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Rüffel aus Brüssel

Von Eva Zelechowski

Politik
David Cameron sticht mit seinen Forderungen nach eingeschränkter EU-Freizügigkeit heraus - und stößt dabei auf scharfe Kritik aus Brüssel.
© Flickr, The Prime Minister's Office

David Cameron wettert weiter gegen die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. "Ist nicht verhandelbar", sagt Viviane Reding.


Brüssel/London. Der Streit zwischen Großbritanniens Premierminister David Cameron und der EU-Kommission über die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in Europa geht in die nächste Runde. Cameron nutzte ein Abendessen der Staats- und Regierungschefs der EU und sechs weiterer Länder in Vilnius (Litauen), um sich bei Kommissionspräsident José Manuel Barroso über Sozialkommissar Laszlo Andor zu beschweren.

Der Ungar hatte Camerons Pläne, die Arbeitnehmerfreizügigkeit einengen zu wollen, scharf kritisiert. Andor hatte Cameron eine "unglückliche Überreaktion" vorgeworfen und Großbritannien davor gewarnt "das hässliche Land der EU" zu werden.

Die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt von 2014 an auch für die neuen Mitglieder Rumänien und Bulgarien. Cameron hatte dazu in einem Gastbeitrag für die "Financial Times" Stellung bezogen und erklärt, Großbritannien wolle Zuwanderern aus EU-Ländern künftig in den ersten drei Monaten keine Arbeitslosenunterstützung mehr zahlen. Bettler und Obdachlose sollen "entfernt" werden, schrieb Cameron. Seine Pläne sehen auch Kürzungen beim Wohngeld für EU-Ausländer vor. Nach 2015 will er noch grundlegender gegen Migrantenströme vorgehen.

Viviane Reding: "Freizügigkeit nicht verhandelbar"

Gegen diese Ankündigungen waren mehreren EU-Kommissare Sturm gelaufen und hatten darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit einer der grundlegenden Pfeiler der EU-Verträge ist. Cameron dagegen sieht in den Äußerungen Andors, eine unangemessene Einmischung eins "nicht gewählten EU-Beamten". "Das Verhalten ist nicht angemessen für einen Beamten, der von den Steuerzahlern aus Großbritannien und anderen EU-Ländern bezahlt wird", sagte ein Regierungssprecher.

Rüffel erhielt er auch von der EU-Justizkommissarin Viviane Reding: "Wenn Großbritannien aus dem Binnenmarkt austreten will, dann soll Großbritannien dies sagen", sagte die Reding der Zeitung "Die Welt" (Freitag-Ausgabe). Das Recht auf Freizügigkeit sei nicht verhandelbar - "so lange Großbritannien ein Mitglied dieser Europäischen Union und des Binnenmarktes ist", sagte Reding. "Wer die Freizügigkeit von Dienstleistungen, Waren und Kapital in unserem Binnenmarkt nutzt, muss auch die Freizügigkeit von Personen akzeptieren", sagte Reding. "Das ist der Geist des EU-Vertrags, und die Kommission wird dies unerbittlich durchsetzen", kündigt die Luxemburgerin an.

Unterstützung aus Deutschland?

Laut einem Bericht des deutschen Magazins Spiegel setzt Cameron "im Kampf gegen EU-Ausländer" auf die Unterstützung von Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Zusammen mit Großbritannien hätten die drei Länder "bereits im April in einem gemeinsamen Brief die Belastung ihrer Sozialsysteme durch Migranten beklagt und die EU-Kommission aufgefordert, Abhilfe zu schaffen", so der Spiegel.

Doch auf welche Unterstützung kann Cameron - abgesehen vom deutschen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der lautstark und hysterisch vor "Migrationsströmen" warnt - zählen? Deutschland profitiert von der Zuwanderung: Laut einer Studie der Bertelsmannstiftung würden sich immer mehr Akademiker aus dem Ausland in Deutschland niederlassen und im Vergleich mehr in die Pensionskassen einzahlen als Personen ohne Migrationshintergrund, berichtete die Abendzeitung München.

Auch Österreich ist Migrationsgewinner

Un wie sieht die im Spiegel angesprochene "Belastung der Sozialsysteme durch Migranten" in Österreich aus? Im Juni wurde eine OECD-Studie (die "Wiener Zeitung" berichtete) veröffentlicht, wonach auch Österreich ein Migrationsgewinner ist: Zwar seien Einwanderer stärker von Arbeitslosigkeit betroffen, aber sie hätten jahrelang in die Sozialsysteme eingezahlt. Die Sozialleistungen stehen ihnen also zu. Anstatt sich auf Einschränkungen zu fixieren, raten Ökonomen, die Hürden auf dem Arbeitsmarkt für Zuwanderer zu reduzieren. Auch das Innenministerium sieht keinen Handlungsbedarf, denn das Problem "Sozialtourismus" existiere nicht, wie ein Sprecher des Innenministeriums dem Spiegel bestätigte.