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Sudu essen wie in Tel Aviv

Von Alexia Weiss

Politik
Alles koscher gilt für Daniel Aulovs Spezial-Baguettes.
© Stanislav Jenis

Integration funktioniert nur über Sprache und Ausbildung.


Wien. Sudu essen am Karmelitermarkt: Der erst 20-jährige Daniel Aulov hat einen Trend aus Israel nach Wien gebracht. Man nehme eine Art Baguette, befülle es mit Salat, Gemüse, Wurst, Humus und Pesto, füge verschiedenste Saucen hinzu und toaste das Ganze. Was ein bisschen nach der Franchise-Kette Subway klingt, schmeckt hier hipper und orientalischer. Und: Es ist koscher. Die Idee kam Aulov, als er in Israel sah, wie gerne Jugendliche beim Fastfood-Tempel Suduch (ein Eigenname, der so Aulov, keine besondere Bedeutung hat) einkehren.

"Viele jüdische Jugendliche kennen das aus Tel Aviv und wollten es auch in Wien essen", erzählt Aulov. Sie sind es, die nun auch bei ihm vorbeischauen und ihr individuelles Sudu haben möchten. Zwiebel gefällig? Tomaten? Mit Wurst, angeboten wird sie hier von der Pute, oder doch lieber vegetarisch? Sein kleines Lokal, situiert gegenüber der Haidgasse im 2. Bezirk, lockt aber auch immer mehr Menschen an, die zu Mittag rasch eine Kleinigkeit essen wollen. Manche von ihnen legen Wert auf die koscheren Zutaten, andere schätzen einfach nur die orientalische Geschmacksnote.

Nur wer die Sprache spricht, kann sich integrieren

Abgesehen davon, dass Aulov selbst noch sehr jung ist: Er ist es auch gewohnt, mit jungen Menschen zu arbeiten. Viele Jahre war er Madrich, also Erzieher, in der bucharisch-jüdischen Jugendorganisation "Jad be Jad" (Hand in Hand). Auch er selbst ist bucharischer Herkunft - seine Vorfahren stammen also aus dem zentralasiatischen Teil der ehemaligen Sowjetunion. Seine Großeltern sind, wie viele andere der bucharischen Juden, die heute in Wien leben, auch, in den 1970er Jahren zunächst nach Israel ausgewandert, dann aber bald nach Österreich weitergereist. Aulovs Mutter kam bereits als Kleinkind nach Wien.

Daniel Aulov spricht perfekt Deutsch, hat hier zunächst die Unterstufe des jüdischen Zwi Perez Chajes-Gymnasiums besucht, anschließend am Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum (JBBZ) eine Lehre zum IT-Techniker absolviert und abgeschlossen. Nebenbei jobbte er allerdings schon in der Gastronomie und hat diese nun zu seinem Beruf gemacht.

Nur wer die Sprache beherrsche und über eine gute Ausbildung verfüge, könne sich gut in einem Land integrieren, ist Chanan Babacsayv überzeugt. Er kam in den 1980er Jahren als Achtjähriger mit seinen Eltern nach Wien und sitzt heute für die Liste Bucharischer Juden im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien. Wüsste man nicht, dass er nicht in Wien geboren wurde, man würde es nicht merken. Auch er spricht akzentfrei Deutsch und ist als Immobilienmakler erfolgreich. Babacsayv zählt sich zur zweiten Generation der bucharischen Juden in Wien, seine Kinder - heute sieben, elf und zwölf Jahre alt - gehören wie Aulov der dritten Generation an.

Schritt in die Selbständigkeit

Rund 520 jüdisch-bucharische Familien leben derzeit in Wien, viele von ihnen traditionell bis religiös, Kinderreichtum ist auch bei den Jüngeren noch angestrebt. "Drei bis vier Kinder zu haben ist bei uns üblich", erzählt Babacsayv. Das sieht auch Aulov so, will sich aber mit dem Heiraten noch ein bisschen Zeit lassen.

Was sich über die Generationen gewandelt hat, sind die Berufe, in denen bucharische Juden tätig sind - aber auch das Ausbildungsniveau. Jene, die in den 1970er Jahren nach Wien kamen, "haben zunächst Hilfsarbeiterjobs gehabt - Möbel tragen, Wohnungen saubermachen. Aber das war bei den meisten nur eine ganz kurze Zeit lang so. Als sie wussten, dass sie hier bleiben, haben sie sich in die Selbständigkeit gewagt." Schuhreparatur und Gemüsehändler waren damals die typischen Betätigungsfelder.

"Der nächste Schritt war das Eröffnen eines Textilgeschäfts, der Import-Export-Bereich, vor allem nach der Ostöffnung 1989/90, für Waren aller Art." Damals habe es auch einen Wechsel am Mexikoplatz gegeben - "das war die Zeit, in der bucharische Juden dort Fuß gefasst haben". Irgendwann habe man sich dann aber auch "in die Stadt gewagt", Geschäfte eröffnet, ab Ende der 1990er sehr oft Handystores.

Auch Babacsayv selbst hat seine Unternehmerlaufbahn in der Handybranche begonnen. Bis heute betreibt die Familie zwei solcher Geschäfte in Wien, an denen er auch beteiligt ist. Er hat an einer Handelsakademie maturiert und später eine Ausbildung zum Immobilienmakler und Hausverwalter absolviert und sich in diesem Bereich selbständig gemacht. Auch viele andere Bucharen sind heute im Immobilienbereich tätig. Gerne hätte Babacsayv Jus studiert - und schließt nicht aus, das auch eines Tages einmal anzugehen.

Als er davor stand, eine Familie zu gründen, ging es aber vor allem darum, Geld zu verdienen. Denn eine Familie koste, einerseits, weil man in bucharischen Familien eben mehr Kinder habe als in der durchschnittlichen österreichischen Familie, andererseits aber auch, weil man noch in Traditionen verhaftet ist, die man sich leisten können muss. "Wenn du zu Feierlichkeiten eingeladen bist, dann gehört es eben dazu, Geschenke zu machen."

Seinen Kindern will er den Zugang zu einem Unistudium unbedingt ermöglichen. Insgesamt gehe der Trend in den bucharischen Familien Richtung Uni-Abschluss, erzählt er, auch wenn man mit einem solchen oft nicht so viel verdiene wie etwa im Import-Export-Bereich. "Wir haben heute schon Anwälte, Ärzte, Bauträger." In jedem Fall schaue man aber darauf, dass die Kinder über einen Abschluss verfügen - zum Beispiel einen Lehrabschluss am JBBZ, wie ihn auch Aulov hat.

Während er seine Jugend als sehr frei erlebt hat - wie viele Kinder von Zuwanderern hat er, wenn es um die Sprache ging, eher seine Eltern unterstützt als sie ihn, indem er übersetzte, und so kümmerte er sich auch um seine schulischen Belange alleine -, ist der Zugang zum Thema Bildung für seine Kinder nun ein anderer. Eltern wie Babasayv sind sozusagen dahinter, dass der Nachwuchs lernt und die Chance, eine gute Ausbildung zu absolvieren, auch nutzt.