Wenn Sie sagen: "Wir haben zu wenig Wissen", worum geht es da?

Wir wissen nicht, wie wir jemandem, der ständiges Erbrechen hat, Erleichterung verschaffen können. Wir wissen zu wenig darüber, was wir gegen die Müdigkeit bei Chemotherapien tun können. Wir wissen nicht, welche pflegerischen Unterstützungskonzepte es braucht, um Frühgeborene mit ihren Eltern gesund groß werden zu lassen. Wir wissen zu wenig darüber, wie wir Bewegungsfähigkeit im Alter aufrechterhalten können. Wir wissen weltweit nichts über Kontraktoren - also die Verrenkungen der Gliedmaßen, und und und. Wir brauchen uns über fehlende Themen keine Gedanken zu machen.

Dennoch, führt höhere Qualifikation nicht automatisch zu höheren Kosten?

Was wir bekommen werden, ist eine gestufte Ausbildung. Weniger Ausgebildete werden weniger, besser Ausgebildete mehr verdienen. Wir müssen auch nicht alle so teuer qualifizieren. Aber wir brauchen ein paar Leute, die neue Versorgungskonzepte entwickeln können. Darauf ist die allgemeine Ausbildung nicht ausgerichtet.

Was muss Pflege künftig leisten?

Sie muss sich mehr auf chronisch kranke Patienten einstellen, sie muss sich mehr auf Beratung pflegender Angehöriger einstellen, damit frühzeitig Symptome erkannt werden. Pflege im Netzwerk - interprofessionell - wird immer wichtiger. Heute werden die Menschen frühzeitig aus dem Krankenhaus entlassen. Da braucht es Zusammenarbeit mit niedergelassenen Pflegediensten, Heilpraktikern und Ärzten.

Wissen

Zur Person

Christel

Bienstein

Christel Bienstein (63) leitet seit 1994 das Department für Pflegewissenschaft der Privaten Universität Witten/Herdecke (Deutschland) und ist Präsidentin des DBfK (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe). Zahlreiche Veröffentlichungen und Mitarbeit in verschiedenen wissenschaftlichen und politischen Gremien. Forschungsschwerpunkte: Pflegeentwicklung, Professionalisierung, Qualitätssicherung.

Weder in Deutschland noch in Österreich werden Gesundheit und Pflege als Gesamtheit begriffen und behandelt. In Österreich sind die beiden Bereiche sogar in unterschiedlichen Ministerien (Sozial- und Gesundheitsministerium), in Deutschland im Gesundheitsministerium in verschiedenen Abteilungen angesiedelt. Wenn Christel Bienstein von Pflegeberufen spricht, beinhaltet das auch Krankenschwestern in den Spitälern. In Österreich wird unterschieden zwischen medizinischen Fachkräften und Pflegeberufen. Während es in Deutschland eine Pflegeversicherung gibt, gibt es in Österreich beinahe eine rein öffentliche Finanzierung des Pflegebereichs: Pflegegeld und Zuschüsse der Länder zu Pflegeheimen - sollte noch Vermögen vorhanden sein, wird dieses von den Heimen herangezogen.

In der Pflege sind derzeit in Österreich mehr als 49.000 unselbständig Beschäftigte tätig, bis 2020 werden 17.000 Pflegekräfte mehr nötig sein.