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Die Hoffnungsträger des Ministers

Von Katharina Schmidt

Politik

Vrabl-Sanda zu Whistleblower-Site: Angst vor Vernaderung war unbegründet.


Wien. Der neue Justizminister Wolfgang Brandstetter hat Großes mit ihr vor. Wie berichtet, will er die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aufwerten und möglichst alle großen Wirtschaftsfälle dort bündeln, um die Verfahren zu beschleunigen. Aber was sagt eigentlich die Leiterin der WKStA dazu? Die "Wiener Zeitung" hat Ilse-Maria Vrabl-Sanda zum Interview gebeten.

"Wiener Zeitung": Der neue Justizminister Wolfgang Brandstetter will die WKStA aufwerten. Fühlen Sie sich dadurch geehrt oder stresst Sie das?Ilse-Maria Vrabl-Sanda: Von Stress kann überhaupt keine Rede sein. Es ist natürlich höchst erfreulich, wenn zugesichert wird, dass die WKStA gestärkt wird.

Die WKStA ist eine der wenigen Behörden, wo es zahlreiche unbesetzte Planstellen gibt. 2014 haben Sie 35 Planstellen, davon sind nur 22,5 besetzt. Wie kann der Job attraktiver gemacht werden - reicht dazu die Mehrbezahlung, die Brandstetter überlegt, aus?

Es muss mehr geprüfte Richteramtsanwärter geben, die sich für eine Tätigkeit als Staatsanwälte interessieren. Das betrifft vor allem den Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien, aus dem wir in erster Linie rekrutieren. Da wir aber im gesamten Sprengel seit Jahren viel zu wenig Personal haben, wirkt sich das natürlich auch auf die WKStA aus.

Aber ist das Problem nicht auch, dass der Job bei der WKStA prinzipiell extrem unattraktiv ist, weil er arbeitsaufwendig und mit hohem öffentlichen Druck verbunden ist?

Wichtig ist die Aufwertung der Planstellen. Es ist notwendig, dass alle unsere Planstellen eine bessere Besoldung haben - sogenannte Oberstaatsanwaltschaftsplanstellen (1000 Euro brutto im Monat mehr als normale Staatsanwälte, Anm.). Denn eine gewisse Attraktivität ist erforderlich, um diese schwere und anstrengende Arbeit auf sich zu nehmen.

Sie wollen, dass Personal von anderen Staatsanwaltschaften ausgeliehen wird. Wie soll das ablaufen?

Anhand der Auswertungen, wie viele Verfahren wir von welchen örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften übernehmen, ist nachweisbar, dass durch die Arbeit der WKStA die Staatsanwaltschaften in den anderen Sprengeln deutlich entlastet werden. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Konsolidierung bei den Nachwuchsproblemen im Sprengel Wien erreicht wird, sollte es Zuteilungen von den Staatsanwaltschaften in anderen Bundesländern zur WKStA geben.

Werden die Leute zwangsbeglückt?

Nein, von Zwang kann man hier nicht reden. Ich gehe vielmehr davon aus, dass nicht nur die fachlichen Kapazitäten in den Ländern vorhanden sind, sondern auch entsprechendes Interesse. Unter Umständen kann man hier auch bessere Anreize schaffen.

Der Minister will alle großen Wirtschaftsstrafverfahren bei Ihnen bündeln und sie dadurch beschleunigen. Wird das funktionieren?

Grundsätzlich ist das möglich, auch jetzt schon. Wir haben einen fixen Zuständigkeitskatalog für die großen Verfahren. Aber wenn die Wertgrenzen, die dort bestimmt sind, nicht erreicht werden, können wir trotzdem große Verfahren an uns ziehen. Das tun wir, aber nur einem begrenzten Ausmaß. Wir können nicht mehr Verfahren an uns ziehen, als die WKStA mit ihrem derzeitigen Personalstand bewältigen könnte.

Welche Wirtschaftsverfahren aus den vergangenen Jahren hätten Sie bei sich gesehen?

Das entscheidende Kriterium dafür, dass wir ein Verfahren an uns ziehen, ist, dass diese bei der WKStA effizienter geführt werden können. Das trifft für einen Teil der Verfahren in ganz Österreich zu - unter der Voraussetzung, dass der Personalstand stimmt.

Die Whistleblower-Website der WKStA wird rege genutzt, viele Fälle erweisen sich aber auch von vornherein als aussichtslos. Inwiefern werden Ihre Personalressourcen dadurch blockiert?

Drei Staatsanwälte arbeiten mit einem Teil ihrer Arbeitskraft an der Bearbeitung der Hinweise. Wir tun das aber auch gerne, weil wir überzeugt sind, dass dieses System für die Strafverfolgung in Österreich sehr hilfreich ist.

Bei Einführung der Website war die Angst vor Vernaderung groß. Hat sich das bestätigt?

Die WKStA hatte diese Angst von Haus aus nicht und hat sie auch jetzt nicht. Auch die Zahlen zeigen, dass diese Sorge nicht begründet war. Nur ein geringer Anteil der Hinweise ist substratlos.

Die Berichtspflicht der WKStA ist gegenüber anderen Staatsanwaltschaften eingeschränkt, Sie müssen erst nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens unter bestimmten Kriterien dem Ministerium Bericht erstatten. Könnte man diese Lösung auf andere übertragen?

Die WKStA hat eine gewisse Vorreiterrolle. Wenn sich Regeln, die bei der WKStA anders sind, als sie üblicherweise waren, bewähren, dann sollte man das auch umsetzen. Das betrifft die technische Ausstattung genauso wie die eingeschränkte Berichtspflicht.

Ein großer Unterschied zu anderen Staatsanwaltschaften ist auch, dass Sie in der Behörde selbst über viel Fachwissen verfügen und daher seltener im Ermittlungsverfahren externe Sachverständige beauftragen müssen. Könnte das ein Modell für alle Behörden sein, um die Problematik der Befangenheit von Sachverständigen, die im Ermittlungs- und im Hauptverfahren tätig werden, einzudämmen?Die Experten werden ein Sachverständigen-Gutachten in bestimmten Verfahren nicht ersetzen können. Sie sind hilfreich und ihre Arbeit bringt eine wesentliche Kosten- und Zeitersparnis mit sich. Aber es auf ganz Österreich auszudehnen, ist unnötig, da es nicht in jeder Staatsanwaltschaft eine gleichmäßige Verteilung von Großverfahren gibt. Das System ist gut so, wie es ist.

Brandstetter will das Weisungsrecht neu organisieren. Am Montag nimmt eine Arbeitsgruppe ihre Arbeit auf. Was wäre der beste Weg?

Es ist höchst erfreulich, dass sich eine Expertenkommission zusammensetzt. Sie werden von mir hier aber keinen Schnellschuss hören. Es ist eine wichtige Frage, die die Staatsanwaltschaft und die Gerichtsbarkeit bewegt, daher braucht es eine gewisse Reifezeit. Die Lösung muss aber besser sein als das jetzige System und nicht nur anders.

Ihr Amtsvorgänger Walter Geyer berät die Initiative Transparenzgesetz.at, die sich für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses starkmacht. Was halten Sie von einem Informationsfreiheitsgesetz?

Es ist keine Frage, dass das in unseren Strafverfahren anders zu sehen ist als sonst in der Verwaltung. Das Amtsgeheimnis, so wie es bei uns gilt, hat seine Berechtigung im Schutz der Parteien. Es ist notwendig, diese zu schützen, solange es sich nicht um öffentliche Personen handelt, wo klar ist, dass es ein Verfahren gibt, weil es schon in den Medien war.

Zur Person

Die WKStA

Ilse-Maria Vrabl-Sanda

Die 50-jährige Juristin folgte Ende 2012 Walter Geyer als Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nach. Davor war Vrabl-Sanda von 1997 bis 2005 als Richterin am Wiener Straflandesgericht tätig, wo sie unter anderem auf Medienrechtsfälle spezialisiert war. 2005 wechselte sie in die Oberstaatsanwaltschaft, die die Mutter dreier Kinder zuletzt stellvertretend leitete.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde 2011 eingerichtet. Sie behandelt große Wirtschaftsstrafverfahren, bei denen es um fünf Millionen Euro übersteigende Summen geht, automatisch und kann andere an sich ziehen. Derzeit arbeiten dort 22,5 Staatsanwälte und neun Experten. 2013 wurden mehr als 150 Ermittlungsverfahren geführt. Neu seit März 2013 ist die Whistleblower-Website, die neben anonymen Hinweisen etwa zu vermuteter Korruption und Geldwäsche auch Rückfragen beim Hinweisgeber erlaubt, ohne dass dieser seine Anonymität aufgeben muss. Bis 13. Februar gingen 1253 Hinweise ein, davon waren sechs Prozent ohne Substanz, jeweils etwas weniger als ein Drittel war ohne Anfangsverdacht, wurde an andere Staatsanwaltschaften oder die Finanz weitergeleitet. 2013 gab es drei Verurteilungen auf dieser Basis. Die Buwog-Ermittlungen will die WKStA heuer beenden.