Zum Hauptinhalt springen

Queerulantin

Von Iga Mazak

Politik
Lesben-Heldin Denice Bourbon, die gelangweilte Hetero-Frauen aus ihrem unsichtbaren Gefängnis befreit.
© Steffi Dittrich

Vom finnischen Arbeiterkind in Schweden zur queeren Diva in Wien.


Wien. "Goddamn fucking shit. I suck at reading and I am fucking nervous" , raunzt Denice Bourbon ins Mikrofon, während sie sich an ihrem Bier festhält. Nicht unbedingt die feine Art, eine Lesung zu eröffnen, aber definitiv ein "echter Bourbon".

Die kleine feministische Buchhandlung "Chick-Lit" in der Kleeblattgasse im ersten Bezirk ist bis zum Bersten gefüllt. Immer wieder quetschen sich weitere Männer und Frauen in den knapp 20 Quadratmeter großen Raum. Auf dem Programm steht heute "Cheers! Stories of a Fabulous Queer Femme in Action!" - die Memoiren der Diva Denice Bourbon, eine Fixgröße in Wiens queerer Szene.

Die üppige Blondine gehört zu jenen Menschen, nach denen man sich sofort den Hals verrenkt, sobald sie einen Raum betreten. Mit ihren platinblonden Haaren und dem ausladenden Kunstfellkragen auf ihrem Mantel fällt die 37-Jährige auf. Aber genau das kennt sie und kann sie am besten. In Interviews fällt schon einmal der Satz, dass sie eigentlich immer den Plan hatte, als Erwachsene so berühmt wie Madonna zu sein. Auffallen um jeden Preis, so das Konzept. Kein Wunder also, wenn sie mit knapp 37 Jahren ihre Memoiren veröffentlicht.

Im Grunde lebte Denice Bourbon, die mit bürgerlichen Namen Denise Fredrikson heißt, schon immer "außen vor", wie sie in ihrem Debüt "Cheers!" schildert. Als Kind finnischer Arbeiter in Schweden, über die feministische Punkmusikerin bis zur Frontsängerin der Elektropunkband "Me and Jane Doe" hat sie ihre Lebensreise durch so manche schummrige Bar, politische Grenzerfahrung und musikalisches Statement geführt. Bis sie 2002 nach Wien kam und als Performerin des "Club Burlesque Brutal" die queere Szene aufmischte. Auf 366 Seiten reminisziert Bourbon nun in ihrer Biografie mithilfe von vielen kleinen Fußnoten, Gänsefüßchen und Querverweisen ihren Werdegang als Musikerin, Autorin und Performance-Künstlerin und kultiviert so ihre Bourbon-Art. Diese besteht aus dem gewissen Denice-Slang, der nicht nur kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern eigene Unsicherheiten und Lippenbekenntnisse aufs Korn nimmt. "Wir leben in einer Zeit, in der sich die Medien und die Öffentlichkeit auf Kosten anderer amüsieren. Für so was bin ich einfach viel zu empathisch", sagt Bourbon und lacht.

So erzählt Bourbon in ihren Memoiren nicht nur von ihren Erfahrungen als Lesben-Heldin, die gelangweilte Hetero-Frauen aus ihrem unsichtbaren Gefängnis befreit, sondern auch ihre Phase als promiskuitive WG-Genossin, die sich in einer "heißen Phase" mal eben ungefragt in die Betten ihrer Mitbewohner legt. Es gibt mit Sicherheit genug Momente in Bourbons Vita, für die man sich ein bisschen "fremdschämen" möchte. Fremdschämen ist Bourbons österreichisches Lieblingswort - aber das nur am Rande.

Wien ist wunderbar queer und revolutionär

Zwischen diesen Momenten stecken jedoch viele politische Statements. Wenn Bourbon mit ihrer großen Liebe die Werbetafeln von H&M-Plakaten zertrümmert ("Alles Sexismus!") oder als feministische DJane der aufstrebenden Wiener Queer-Szene aus den Kinderschuhen hilft.

Als queere Diva, die sich gern als bunte Frau und Rockröhre inszeniert, sind Identitätsverwirrungen vorprogrammiert. Die Selbstfindung als lesbische Femme wird zu einer politischen Positionssuche, die Bourbon in eine Auswahl an Kolumnen für das feministische Monatsblatt "an.schläge" bettet. Auf Englisch. Denn als kulturelle Nomadin fühlt sich Bourbon mittlerweile weder in Schwedisch noch in Deutsch zu Hause. "Ganz abgesehen davon, dass man auf Deutsch einfach keine Pointen erzählen kann", erklärt die Diva augenzwinkernd.

Nach Stockholm, Malmö, Berlin und Barcelona, hat es Bourbon 2002 nämlich nach Wien verschlagen. Entgegen allen Unkenrufe eine Stadt, die für Bourbon "wunderbar queer und revolutionär ist". Nicht zuletzt, weil die von Bourbon beobachtete und mit-aufgebaute queere Szene klein und überschaubar ist. Im Gegensatz zu anderen europäischen Metropolen hat sich in Wien das Lesbian-, Gay-, Bi- und Transgender-Milieu (LGBT) erst sehr spät etabliert und den Beteiligten noch gar keine Zeit zum Fragmentieren und Aufsplittern gelassen. Ein Phänomen, das in anderen Städten nur zu gern Kritik erntet.

Die Perspektive eines gereiften Punks

Und so ist es schließlich Bourbons Perspektive, die den Unterschied zwischen dem bunten Leben einer (mittlerweile) Burlesque-Diva und den rauchig-verblassten Anekdoten eines gereiften Punks ausmacht. Es ist die Perspektive von schräg links unten - dort, wo man trotz aller Ungerechtigkeiten lacht und trotz aller finanziell-existenziellen Bedrohungen sich selber treu bleibt. Der Geschmack den Bourbons Erstlingswerk hinterlässt hat von allem ein bisschen etwas. Ein bisschen von Metro-Waldmeister, ein bisschen luxuriöser Champagner und ein bisschen schwerer, edler Bourbon-Whiskey- aber stets glitzernd wie Brause. Cheers!