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Das Erschummeln der Kyoto-Ziele soll ein Ende haben

Von Petra Tempfer

Politik

Landwirtschaftsminister Rupprechter: "Österreich soll Umwelt-Vorreiter werden."


Wien. Zuerst die gute Nachricht: Im Vergleich zum Jahr 2011 ist der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) 2012 gesunken. Und nun die schlechte: Der Zielwert für die Kyoto-Periode von 2008 bis 2012 wurde mit einem Gesamtausstoß von 415,9 Millionen Tonnen deutlich überschritten. Das geht aus der aktuellen Treibhausgasbilanz hervor, die der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter Mittwochabend bei seiner ersten Pressekonferenz präsentierte.

Dass er zu seinem Einstieg gleich einmal wenig Erfreuliches zu berichten hatte, fing Rupprechter mit dem Satz ab: "Diese Bilanz fiel ja nicht unbedingt in meinen Wirkungsbereich", und gab sich zukunftsorientiert. Österreich solle zum Umwelt-Vorreiter Europas werden - indem die Kyoto-Ziele für 2013 bis 2020 ohne Zertifikate erreicht werden. "Wenn wir hier eine Führungsrolle einnehmen wollen, müssen wir ambitionierte Ziele formulieren."

Österreich kaufte EU-weit die meisten CO2-Zertifikate zu

Um die Kyoto-Verpflichtung für 2008 bis 2012 zu erfüllen (Zielwert waren 343,9 Millionen Tonnen CO2-Emission), hatte Österreich nämlich 70 Millionen Tonnen in Form von Zertifikaten zukaufen müssen. Kostenpunkt laut Umweltbundesamt: Etwa 500 Millionen Euro, der Klimaexperte Stefan Schleicher von der Uni Graz spricht sogar von 600 Millionen. Mit Zertifikaten wird rege gehandelt. Spezialisierte Firmen bieten Klimaschutzprojekte in unterschiedlichen Ländern an, die man mittels CO2-Zertifikaten kaufen kann - zum Beispiel ein Projekt zur thermischen Sanierung von Schulen in Bulgarien -, um dem eigenen Kyoto-Ziel zumindest am Papier näherzukommen. Somit wurde eine bestimmte Menge CO2-Emission zwar nicht im eigenen, aber dafür in einem anderen Land reduziert.

"Es ist eine Art von Freikaufen", sagt Schleicher zur "Wiener Zeitung", "und hat die Glaubwürdigkeit der österreichischen Klimapolitik gewaltig inkriminiert." Kein anderes europäisches Land habe so viel zukaufen müssen. Österreich sei Spitzenreiter im negativen Sinn, die Situation an sich absurd: "Um das Geld hätte man im eigenen Land zahlreiche Klimaschutz-Maßnahmen umsetzen können."

Ist unter diesem Blickwinkel Rupprechters Ziel realistisch? "Würde der Minister diese sehr positive Aussage mit Maßnahmen mit starker Signalwirkung verbinden, hätte sie mehr Gewicht", meint dazu Schleicher. Konkret spricht er damit das Thema Verkehr an, das auch laut Rupprechter das Sorgenkind der Klimapolitik ist: In diesem Bereich wurden die Kyoto-Ziele am stärksten verfehlt, gefolgt von Industrie und Landwirtschaft. Seit 1990 sind die Emissionen des Verkehrs um 54 Prozent gestiegen. In der Periode 2008 bis 2012 lagen sie bei 110,4 Millionen Tonnen, mehr als ein Viertel davon ist auf den Tanktourismus zurückzuführen. Eine "Maßnahme mit starker Signalwirkung" wäre laut Schleicher die Erhöhung autobezogener Steuern, weil diese mit der Nutzung zusammenhängen - etwa der Mineralölsteuer. Stattdessen soll aber die Autokaufsteuer erhöht werden, was wenig Auswirkung auf die Nutzung hat. Der Verkehrsclub Österreich wiederum forderte am Donnerstag einmal mehr den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes als Lösungsansatz.

Für Konzepte dieser Art ist allerdings nicht Rupprechter, sondern Verkehrsministerin Doris Bures zuständig. Die Ankündigungen des Landwirtschaftsministers, Österreich zum Umwelt-Vorreiter machen zu wollen, sind zudem kaum im Regierungsprogramm berücksichtigt. "Um dieses Ziel zu erreichen, sind daher kräftige Anstrengungen nötig", resümiert Schleicher.

Dass er es alleine nicht schaffen kann, scheint Rupprechter bewusst zu sein. Hat er doch angekündigt, beim Thema Umweltschutz eng mit dem Verkehrs-, Wirtschafts- und Sozialministerium zusammenarbeiten zu wollen. Auch Umweltschutzorganisationen möchte er künftig stärker einbinden und einladen, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen. Global 2000 "nimmt die Einladung gerne an", wie es hieß. Zentrale Forderung: Ein Klimapaket, das unter anderem die Zweckbindung der Wohnbauförderung beinhaltet, damit diese auch wirklich etwa für energieeffizientes Bauen verwendet wird.