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Diskriminierung in Schulbüchern

Von Eva Zelechowski

Politik

Wissenschafter, Schüler und Lehrer analysieren Darstellung von Migranten in Lehrbüchern.


Wie das Thema Migration in Schulbüchern behandelt wird und wie Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund dargestellt werden, stand im Fokus des Projekts "Migration(en) im Schulbuch", das im Zeitraum von 2011 bis 2013 von den Wissenschafterinnen Christiane Hintermann, Christa Markom und Heidemarie Weinhäupl gemeinsam mit Schülern und Lehrern durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 50 Schulbücher analysiert, davon wurden 22 einer Detailanalyse unterzogen.

In nahezu allen Büchern tauche Migration als Problemdiskurs auf, als Bedrohung und Gefahr, schreiben Markom und Weinhäupl im wissenschaftlichen Artikel "Migration diskursiv - Problematik und Sprachkritik in Schulbuch und Schule". Das zeige sich im Kontext globaler Wanderungen: Bilder von überfüllten Booten, Titel wie "Ansturm auf Festung Europa" oder "Exodus aus Afrika" (nicht selten auch medial inszenierte Bedrohungsszenarien). Als problematisch sei auch die inhaltliche Zuordnung des Themas zu sehen: Anstatt unter "Veränderungen der österreichischen Gesellschaft" lernen die Schüler Zuwanderung als "Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" kennen – gleich im Anschluss die Kapitel über Rechtsextremismus und Terrorismus. Aus wissenschaftlicher Hinsicht problematische Begriffe wie "Schwarzafrika" oder "Kulturkreis" würden außerdem nicht ausreichend differenziert erklärt.

Begriffskritik und Meinungsbildung wichtig

Dadurch können bereits vorhandene Stereotype und Denkweisen der Kinder und Jugendlichen verstärkt werden. Der Umgang mit Begrifflichkeiten, so hat sich bei den Workshops gezeigt, sei den Schülern sehr wichtig und sie erwarten umfassende Erklärungen zu Begriffen, die vor allem historische Hintergründe betreffen. Den Schülern solle dadurch klar werden, warum der Gebrauch von Begriffen wie "Rassenunruhen", "Rasse" oder "Zigeuner" kritisch gesehen werden sollte. Dazu zähle auch, Sprache als sich immer verändernden Prozess zu begreifen.

Was den umstrittenen Begriff "Integration" betrifft, gelang scheinbar nur zwei der analysierten Bücher eine differenzierte Auseinandersetzung mit möglichen Definitionen. Im Projekt habe sich gezeigt, dass Schüler interessierter daran sind, unterschiedliche Perspektiven zum Thema "Migration" oder "Integration" zu beleuchten und selbst an kontroversen Definitionen zu tüfteln. Auch bei der Unachtsamkeit von Schulbüchern in Bezug auf Begriffe wie Ausländer, Inländer, Migrant, Einheimischer, Fremder gäbe es Nachholbedarf. Eine solche "Markierung einzelner Schüler" könne durch stärkeren Fokus bei der Lehrerausbildung entgegengesetzt werden, so Markom und Weinhäupl.

"Nützlichkeitsdiskurs"

Auch wird zwar ein "Nützlichkeitsdiskurs" im Zusammenhang mit Zuwanderung geführt, wobei Migration etwa als "ungeliebte Notwendigkeit" tituliert wird und Migranten als (Billig-)Arbeitskräfte, Erhalter des Sozialsystems und Steuerzahler hervorgehoben werden. Und - wie so oft in Zuwanderungsdebatten - kommen sie auch in Schulbüchern selbst kaum zu Wort.

Die gesellschaftspolitisch und medial aufgeladenen Themen "Kopftuch" und "Mehrsprachigkeit" wurden auch unter den Schülern kritisch diskutiert. Sogar in einer als "migrationsfreundlich" eingestuften Gruppe sei das Beherrschen mehrerer Sprachen als Problem und - vergleichbar mit dem politischen Diskurs in Österreich - Deutsch als Voraussetzung von Integration gesehen. Viele Vorurteile kamen bei der Analyse von Bildern, die Frauen mit Kopftuch zeigten, zutage: "Freiwillige Segregation" und mangelnde Deutschkenntnisse etwa.

Die Wissenschafterinnen Markom und Weinhäupl wiesen auf eine mögliche Entschärfung des Problemdiskurses durch "biographische Zugänge und lebensgeschichtliche Aspekte" in Schulbüchern hin. Warum entscheidet sich eine Frau dazu, ein Kopftuch zu tragen? Hintergründe und Motive seien einmal mehr wichtig.

Die kritischen Analysen der Projektteams hätten vor allem eines gezeigt: Die Mehrheit der Schüler erwarte genügend Informationen, um sich eine Meinung bilden zu können. Ein Schüler einer Berufsbildenden Höheren Schule brachte es auf den Punkt: "Wenn ich nicht in Schulbüchern die Erklärungen dazu finde, wo sonst?"

Online-Kampagne knüpft an

Anknüpfend an das Projekt hat M-MEDIA eine Online-Kampagne (Facebook-Seite) gestartet, die die Problematik von diskriminierenden Darstellungen in Schulbüchern auf weitere Bereiche der Diversität ausdehnt: Alter, Behinderung, Ethnische Zugehörigkeit, Gender, Sexuelle Orientierung, Weltanschauung. Simon Inou, Geschäftsführer von M-MEDIA und Projektinitiator hofft damit auf mehr Aufmerksamkeit für die Thematik und Selbstinitiative der  Zivilbevölkerung, Diskriminierung in den Schulbüchern ihrer Kinder sichtbar zu machen.

Mehr zum Projekt "Migration(en) im Schulbuch""Migration diskursiv - Problematik und Sprachkritik in Schulbuch und Schule" (PDF)
Online-Kampagne von M-MEDIA (Facebook-Seite)