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VfGH segnet Fiskalpakt ab

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Keine inhaltliche Prüfung der Defizitgrenze wegen Antragsfehler.


Wien. Am 4. Juli 2012 beschloss der Nationalrat den europäischen Fiskalpakt - gegen die Stimmen von FPÖ, BZÖ und Grünen (und der SPÖ-Abgeordneten Sonja Ablinger), die am 8. März 2013 Verfassungsklage dagegen einbrachten. Diese wurde von den Verfassungsrichtern nun abgewiesen - auch weil der Antrag teilweise fehlerhaft war.

Aus Sicht der Opposition waren mehrere Punkte des Vertrags unzulässig, etwa die Defizitgrenze von 0,5 Prozent. Hier machten FPÖ, BZÖ und Grüne allerdings einen formalen Fehler, der diesen Antragspunkt unzulässig werden ließ. Sie bekämpften nämlich das 0,5-Prozent-Defizit, nicht aber die schärferen Bestimmungen des Fiskalpakts, wonach der Haushalt ausgeglichen sein müsse (also ein Nulldefizit aufweist) oder sogar Überschüsse zu erzielen hat, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Dienstag vor Journalisten erklärte. Hätten die Richter diesem Punkt stattgegeben, hätte das die behauptete Verfassungswidrigkeit (Einschränkung des budgetären Spielraums) noch weiter vergrößert. Holzinger wollte nicht darüber spekulieren, wie der VfGH bei einer inhaltlichen Prüfung entschieden hätte, wäre der Antrag korrekt eingegangen. Ein neuer Antrag ist hier möglich.

Zweidrittelmehrheitlaut VfGH nicht nötig

Die Oppositionsparteien gingen in ihrer Beschwerde zudem davon aus, dass für die Zustimmung zum Fiskalpakt eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, etwa weil durch die "Schuldenbremse" die Budgethoheit des Nationalrats eingeschränkt wird oder es zu einer Übertragung von Hoheitsrechten an die EU-Kommission kommt.

Auch hier ist der Verfassungsgerichtshof anderer Meinung. Zum einen handle es sich beim Fiskalpakt um einen völkerrechtlichen Vertrag außerhalb des Unionsrechts, weshalb die für EU-Verträge vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit nicht nötig sei. Holzinger räumte allerdings ein, dass es ein "Zwischending" sei, weil etwa der Europäische Gerichtshof, also eine EU-Institution, über die Einhaltung des Fiskalpakts wacht. Allerdings übersteige diese "Übertragung von Zuständigkeiten an Organe der Europäischen Union nicht den Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen". Das betrifft auch die Bestimmung, dass der Finanzminister der EU-Kommission in der Frage zu folgen hat, ob ein Staat die Defizitgrenzen übersteigt.

Letztlich lehnt der VfGH die Forderung nach einer Zweidrittelmehrheit mit der Begründung ab, dass auch "weitreichende Festlegungen mit budgetären Konsequenzen" zu den politischen Gestaltungsaufgaben des "einfachen Gesetzgebers" gehörten und nicht der Verfassungsmehrheit vorbehalten seien.

Opposition zeigtsich enttäuscht

Die Opposition reagierte enttäuscht auf die Entscheidung der Verfassungsrichter. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bleibt bei der Kritik, dass der Fiskalpakt ein klarer Eingriff in die österreichische Budgethoheit sei und wie der ESM (den der VfGH im April für okay befunden hat, Anm.) einer Volksabstimmung hätte unterzogen werden müssen.

Der grüne stellvertretende Klubobmann Werner Kogler kritisierte, dass sich der VfGH "um eine Entscheidung in der Sache selbst" gedrückt habe und dass es keine öffentliche Sitzung dazu gegeben habe. Deutschland biete bei höchstgerichtlichen Entscheidungen mehr Transparenz.

Wissen

Beim europäischen Fiskalpakt handelt es sich formal nicht um EU-Recht, sondern (weil Großbritannien und Tschechien verweigerten) um einen Staatsvertrag zwischen 25 von damals 27 EU-Staaten. Der Vertrag sieht vor, dass das um Konjunkturschwankungen bereinigte "strukturelle Defizit" maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen darf; Staatsschulden über 60 Prozent des BIP müssen binnen 20 Jahren abgebaut werden ("Schuldenbremse").

Der Fiskalpakt wurde am 2. März 2012 unterzeichnet. Am
1. Jänner 2013 trat er in Kraft. Nur Belgien und Bulgarien haben ihn noch nicht ratifiziert.