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Reformdschungel Kindergarten

Von Matthias Nagl

Politik

Bei Bedingungen in Kindergärten hat auch neue Regierung wenig mitzureden.


Linz. Wer wissen will, wie es um die Kindergärten in Österreich bestellt ist, muss sich durch einen kafkaesken Verwaltungsdschungel kämpfen. Denn für die Kindergärten sind die Bundesländer zuständig; das bedeutet, dass es neun verschiedene Kindergartengesetze und Dienstrechte gibt, und in den Landesregierungen neun politische Büros mit unterschiedlichen sonstigen Aufgaben zuständig sind. Der vielzitierte Föderalismus steht bei den Kindergärten in voller Blüte.

Die Konsequenz daraus ist, dass auch in neun verschiedenen Töpfen neun verschiedene Süppchen gekocht werden. Einen augenscheinlichen Grund, warum eine Fünfjährige im Burgenland eine andere Betreuung erhält als eine Fünfjährige in der Steiermark, gibt es nicht. Dass es aber so ist, zeigen die Zahlen.

So hatten laut Statistik Austria etwa im Jahr 2012 rund 99 Prozent der drei- bis fünfjährigen Kinder im Burgenland einen Betreuungsplatz, in der Steiermark gab es dagegen nur für 84,3 Prozent der Kinder einen Betreuungsplatz.

Noch willkürlicher wird es, wenn man sich ansieht, wie viel die Länder für Kinderbetreuung ausgeben. Während diese in Tirol im Jahr 2011 pro Einwohner 143 Euro kostete, gab Niederösterreich mit 266 Euro pro Einwohner fast das Doppelte aus. In Wien waren es gar 321 Euro pro Einwohner, wobei hier der Sonderstatus als einzige Millionenstadt des Landes ins Gewicht fällt.

Hohe Drop-out-Raten

bei Pädagoginnen

Das Interesse, einen bundesweiten Überblick zu bekommen, war bisher weder beim zuständigen Familienministerium noch bei den Ländern besonders groß. Einzig der Dachverband der Kindergarten- und Hortpädagoginnen (ÖDKH) bemüht sich um eine österreichweite Perspektive. Der ÖDKH hat dabei naturgemäß in erster Linie die Interessen der Pädagogen im Auge.

Die ÖDKH-Vorsitzende Raphaela Keller diagnostiziert einen "eklatanten Pädagoginnenmangel". Und sie liefert auch gleich einen Grund für diesen Mangel: die schlechte Bezahlung. "Das Gehalt ist ein ganz großes Thema, es müsste radikal erhöht werden", sagt sie. Auch bei der Bezahlung gibt es den Kindergarten-Fleckerlteppich: Es gibt aufgrund von Gemeinde-, Land- und privat betriebenen Kindergärten 20 unterschiedliche Gehaltsstrukturen.

Der Mangel, der sich auch in hohen Drop-out-Raten von ausgebildeten Pädagoginnen zeigt, wird auch von offizieller Seite bestätigt. "In den letzten Jahren haben sich lediglich ein Drittel der fertig ausgebildeten Elementarpädagoginnen für einen Arbeitseinstieg entschieden", erklärt Doris Hummer, zuständige Landesrätin in Oberösterreich.

Sie erhofft sich Abhilfe durch ein neues, einheitliches Dienstrecht, das der oberösterreichische Landtag im März verabschieden wird und das rückwirkend mit Jahresbeginn in Kraft treten soll. Ein höheres Einstiegsgehalt, weniger Zulagen und mehr Urlaub sind die Eckpunkte des neuen Dienstrechts.

Hummer sieht "einen wichtigen Schritt für die Qualitätssicherung der Kinderbetreuung in Oberösterreich". Die Pädagogenvertreter sind weniger euphorisch. "Es ist besser als das, was wir hatten. Aber es ist halbherzig und keine Innovation", sagt Gottfried Zeiner, Vorsitzender der oberösterreichischen Berufsgruppe. "Es wurde geschaut, dass man junges Personal in den Beruf lotsen kann", erklärt Zeiner.

Er stößt sich daran, dass das Wort Bildung ausgespart wurde und stattdessen von Betreuung die Rede ist. Schließlich passiere auch im Kindergarten schon Bildungsarbeit, sagt auch Keller. Das ist in Oberösterreich aber am Gemeindebund gescheitert. Dieser habe befürchtet, dass es mit dem Wort Bildung zu Kompetenzstreitigkeiten komme, so Zeiner.

Die Gemeinden fürchten höhere Kosten

Damit spricht er eine der zentralen Konfliktlinien im Kindergartenbereich an - österreichweit. Denn in der Regel sind es die Gemeinden, die die Kindergärten betreiben und also die Gehälter zahlen. Aufgrund oftmals leerer Kassen haben sie aber kein Interesse an höheren Gehältern und besseren Arbeitsbedingungen. In Oberösterreich sollen sich die anfänglichen Mehrkosten durch das neue Dienstrecht im Lauf der Zeit relativieren.

Dort ist die Reform praktisch beschlossene Sache. In anderen Ländern stehen die Gespräche erst an - wenn überhaupt. Niederösterreich war Vorreiter und flachte die Gehaltskurve schon vor einigen Jahren ab. Auch Tirol hat 2010 ein neues Dienstrecht und Kinderbetreuungsgesetz verabschiedet. In Niederösterreich gibt es nun österreichweit die höchsten Einstiegsgehälter für Kindergartenpädagoginnen. Sie lagen 2009 nach der Reform um fast 500 Euro höher als im Nachbarland Burgenland.

Dort hat es seither nur kosmetische Änderungen am Dienstrecht gegeben, die Gehaltsstruktur ist unverändert und wird das bis auf Weiteres auch bleiben. Anders ist das in Salzburg und Vorarlberg, dort sind Gespräche geplant. In Salzburg startet der Diskussionsprozess im Herbst, in Vorarlberg sind Entscheidungen vor der Landtagswahl im September nicht zu erwarten. Änderungen wird es in beiden Ländern also frühestens im Lauf des kommenden Jahres geben.

Bis 2016 ist einheitlicher Qualitätsrahmen geplant

Auch im Programm der neuen Bundesregierung sind die Kindergärten Thema. Bis 2016 soll es einen einheitlichen Qualitätsrahmen für elementarpädagogische Einrichtungen geben. Der erst kürzlich vom ÖDKH wieder erhobenen Forderung, die Kindergärten in Bundeskompetenz zu überführen, wird vom Familienministerium eine Absage erteilt.

Die Entscheidungsträger sollen möglichst nahe an den Bürgern sein, heißt es aus dem Ministerium. Die Länder wollen diese Kompetenz aber ohnehin nicht abgeben. Die Bundesregierung setzt vor allem auf den quantitativen Ausbau des Kinderbetreuungsangebots. Bis 2017 stehen dafür 350 Millionen Euro bereit, nachdem die für 2013 vorgesehenen 400 Millionen von den Ländern nicht abgerufen wurden. Ob für diesen Ausbau ausreichend qualifiziertes Personal gefunden wird, steht auf einem anderen Blatt.