Zum Hauptinhalt springen

Du sprechen Deutsch?

Von Lea Luna Holzinger

Politik

Anonymisierte Bewerbungen lösen nicht das Problem der Diskriminierung.


Wien. Zwei Menschen bewerben sich für denselben Job. Sie sind gleich alt und bringen dieselben Qualifikationen mit - doch einer der beiden hat Migrationshintergrund. Das merkt man am Namen, an der Hautfarbe, der Aussprache oder der Kopfbedeckung. Welcher der beiden Bewerber bekommt den Job? Die Wahl vieler Arbeitgeber fällt auf den Bewerber ohne Migrationshintergrund. Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice, bemerkt eine starke Diskriminierung von Bewerbern mit Migrationshintergrund.

"Wir sind bei dem Thema nicht gut unterwegs", gestand Kopf am Mittwoch bei einer Diskussionsrunde des Vereins Wirtschaft für Integration. Das Thema der Veranstaltung lautete: "BewerberInnen zweiter Klasse oder mit Vielfalt zum Erfolg?" Menschen mit Migrationshintergrund sind in Österreich offenbar tatsächlich Bewerber zweiter Klasse. Dies belegt eine Studie der Universität Wien, die während der Veranstaltung zitiert wurde: Demnach müssen sich Akademiker mit Migrationshintergrund durchschnittlich 17,5-mal bewerben, um überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Autochthone Akademiker müssen sich im Durchschnitt hingegen nur 9,5-mal bewerben.

Um die Diskriminierung von Bewerbern mit Migrationshintergrund zu verhindern, wurde vor eineinhalb Jahren in Österreich ein Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungen gestartet. Billa und Novomatic nahmen daran teil. "Ich hätte mir von dem Projekt mehr erwartet", sagt Johannes Zimmerl, Konzernpersonaldirektor der Rewe AG, im Nachhinein. Menschen, die sich für einen Job im Billa-Konzern bewarben, konnten sich aussuchen, ob sie ihre vollen Daten angeben wollten oder diese schwärzen ließen. Bei den anonymisierten Bewerbungen wurden das Alter, der Name, das Geschlecht und die Herkunft geschwärzt. Von den ungefähr 10.000 Bewerbungen, die in diesem Jahr an Billa gingen, waren laut Zimmerl aber lediglich 15 anonymisiert.

Kopf sieht das Problem des Pilotprojektes darin, dass es den Menschen freigestellt war, sich anonym zu bewerben: "Wenn ich ein junger Mann wäre und gut ausgebildet, dann wäre ich ja blöd, mich anonym zu bewerben." So würden nur jene die anonyme Variante wählen, die das Gefühl hätten, diskriminiert werden zu können. Und das stelle sie schon wieder ins Eck.

"Wir rufen die Polizei! Sie sind falsch bei uns"

Auch Unternehmensberaterin Beatrice Achaleke sieht in der Anonymisierung von Bewerbungen nicht die Lösung des Problems der Diskriminierung. Eine anonyme Bewerbung schütze nicht vor Benachteiligung beim Bewerbungsgespräch. Sie erzählt von einem jungen Mann, dessen Eltern aus Afrika stammen. Am Telefon wurde er von einem Unternehmen zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen - als er jedoch dort auftauchte, bekam er zu hören: "Wir rufen die Polizei! Sie sind hier falsch bei uns." Einem anderen Bewerber, dessen Eltern ebenfalls aus Afrika stammen, wurde gesagt: "Wir sind ein Familienbetrieb, was werden da unsere Kunden sagen? Wir können uns das nicht leisten."

Achaleke kann sich gut vorstellen, dass sich die Bewerber das Überraschungsmoment beim Vorstellungsgespräch ersparen wollten und sich deshalb nicht anonym bewarben. Sie findet es wichtig, die Menschen im Vorfeld darüber zu informieren, wozu eine anonyme Bewerbung gut ist, und warum man das macht. Sie kann nur spekulieren, warum sich die Jobsuchenden bei dem Pilotprojekt nicht anonym bewerben wollten. "Ich kann aber sehr gut nachvollziehen, dass die Menschen sagen: ‚Ich möchte mich nicht anonym bewerben, ich möchte zu dem stehen, wer ich bin.‘"

Ihrer Meinung nach müssten sich die Arbeitgeber die Frage stellen, was es für ihre Firma bedeutet, Menschen auszuschließen und zu diskriminieren, nur weil sie anders aussehen und ihre Eltern aus einem anderen Land kommen.

Ein Akzent gilt als Indiz für schlechte Bildung

Viele Firmen können es sich eigentlich nicht mehr leisten, Bewerber mit Migrationshintergrund zu diskriminieren. "Wir könnten unser Unternehmen nicht mehr aufrechterhalten ohne diese Mitarbeiter", meint Zimmerl. Es wäre unmöglich, die Filialen zu bestücken oder das Lager zu bedienen, erklärt er. Im Managementbereich sind Menschen mit Migrationshintergrund zwar vertreten, dennoch sieht er dort noch einen gewissen Nachholbedarf. "Das ist allerdings auch eine Frage der Ausbildung."

Menschen mit Migrationshintergrund sind also wichtig, damit Betriebe funktionieren. Dennoch sei das Angebot solcher Bewerber größer als die Nachfrage, meint Kopf. Neben offener Diskriminierung spiele unbewusste Diskriminierung bei der Auswahl eine Rolle. So werde beispielsweise ein Akzent mit niedriger Bildung assoziiert oder ein ausländischer Name mit schlechten Deutschkenntnissen. Er hält es für eine Aufgabe der Sozialpartnerschaften und der Regierung, auf die Vorteile von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund hinzuweisen. "Diese Menschen haben zum Beispiel ein anderes Kulturverständnis und beherrschen oft mehrere Sprachen."

Achaleke ist überzeugt, dass ein Unternehmen viel gewinnen kann, wenn es gelingt, diese Menschen an Bord zu holen und ihnen das Gefühl zu geben: "Ich bin hier wichtig, ich bin ein Teil von einem Puzzle, ohne den es nicht gelingen wird."