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"Ich bin nicht das Christkind"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

ÖVP-regierte Länder Vorarlberg, Tirol und Salzburg fordern Modellregionen.


Wien. "Worum geht’s? Gesamtschule? Schon wieder?" Immer noch, hätte man dem mit der Materie nicht befassten ÖVPler am Mittwoch am Rande des Ministerrats entgegnen können. Allerdings gehen diesmal die Wogen im Streit um eine gemeinsame Schule für die 10- bis 14-Jährigen nicht wie in der Vergangenheit zwischen SPÖ und ÖVP hoch, sondern innerhalb der Volkspartei. Hier bleibt nämlich die sogenannte Westachse - diesmal in Person des Vorarlberger Landeshauptmanns Markus Wallner - bei ihrer Forderung nach mehr Reformbereitschaft der Bundespartei in Sachen Bildung. Diese denkt allerdings gar nicht daran, von der bisherigen Linie abzuweichen, und verweist auf das Regierungsübereinkommen.

Vorarlberg würde gerne ab 2015 eine Modellregion für die Gesamtschule werden. Aufgrund der Blockadehaltung vor allem der ÖVP sei das aber noch "Jahre entfernt", hatte Wallner am Dienstag kritisiert. Derzeit braucht es zur Genehmigung solcher Modellregionen eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. In der Vorwoche hatte sich schon der Zweite Nationalratspräsident und Ex-ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf für die Möglichkeit zu Modellregionen ausgesprochen. Und auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer - er bildet mit Wallner und Tirols Landeshauptmann Günther Platter die sogenannte Westachse in der ÖVP - wünscht sich das.

In Salzburg soll es aber nicht gleich das ganze Bundesland umfassen (da dies einer Abschaffung der AHS-Unterstufe gleichkäme). In der "Presse" sprach Haslauer vielmehr von "ein, zwei Sprengeln", im "Standard" von "zwei, drei Schulen", die er im Auge habe. Platter steuert in Sachen Gesamtschule ebenfalls gegen Kurs der Bundes-ÖVP. So soll noch im heurigen Herbst im Zillertal ein Pilotversuch gestartet werden - ungeachtet der Situation auf Bundesebene.

Dort erteilt man derartigen Ansinnen eine klare Absage. "Wünsche wird es immer geben, aber ich bin nicht das Christkind", richtete ÖVP-Bundesobmann Michael Spindelegger den aufrührerischen Landesfürsten am Mittwoch vor dem Ministerrat aus. Der Parteichef verwies auf das neue Regierungsübereinkommen, und dort ist von gemeinsamer Schule keine Rede. "Im Regierungsprogramm wurde festgelegt, was wirklich wichtig ist", erklärte Spindelegger und verwies auf den Ausbau der Ganztagsschule, der Schulautonomie und der Kinderbetreuung. Überhaupt habe man die Debatte über die Gesamtschule über Jahre geführt, "das brauchen wir nicht jeden Tag neu". Diese Frage sei in den nächsten Jahren nicht zu lösen.

Ost-ÖVP auf Bundeslinie

Auch für Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist das Regierungsprogramm die "Richtschnur". Daher sei die Gesamtschule für ihn "kein Thema". Mitterlehner verwies wie Spindelegger zudem darauf, dass das Regierungsübereinkommen in der ÖVP einstimmig angenommen worden sei, also auch von Wallner. Bekräftigt wird die Bundes-ÖVP auch von den Landesgruppen aus Ober- und Niederösterreich.

Vonseiten der SPÖ war man am Dienstag bemüht, den ÖVP-internen Streit nicht noch anzuheizen. Zwar gab es aus der Wiener SPÖ Wortmeldungen, die den vermeintlichen "Meinungsschwenk in der ÖVP" begrüßten, die Bundespartei hielt sich aber merklich zurück - ganz im Sinne des viel zitierten neuen Stils. So erklärte Bundeskanzler Werner Faymann, es sei kein Geheimnis, dass er ein Freund der gemeinsamen Schule sei, aber die bildungspolitische Vorgangsweise sei im Regierungsprogramm beschlossen worden "und an die werde ich mich halten". In dem, worauf man sich geeinigt habe, liege "viel Potenzial", daher liege auch hier die Priorität. "Eine kritische Debatte ist immer gut, aber Streitereien brauchen wir nicht", sagte der Kanzler.

Kurz vor Weihnachten hatte sich Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek den Zorn der ÖVP zugezogen, weil sie fand, die gemeinsame Schule sei zwar nicht im Regierungsprogramm, für sie aber dennoch nicht "vom Tisch". ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel rügte damals Heinisch-Hosek, sie wolle den Koalitionspakt aufschnüren, noch ehe die Tinte trocken sei. Diesmal hielt sich die Bildungsministerin deutlich zurück. Zwar werde sie mit der ÖVP über die Gesamtschule reden, denn wenn SPÖ und ÖVP kreativ seien, könne man auch etwas machen, was nicht im Regierungsprogramm stehe. Gesetzesänderungen müssten aber "harmonisch" erfolgen. Im Falle Vorarlbergs hält die Ministerin eine Zweidrittelmehrheit für eine Modellregion zudem für nicht nötig. Wallner müsse nur die Vorarlberger Gymnasien überreden, bei der Neuen Mittelschule mitzumachen. Eine Zweidrittelmehrheit herbeizuführen, um die AHS abzuschaffen, beabsichtige sie aber nicht, so Heinisch-Hosek.