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Mali muss warten

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Die Priorität des Ministers liegt auf der Reform des Wehrdienstes.


Wien. Wenn sich die österreichischen Militärs heute Abend in ihre schönste Uniform (offiziell: Großer Gesellschaftsanzug) werfen, um mit 3000 anderen Gästen beim 87. Ball der Offiziere zu Walzer und Polka das sonst eher Marsch-geübte Tanzbein zu schwingen, ist für ausreichend Gesprächsstoff gesorgt. Das glitzernde Ambiente der Wiener Hofburg wird nämlich nicht darüber hinwegtäuschen können, dass es um das Bundesheer derzeit alles andere als glänzend steht. Die Bundesregierung hat bis 2016 ein strukturelles Nulldefizit als Marschbefehl ausgegeben, was vor allem für das Heer schmerzhafte Einschnitte bedeutet.

500 Millionen Euro müssen die Ministerien bei ihren Ermessensausgaben heuer sparen. Ein Achtel - 63,4 Millionen Euro - davon alleine das Verteidigungsressort, hieß es zunächst. Bei einem Budget von gut zwei Milliarden wären das drei Prozent weniger Geld. Nur der Bereich Unterricht und Kunst (der demnächst ressortmäßig getrennt wird), muss mit 68,3 Millionen noch mehr streichen, allerdings bei einem viermal so großen Budget.

"Sehe kein Sparpotenzial"

Ganz so schlimm dürfte es allerdings nun doch nicht kommen. Wie aus dem Verteidigungsministerium zu hören ist, erreichte Minister Gerald Klug eine deutliche Reduzierung der Kürzungsvorgabe: In diese wird demnach die diesjährige Rate für die Eurofighter von 18 Millionen Euro eingerechnet. Damit muss das Ressort seine Ermessensausgaben nur um 45 Millionen Euro kürzen. Die Frage ist nur, wo. Schon in den vergangenen Jahren wurde das Bundesheer finanziell "ausgeblutet", wie Bundesheerangehörige immer wieder kritisieren. Tatsächlich liegt das österreichische Verteidigungsbudget mit 0,6 Prozent des BIP EU-weit ganz hinten.

Wo der Sparstift angesetzt wird, darüber hält man sich im Verteidigungsministerium noch bedeckt. Geht es nach externen Experten, kann man beim Heer eigentlich gar nicht mehr kürzen. "Mit dieser Struktur und unter Beibehaltung der Wehrpflicht sehe ich überhaupt kein Einsparungspotenzial", sagt der Sicherheitsexperte Gerald Karner zur "Wiener Zeitung", "in den letzten Jahren wurde ja ohnehin enorm viel gespart."

Bei den Investitionen sieht der Brigadier keine weiteren Möglichkeiten für Kürzungen. Immerhin sei man ja schon daran gegangen, Panzer und anderes Gerät zu verkaufen. Auch beim Personal, das mittlerweile einen "ungesunden Anteil von 70 Prozent" ausmache, sieht es nicht allzu gut aus, schließlich seien die meisten beim Heer noch immer Beamte. "Somit bleibt nur noch der Betrieb, wo gespart werden kann - und wo schon in den letzten Jahren gespart wurde." Kürzungen im Betrieb bedeuten weniger Geld für Einsatzübungen, Training und Ausbildung - "wie soll da eine Wehrdienstreform für mehr Ausbildung gelingen?"

Klugs Prioritäten

An der Wehrdienstreform will Verteidigungsminister Klug aber unbedingt festhalten. Sie genießt absolute Priorität - und gilt als Muss für den Minister. Dem wird alles andere untergeordnet. Dort kann nicht gespart werden, mit entsprechenden Konsequenzen für die anderen Bereiche. Zwar heißt es aus dem Ministerium, die Einsatzbereitschaft des Heeres - es geht dabei explizit um Auslandseinsätze - soll "so weit wie möglich aufrechterhalten bleiben". Eine Finanzierungsgarantie klingt irgendwie anders.

Derzeit sind rund 800 österreichische Soldaten im Ausland stationiert, vor allem am Balkan, in Nahost und in Afrika. Laut Regierungsprogramm und Nationaler Sicherheitsstrategie sollten es eigentlich 1100 sein - "mindestens". Seit dem Abzug vom Golan im Vorjahr klafft aber eine Lücke von 300 Mann. Nicht dass die nicht benötigt würden. Frankreich hätte etwa gerne, dass Österreich mehr Soldaten nach Mali, in die Zentralafrikanischen Republik oder in den Kosovo schickt, wo Paris seine eigenen Truppen abziehen oder reduzieren will. Auch Einsätze im Südsudan werden diskutiert. Daher hat Außenminister Sebastian Kurz eine rasche Aufstockung gefordert.

Einer baldigen neuen Mission hat Bundeskanzler Werner Faymann bei der Regierungsklausur in Waidhofen/Ybbs allerdings eine Absage erteilt. Er sieht Österreich mit 800 Auslandssoldaten auf einem "guten Niveau", wobei es noch Spielraum gebe. Also doch kein striktes Nein, aber halt auch noch kein Ja. Auch dem französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault beschied Faymann bei dessen Besuch am Donnerstag in Wien, dass man sich noch nicht entschieden habe.

Dieses Zuwarten ergibt budgetär durchaus Sinn: Pro Jahr kostet ein Soldat im Ausland 55.000 Euro. Mit dem Abzug vom Golan erspart man sich inklusive Materialkosten rund 18 Millionen Euro im Jahr - wieder mehr als ein Viertel des Gesamtsparbetrags. Je später Österreich sich beteiligt, desto billiger wird es.

Am Freitag treffen sich Klug und Kurz zu einem Gespräch, in dem das weitere Vorgehen akkordiert werden soll.

Für Strategieexperte Karner ist klar, dass man Frankreichs Wünschen nach Truppen für Afrika eine Absage erteilen wird - mit der einfachen Begründung: "Weil kein Geld da ist." Karner rechnet auch nicht damit, dass das Auslandskontingent in absehbarer Zeit erhöht wird. Die Konsequenzen sind für ihn aber auch klar: Österreich wird aus der ersten Liga der truppenstellenden Staaten absteigen, "und das wird Rückwirkungen auf das Standing der Republik in der Welt haben".

Manche sehen als Folge des verringerten internationalen Engagements sogar den UNO-Standort Wien gefährdet. Die hiesigen Institutionen bringen alleine Wien eine zusätzliche Wertschöpfung von rund einer halben Milliarde Euro im Jahr. Daran wird sich aus Sicht Karners auch nichts ändern, denn "Österreich zahlt ja brav".

Die Wehrdienstreform

Am kommenden Montag jährt sich die Volksbefragung über ein Berufsheer zum ersten Mal. Am 20. Jänner 2013 sprachen sich 59,7 Prozent der Österreicher für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht aus. Als Konsequenz beschloss die Koalition eine Reform des Grundwehrdienstes. Insgesamt 180 Einzelmaßnahmen sollen bis Ende 2014 umgesetzt werden. So dürfen Rekruten zwischen verschiedenen Modulen für eine vertiefende Ausbildung im Ausmaß von 35 Stunden wählen: Schießen (wofür sich im ersten Jahrgang 35 Prozent entschieden), Sport (34), Erste Hilfe (17,5) Sprachen (9) und Führungsausbildung (4,5). Weitere Schwerpunkte der Reform sind die Reduktion der Systemerhalter, ein breiteres Sportangebot, bessere Unterkünfte inklusive WLAN, mehr Beratung sowie Verbesserungen beim Stellungsverfahren. Es soll auch Übungen mit Blaulichtorganisationen geben. An der Reform will Verteidigungsminister Gerald Klug trotz aller Sparzwänge (sein Ressort muss 45 Millionen einsparen) festhalten: "Für mich steht fest, dass die Reform des Wehrdienstes weitergehen muss. Das ist der klare Auftrag der Bevölkerung und das sind wir auch den mehr als 20.000 jungen Burschen schuldig, die Jahr für Jahr zu uns kommen." Während Klug erklärt, "die ersten Maßnahmen greifen bereits", ist die Opposition gespalten. Das Team Stronach ist der Meinung, "es hat sich einiges getan". Die FPÖ spricht von ersten Schritten, aber auch Mankos. Aus Sicht der Neos hat sich "viel zu wenig" getan und laut den Grünen wurde "gar nichts reformiert".