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Österreichs berühmtester Inder

Von Elisabeth Gamperl

Politik
"Was du wollen" , hört Allrounder Ramesh Nair gelegentlich von heimischen Beamten.
© Luiza Puiu

Schauspieler will mit seiner Werbe-Figur Stereotype aufbrechen.


Wien. Die Hauptstadt im Winter. Ramesh Nair sitzt im hintersten Winkel des "Caffe latte" in der Neubaugasse, ein paar Gehminuten von der Mariahilfer Straße entfernt. In die dunkel eingerichtete Bar verzieht sich Nair, wenn er eine kurze Pause braucht oder etwas zu besprechen hat. Er begrüßt die Kellnerin freundschaftlich und bestellt entsprechend dem Ambiente einen Café Latte. Sein Stammplatz befindet sich am einzigen Fenster, neben der offenen Küche. Selbst hier ist er nicht ganz für sich allein. Die Gäste am Nebentisch schielen verstohlen zu ihm rüber. Das ist doch der aus der Werbung, oder?

Nair kann seinem Werbe-Ego "Der Inder" nicht entkommen. Er verfolgt ihn, wie sein Schatten. Seit fünf Jahren wirbt der 39-Jährige für die Tarife eines österreichischen Handyanbieters. Am Anfang mit Turban und "Frag doch den Inder"-Slogan, seit zwei Jahren in schwarz-rotem Lederkostüm, plus Pfeil und Bogen. "Zahlt nur das, was ihr braucht", ruft er als "Inder-Hood" im indischen Akzent von einem Hochhaus.

Österreicher kennen keine Farbigen im Fernsehen

Nair spricht sehr routiniert, kein Satz kommt unüberlegt über die Lippen. Dabei hat er immer ein schneeweißes Lächeln parat und bleibt trotzdem distanziert. Er ist ein Profi. Einer, der den Rummel meidet und sich lieber daheim auf sein Sofa zurückzieht. Nair hat sich mittlerweile daran gewohnt, an sein Werbe-Ich angesprochen zu werden. Nicht so am Anfang: "Ganz am Anfang wäre ich einmal fast von einem Auto überfahren worden, als ich auf der Mariahilfer Straße über drei Stockwerke hängend mein Gesicht auf einem Plakat gesehen habe."

Seine Berühmtheit erklärt er sich selbst durch sein Aussehen: "Man ist es in Österreich einfach nicht gewohnt, einen Farbigen im Fernsehen zu sehen. Klar bleibe ich da in Erinnerung", sagt Nair. Kulturelle Vielfalt ist in der heimischen Werbeindustrie, im Fernsehen und auf der Bühne noch nicht wirklich angekommen.

Grantige Wiener waren gewöhnungsbedürftig

Nair ist in dieser Branche einer der wenigen Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund, die eine steile Karriere zurückgelegt haben. Er hat einen indischen Pass, ist in Deutschland aufgewachsen und lebt in Wien. Er hofft mit seiner Präsenz die konservativen Strukturen aufzubrechen, "bei Besetzungen ist man nämlich noch immer zu vorsichtig", sagt Nair.

Ob man Strukturen mit der klischeehaften Darstellung eines Inders aufbrechen kann? Für Nair schon: "Es war für mich immer abwechslungsreich und nie ein Stereotyp. Der Inder-Hood an sich ist ja eine Heldenfigur, die Horizonte aufbricht."

Er ist es gewohnt zu kämpfen. Das musste er damals schon, als er seiner Familie klarmachte, dass Tanzen sein Traum sei. "Einmal ist sogar der Satz gefallen, ob ich nicht lieber in einer Bank arbeiten möchte", sagt Nair. Aber er setzte sich durch. Sein Erfolg dämpfte schlussendlich die Zweifel der Eltern.

Im Alter von sieben Jahren begann er zu tanzen. "Meine Mutter musste mir damals alle drei Wochen neue Straßenschuhe kaufen, weil ich immer und überall steppte." Er wurde mit der Stepptanzgruppe "Penguin Tappers" 1997 deutscher Meister. Nach seinem Studium zum Bühnendarsteller im deutschen Essen, kam es schnell zur ersten Rolle in Wien am Raimundtheater. Ein großer Sprung. Er war die Zweitbesetzung des Joseph in dem Musical "Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat." Das war vor 14 Jahren. Seitdem singt, tanzt, und moderiert sich Nair quer durch Österreich. Er ist ein Alleskönner. Wenn Nair von etwas begeistert ist, ist er unglaublich fleißig und pedantisch, behauptet er. Trällert bei einem Benefizkonzert da, spielt die Hauptrolle in einem Musical dort und leitet nebenbei noch eine Jugendtanzgruppe.

Er ist ständig unterwegs, aber ruhiger als früher: Vor zehn Jahren machte er fünf bis sechs Jobs gleichzeitig. Er hatte Angst, etwas zu versäumen. "Ich bekam Herzrasen. Es war eine Art Vorstufe des Burnouts. Mittlerweile weiß ich, ich muss nicht mehr alles machen, auch wenn man das als angehender Künstler glaubt."

Am Anfang hatte er gar nicht vor, in Österreich zu bleiben. Er gewöhnte sich erst mit der Zeit an die grantige, mürrische Art der Wiener. Nair fühlte sich nicht willkommen. Es gab Erlebnisse, die ihm heute noch verärgert den Kopf schütteln lassen. Die unfreundliche Art der Beamten bei der jährlichen Verlängerung seines Aufenthaltstitels zum Beispiel. "Manche redeten mit mir á la ,Was du wollen‘, obwohl ich fließend Deutsch mit ihnen sprach."

Ausländerfeindliche Plakate: ein Schlag ins Gesicht

Einmal sei er nach der Show aus dem Raimundtheater ins Freie gegangen. "Direkt neben dem Bühneneingang hing ein großes Plakat einer Partei. So etwas wie: Ausländer, die Probleme der Wiener, stand dort geschrieben. Und das, nachdem ich gerade drei Stunden für die Wiener mein Bestes gegeben hatte. Das war wie ein Schlag ins Gesicht."

Trotzdem fühlt er sich hier daheim und überlegt auch, die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Heimat sei für ihn nämlich dort, wo man sein Leben verbringe, sagt Nair.

Zurzeit ist es sein durchgelegenes Sofa in der Wohnung im 7. Bezirk, auf welches er sich nach einem langen Tag legt. Mittlerweile findet er sogar die mürrischen Stadtbewohner okay, auch wenn er noch immer auf der Straße auf den Handytarif angesprochen wird. Aber seltener. "Ich glaube, auch Wien hat sich an mich gewöhnt."