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Ein Hoch auf das Holzpferd

Von Momcilo Nikolic

Politik
Der Drachentanz gehört zu den Highlights der Neujahrsfeierlichkeiten.
© Corbis

Hausputz, neue Hausschuhe und heilende Bäder sollen Glück bringen.


Wien. Die Bräuche sind eindeutig: Türen und Fenster müssen geöffnet werden; der Hausputz getan, um Platz für das Glück zu schaffen; neue Hausschuhe zugelegt, um altes Gerede und Gerüchte vergessen zu machen, und ein Pampelmusenblätterbad für die ganzjährige Gesundheit. So wollen es die Neujahrsbräuche aus dem Reich der Mitte. Am 31. Jänner findet das chinesische Neujahrsfest statt. Vorbei ist das Jahr der Wasserschlange. Ab Freitag steht das Jahr im Zeichen des Holzpferdes.

Und Millionen Chinesen weltweit werden das feiern. Auch in Wien. Im Gegensatz zum heimischen Silvester orientiert sich das chinesische Neujahr nach dem Mondkalender und findet jedes Jahr an einem anderen Tag statt. "Das Neujahrsfest fällt üblicherweise zwischen die letzte Jänner- und die dritte Februarwoche. Es dauert dann auch zwei Wochen", erklärt Gerd Kaminski, Präsident der Ö.G.C.F. - Österreichische Gesellschaft für Chinaforschung. Es gibt beim Neujahrsfest lokale Unterschiede. Im ländlichen China gilt der Herdgott als einer der ältesten Schutzgötter. Dies lässt sich auf eine mythische Erzählung zurückführen. Einst hatte im alten China ein Mann seine treue Frau verstoßen. Ohne Familie sei er dann verarmt und blind geworden. Wie der Zufall es so wollte, kam der besagte Mann einige Jahre später zu einer Frau und erbettelte etwas zu essen. Die Freundlichkeit der Gastgeberin und die schmackhafte Nahrung stellten seine Sehkraft wieder her, und als er sah, dass die Fremde seine verstoßene Frau war, sprang er vor lauter Scham in den Herd und verbrannte. Die Trauer seiner Gattin war derart groß, dass sie ihm das erste Opfer darbrachte. Seitdem soll die Verbrennung des Herdgottbildnisses der Familie Glück und Schutz bringen.

"Durch das Verbrennen des Bildes, das in der Küche hängt, sorgt man dafür, dass der Herdgott in den Himmel kommt. Dort berichtet er dann dem höchsten taoistischen Gott von der Familie und gewährt ihr Schutz", erklärt Kaminski. Diese Tradition ist in Wien immer seltener zu finden. "Da viele Chinesen hier in der Gastronomie tätig sind, werden in den Restaurants eher Spruchbänder und Kalligrafien auf die Türen geklebt", weiß Kaminski.

Doch nicht alle Traditionen sind im Schwinden. Der Löwentanz (auch Drachentanz genannt) geht auf den Traum des damaligen Kaisers der Qing-Dynastie "Qianlong" zurück. Ein Fabelwesen, mit einem Horn auf der Stirn, war ihm erschienen und hatte ihn angesehen. Das Funkeln in den Augen war dem Kaiser wie eine Warnung vorgekommen und er hatte sich mit seinem Beraterstab über die Bedeutung dieses Traumes ausgetauscht. Man kam zur Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Tier um einen Löwen gehandelt haben muss, der dem Kaiser mitteilen wollte, dass er und der Herrscher Chinas gleichgestellt waren. Von da an wurde es üblich, dass verschiedenste Kampfkunstmeister das Ziel hatten, durch Tanz-Choreografien dem Löwen Leben einzuhauchen. Diese Tradition hat sich bis heute gehalten.

Heilsbringer: Reiskuchen

Das chinesische Neujahr wird als Familienfest zelebriert, bei dem es auch Geschenke gibt. "Die Chinesen in Wien haben sich angepasst. Die Kinder werden zweimal beschenkt, einmal zu Weihnachten und dann zu Neujahr. Während es am 24. Dezember Dinge sind, schenkt man üblicherweise zum Jahreswechsel Geld-Kuverts", sagt Kaminski.

Für die chinesische Sichtweise ist auch der Verlauf des ersten Tages im neuen Jahr wichtig, denn er bestimmt dem Glauben nach, was im restlichen Jahr geschehen wird. Aus diesem Grund werden gerne Familienspiele gespielt. "Es herrscht eine Spieltradition in chinesischen Familien. In Wien beschränkt sich das meist auf Mahjongg", erklärt Kaminski, verweist aber zugleich auch auf die Speisetradition, die es zu Neujahr gibt. "Viele essen gern chinesische Ravioli. Menschen aus dem südlichen Teil Chinas greifen dagegen eher zu Niangao (klebriger Reis). Das kann man als Krautfleckerl ohne Kraut bezeichnen", meint der China-Forscher.

Hier, wie auch in einigen weiteren Beispielen, spielt die Phonetik eine Rolle für den Glauben der Chinesen. Der Begriff "gao" hat laut ausgesprochen zwei Bedeutungen. Einerseits bezeichnet er den "Kuchen", andererseits das Adjektiv "hoch". Der Verzehr des Reiskuchens soll dementsprechend die Familie immer glücklicher werden und das Lebensniveau immer höher steigen lassen.

Rund 40.000 Chinesen leben in Wien. Kaminski widerspricht der Vorstellung einer "unsichtbaren" und geheimnisvollen Community, die kaum Deutsch spricht. "Das Bildungsideal in China ist ein sehr hohes. Wir haben zwar nach wie vor Einwanderergenerationen, die nicht besonders gut Deutsch sprechen, aber selbst wenn es sich um einen einfachen Bauern handelt, wird er dafür sorgen, dass seine Kinder eine gute Schulbildung erhalten. Die nächste Generation maturiert. Viele junge Chinesen studieren Wirtschaft, Fremdenverkehr, manche Jus. Sie haben keine Absicht, die China-Restaurants ihrer Familie weiterzuführen. Die Eltern arbeiten sieben Tage in der Woche, und das stellt unter den jungen Chinesen in Wien kein Ideal dar", sagt Kaminski.

Auch die chinesische Botschaft spielt unter den Jungen nicht so eine wichtige Rolle wie bei den Älteren. "Die Botschafter werden von den Eltern immer wieder eingeladen, man besucht regelmäßig Veranstaltungen und pflegt Kontakt. Die chinesischen Kinder gehen vielleicht einmal im Jahr zum Nationalfeiertagsempfang am 1. Oktober hin. Sie haben keine Präferenzen, was die Ehepartner betrifft, und haben auch viele österreichische Freunde. Anders ist es bei den Chinesen, die mit 17 oder 18 Jahren hergekommen sind, die bleiben eher innerhalb der Community", erklärt Kaminski.

Hygienischere Restaurants

Die chinesische Community in Österreich ist politisch gut vernetzt. Regelmäßige Treffen und Veranstaltungen mit hohen Politikern sind keine Seltenheit. Allerdings sind ihre Mitglieder in den Landtagen oder im Nationalrat nicht vertreten, pflegen aber zu den Bezirksvorstehern in Wien enge Kontakte.

"Sie werden auch erfreulicherweise nicht strafrechtlich auffällig. Weil die Restaurants auch heutzutage hygienischer sind als vor 20 Jahren, sind die Anzeigen von der Lebensmittelpolizei zurückgegangen. Der Hackblock in der Küche und das Klo sind jetzt sauber, das hat sich gebessert. Was es hier und da gibt, ist der Import von gefälschten Marken. Das passiert aber auch nicht sehr oft. Auch die wenigen Morde, die geschehen, sind aus Eifersucht entstanden. Solche tragischen Vorfälle sind in den letzten Jahren fast an einer Hand abzuzählen", sagt Kaminski.

Das Bestreben der Chinesen nach Integration nennt Kaminski groß und erzählt von den Kooperationen der Wiener Bezirke in China. "Die Donaustadt und auch Mariahilf haben in Shanghai Schwesternbezirke. Was viele auch nicht wissen, ist, dass es zum Beispiel in Hirschstetten einen China-Park mit Statuen gibt, die direkt aus China stammen. Der 9. Bezirk pflegt indes Kontakte zum Pekinger Zentralbezirk", führt Kaminski aus.

Um das chinesische Neujahr einzuläuten, präsentiert die Ö.G.C.F. gemeinsam mit dem Chinesischen Kulturverein zur Neujahrsfeier am 2. Februar im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins die "Pekingoper - Chinesisches Neujahrskonzert 2014". 20 der besten Operndarsteller des "Peking Opera Theatre Beijing" kommen nach Wien und werden dabei von Mei Baojiu, Sohn des weltberühmten Pekingopernmeisters Mei Lanfang, begleitet.

Dos and Don’ts für das chinesische Neujahr:

  • Neue Straßenschuhe bringen Unglück, da lautmalerisch das Wort für Schuhe (xiezi) ähnlich klingt wie das Wort für böse (xie).

  • Haareschneiden ist verboten, da das Wort für Haare dem Wort für Wohlstand ähnlich ist. Man würde beim Haarschneiden den Wohlstand wegschneiden.

  • Beim Hausputz muss man auf das Aufkehren verzichten, um das Glück nicht aus dem Hause zu fegen.

  • Über Tote zu reden ist ein Tabu und bringt Unheil.

  • Bücher während der Feiern zu kaufen, bringt Unglück, weil das Wort für Buch gleich klingt wie das Wort für Verlieren.

  • Schwarze und weiße Kleidung sind zu vermeiden. Schwarz ist die Farbe des Unglückes, Weiß jene für Beerdigungen.