÖVP-Obmann Gabriel Obernosterer in Wien für eine Koalition mit der FPÖ ausspricht, ist das sein gutes Recht, alle bundes- und europapolitischen Entscheidungen sind frei.

Was rechtfertigt eine Dreierkoalition?

Die finanzielle Situation des Landes ist desaströs. Wir wussten alle, dass es größte Anstrengungen erfordert, um die Reputation, um Zukunftsperspektiven wiederherzustellen. In einer Zweierkoalition hätte ich 19 von 36 Mandaten im Landtag gehabt, jetzt hat die Koalition 24 Mandate und somit eine Zweidrittel-Mehrheit. Das war mir wichtig.

Eine solche brauchen Sie zum Beispiel, um die Proporzregierung abschaffen zu können.

Ja, wir haben auch schon einen Zeitrahmen verabredet. Bis 2014 wird eine umfassende Verfassungsreform im Kärntner Landtag erfolgen. Diese Woche ist Auftakt dazu mit einer Enquete des Landtages. Der qualitative Schritt besteht darin, dass alles in permanentem Dialog mit der Opposition erfolgt.

Verstehen Sie, dass Bundeskanzler Werner Faymann keine Dreierkoalition will?

Man kann Kärnten nicht auf den Bund übertragen, aber man sollte in Sondierungsgesprächen schauen, ob nicht eine verfassungsgebende Mehrheit da ist. Das muss keine Koalition sein. Man sollte mit allen Parteien reden, die man ja dann in der parlamentarischen Arbeit braucht.

Was wünschen Sie sich als Landeshauptmann von der Regierung?

Was wir brauchen, ist ein Finanzausgleich, der einem föderalen System auch den notwendigen Gestaltungsspielraum lässt.

Wünschen Sie sich auch Steuerautonomie für die Länder?

Ich halte es für klüger, ein bundesweites Steuersystem zu haben. Steuerautonomie würde bestehende Unterschiede unter den Ländern nur verstärken und bräuchte wieder einen finanziellen Ausgleich durch den Bund. Aber es bräuchte eine Reichensteuer, Erbschaftssteuer, eine Neubewertung der Grundsteuer, um zum Beispiel der neuen Armut entgegen zu steuern.

Bundeskanzler Faymann hat aber die Vermögenssteuer nicht mehr als Bedingung in den Verhandlungen mit der ÖVP genannt.

Es gibt überhaupt keine Bedingungen. Die Verhandlungsführung ist nur so stark, wie sie gute Argumente hat. Wo sich Windows of Opportunities ergeben, muss man sie nützen. Ich habe daher in der ersten Woche nach der Landtagswahl mit allen anderen Parteien Gespräche geführt und dann die Zustimmung zu einer Verfassungsreform in Aussicht gestellt bekommen.

Was bedeutet neues Regieren, das von allen Seiten eingefordert wird?

Ich bin kein Euphoriker, der glaubt, die nächste Regierung wird alles besser machen. Aber wir in Kärnten halten zum Beispiel die Pressekonferenzen nach Regierungssitzungen zu dritt ab.

Wie wirkt sich dieses neue Regieren aus?

Früher war es so, dass die FPK die Tagesordnung für Regierungssitzungen zwar ausgegeben hat, dann aber in den Sitzungen Dringlichkeitsanträge putschartig beschlossen hat. Jetzt geht am Donnerstag vor der Regierungssitzung am folgenden Dienstag die Tagesordnung hinaus. Dadurch ist zum Beispiel schon eine breite Debatte um die Sigmund Freud Universität entstanden, in der sich gezeigt hat, dass die Förderung (von der FPK genehmigt) von 150.000 Euro keine beschlossene rechtliche Grundlage hat. Das Land wird daher diese Förderung zurückfordern.

Ihr früherer Parteikollege Gerhard Köfer ist jetzt als Landesrat für das Team Stronach in der Regierung (Proporz). Wie ist Ihr Umgang mit ihm?

Für mich ist das eine ganz professionelle Arbeit.

Sind Sie noch per du mit ihm?

Natürlich, ich bin ja kein Kleinbürger. Ich war mit ihm schon als Jugendlicher in der Partei. Aber für mich ist ein solch dramatischer Gesinnungswandel nicht nachvollziehbar.

Sie haben schon auf die desaströse finanzielle Situation Kärntens verwiesen. Wie wird denn ihr Budget für 2014 ausfallen?

Wir sind gerade in den Budgetverhandlungen und haben ausgabenseitig zwei Milliarden Euro vorgesehen. Der Verschuldungsgrad ohne Haftungen liegt bei vier Milliarden. Wir werden 2014 zwar einen Budgetüberschuss von 30 Millionen Euro schaffen. Aber weil die Vorgängerregierung (BZÖ, FPK) keine Schuldentilgung gemacht hat, müssen wir dafür 167 Millionen Euro aufwenden. Daher brauchen wir ein Darlehen von 130 Millionen Euro. Ab 2017/18 werden wir Überschüsse zum Schuldenabbau verwenden.

Wie wollen Sie in Zeiten wie diesen einen Strukturwandel einleiten, Sparsamkeit leben und gleichzeitig investieren?

Nehmen Sie die Steiermark als Beispiel, die hat ein Jahresbudget von 5,2 Milliarden Euro und um 600 bis 700 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Aber das sind keine strukturellen Schulden. Wir haben uns Berater (Budgetrechtler, Haushaltsrechtler) geholt, die auch die Steiermark bei ihrer Budgeterstellung beraten haben. Am Anfang steht eine Aufgabe für alle Abteilungen und Kompetenzzentren: Sie sollen für 2014 ihr Budget so erstellen, als ob sie 10 Prozent weniger Mittel zur Verfügung hätten; für 2015 bis 2018 müssen 25 Prozent weniger Budgetmittel angenommen werden. Im nächsten Schritt werden diese Annahmen politisch auf Umsetzbarkeit bewertet. Das heißt nicht, dass wir 25 Prozent einsparen, aber wir bewerten dann politisch, wo wir sparen.

Die dritte Ebene ist eine Aufgabenreform und eine wirkungsorientierte Budgetierung und Haushaltsordnung (Vermögensbildung) in Vorbereitung auf das neue Haushaltsrecht.

Sie stehen erst am Beginn, aber welche Vision haben Sie? Wie soll das Land dastehen, wenn Sie als Landeshauptmann abtreten?

In den nächsten fünf bis zehn Jahren soll Kärnten ein Land sein, das eine gesunde wirtschaftliche Plattform hat - wobei der Schwerpunkt auf Innovation und hochwertiger technologischer Produktion liegt. Risikokapitalfonds sollen Betriebe mit wenig Eigenkapital (Start-ups) unterstützen.

Der Schönheit der Landschaft soll in einer nachhaltigen Tourismusbewirtschaftung entsprochen werden. In jedem Bezirk soll
eine verschränkte Ganztagsschule sein. Sprachenvielfalt und Interkulturalität sollen Selbstverständlichkeit sein. Das Hochschulwesen wird aufeinander abgestimmt sein. Der Lake Side Park mit der Alpen Adria Universität in Klagenfurt soll gemeinsam mit dem 30 Kilometer entfernten Fachhochschul-Campus Villach zu einem großen Uni- und Forschungscampus entwickelt werden.

Ein Schwerpunkt des einzigen Bundeslandes, das noch eine negative Bevölkerungsentwicklung hat, wird eine kluge Migrationspolitik sein. Insgesamt soll es ein Klima geben, das kinder- und lebensfreundlich ist.

Hat sich die Stimmung im Land seit dem Regierungswechsel vom März verändert?

Wir haben definitiv eine andere Atmosphäre, die nicht mehr von Duckmäusertum geprägt ist. Als ich vor drei Jahren die SPÖ übernommen habe, hatten sich alle einer großen Täuschung hingegeben. Jörg Haider hatte den Kärntnern vermittelt: Wir sind die Größten, die Besten. Jetzt gibt es die notwendige Enttäuschung. Und es setzt auch schon eine Relativierung der Haider-Ära ein: Nur noch 25 Prozent der Kärntner sind der Meinung, dass diese Zeit positiv für das Land war.