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Gewaltopfer bleiben bei Asylverfahren oft unerkannt

Von Bettina Figl

Politik

Mitarbeiter des Bundesasylamts "keine Gutachter für Traumata".


Wien. Ihre Berichte von Folter sind oft aus dem Zusammenhang gerissen, bei der Schilderung von Vergewaltigung lachen sie: Wenn Opfer von Gewalt im Asylprozess ihre Fluchtgeschichte erzählen, wird ihre Traumatisierung häufig nicht erkannt. Das hat negative Auswirkungen auf das Asylverfahren, zeigt nun eine Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte (BIM) und des Betreuungszentrums Hemayat.

Aufgrund von Scham- oder Schuldgefühlen können Gewaltopfer oft erst nach und nach über ihre Erfahrungen sprechen: "Traumatisierte Flüchtlinge werden während der Einvernahme oft emotional überschwemmt. Von ihnen wird aber verlangt, auf Knopfdruck zu sprechen", so Studienautorin Yvonne Schafftler von Hemayat. Daher fordert sie eine Gesetzesänderung, dass im Asylverfahren der Erstaussage nicht wie derzeit am meisten Glauben geschenkt wird.

Die Menschenrechtsexpertinnen kritisieren, dass Asylbehörden mitunter selbst Diagnosen erstellen, und verlangen die Besserstellung von Opfern von Gewalt im Asylverfahren. Sie sollen etwa nicht in den Erst-Einreisestaat zurückkehren müssen ("Dublin-System"), da dadurch das Verfahren verlängert wird. Außerdem brauche es Schulungen für Einvernahmeleiter und Richter des Bundesasylamts und Asylgerichtshofs, damit diese erkennen können, ob Asylwerber Folter oder Gewalt erleben mussten - nur so können sie an unabhängige Experten zur weiteren Untersuchung weitergeben, denn die Asylbehörden selbst erstellen keine Diagnosen.

Doch das "Istanbul-Protokoll" der Vereinten Nationen, das Mindeststandards für die Untersuchung und Dokumentation von Folter enthält, werde in Österreich kaum angewandt. Zusätzlich zur verpflichtenden Ausbildung verlangen die Studienautorinnen professionelle psychologische Unterstützung in Form von Supervision für die Beamten.

Unglaube als Selbstschutz

Aus dem Innenministerium heißt es, Supervision werde den Mitarbeitern des Bundesasylamts angeboten und diese würden auch genutzt. Doch die Mitarbeiter seien "keine Gutachter für Traumata. Wenn Foltererfahrungen zu klären sind, werden professionelle Begutachter beauftragt". Der Asylgerichtshof bietet freiwillige Fortbildungen an.

Die Forscherinnen wünschen sich eine Änderung der Haltung hin zu "wohlwollender Neugier, bei der Personalauswahl soll auf Empathie Wert gelegt werden". Die Realität sehe anders aus, es gebe Bemühungen, die Befragten in Widersprüche zu verstricken. Die abwehrende Haltung sei Selbstschutz. Berichten Asylwerber etwa von Vergewaltigungen, wechseln die Mitarbeiter das Thema: "Wir kennen das aus der Holocaustforschung. Um Gräuel zu erkennen, muss ich anerkennen, dass auch mir das passieren kann", so Schaffler.

Im Zuge des vom Zukunftsfonds und der MA 7 finanzierten Projekts wurden 14 Fälle von Asylwerbern zwei Jahre lang untersucht, Akten studiert und mit Psychotherapeuten und Rechtsvertretern der Betroffenen gesprochen. Bundesasylamt und Asylgerichtshof wurden um Interviews gebeten, kamen dieser Aufforderung aber nicht nach. Das Bundesasylamt hat einen zugesandten Fragebogen beantwortet, der Asylgerichtshof nicht  - aufgrund seines Umfangs und mangelnder Zeit, heißt es auf Anfrage. Aufgrund der geringen Fallzahl kann die Studie nicht die Lage in Österreich abbilden, die Autorinnen sehen ihre Arbeit als Pilotprojekt.