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Die SPÖ-Westkraxe

Von Clemens Neuhold

Politik

Die SPÖ fürchtet sich nicht vor ihrer Westachse - sie muss um sie fürchten.


Wien. Anruf in der Parteizentrale der SPÖ-Vorarlberg, 12 Uhr Mittag. Niemand hebt ab. Kein Tonband. Funkstille. Anruf direkt auf der Klappe des Parteichefs. "Michael Ritsch?" Der Parteichef hebt persönlich ab.

Wechsel nach Tirol. "Was, es gibt eine Tiroler SPÖ?", witzelt einer auf Twitter. Anlass ist die Meldung, wonach Gerhard Reheis nach 1,5 Jahren seiner Demontage zuvorkommt und den Sessel vermutlich für den Bürgermeister von Roppen, Ingo Mayr, räumt.

In Salzburg versucht der neue Parteichef Walter Steidl noch immer nach dem Absturz von Landeshauptfrau Burgstaller, die SPÖ aus der Schockstarre zu holen.

Drei Parteien an ihrem historischen Tiefpunkt angelangt. Die SPÖ bekam in Vorarlberg zuletzt 10,7 Prozent, in Tirol 13,7 Prozent, in Salzburg 23 Prozent - eine Halbierung in zehn Jahren. Anders als in der ÖVP müssen sich die SPÖ-Parteigranden in Wien nicht mit einer renitenten Westachse herumärgern. Sie müssen eher um ihren Westen fürchten. Denn die Negativspirale dreht sich weiter.

Grund 1: Das Geld

Alle drei Parteien sind in Opposition und damit von lukrativen Jobs im Landtag und der Landesregierung abgeschnitten. "Wenn Parteien schrumpfen, kommt es zu Verteilungskämpfen", sagt

Politologe Ferdinand Karlhofer von der Uni Innsbruck. Zerreißproben inklusive. Ritsch drückt es so aus: "Im Vorzimmer von Burgstaller arbeiteten mehr Menschen als in unserer gesamten Landesorganisation." Mit Burgstaller endete das Kapitel. Ihr Nachfolger als Parteichef, Steidl, war auf das nicht üppige Parteigehalt angewiesen und ließ es sich unter Proest erhöhen. Das führt zum nächsten Problem, dem personellen.

Grund 2: Das Personal

Wenn Sozialdemokraten im Westen stark sind, dann nicht wegen des Profils der Partei, sondern wegen des eigenen. Doch das haben sie meistens als Bürgermeister einer Stadt geschärft, so wie die beliebte Elisabeth Blanik in Lienz. Warum diese, mit mehr Prestige, Geld, Einfluss ausgestatteten Posten aufgeben, um Kapitän eines lecken Schiffes zu werden?

Es waren gerade die roten Bürgermeister (nicht Blanik), die Reheis abmontierten. So warf ihm der Bürgermeister von Kaltenbach, Klaus Gasteiger, vor, die Reform der Partei "ein ganzes Jahr verschissen" zu haben.

Grund 3: Die Partei

Der Vorarlberger Ritsch muss Ende September verhindern, dass die SPÖ erstmals in der Geschichte einstellig wird. 2009 stürzte Ritsch, der erst zwei zwei Jahre zuvor ins Parteichef-Karussell eingestiegen war, auf 10,7 Prozent ab. Derzeit sieht er sich auf 14 Prozent. "Damals gab es keinen Rückenwind durch die Nationalratswahl 2008", sagt Ritsch. Die SPÖ verlor dort sechs Prozentpunkte. Nur: Diesen Rückenwind wird es diesmal erst recht nicht geben. Denn die nach der Wahl gebildete Koalition aus SPÖ und ÖVP ist im Umfragetief.

Ritsch selbst hat gegen das Koalitionsabkommen seiner Partei mit der ÖVP gestimmt, weil ihm wesentliche Punkte wie Vermögenssteuer und Gesamtschule darin fehlten. Außerdem fordert er gegen die Parteilinie einen Untersuchungs-Ausschuss in der Causa Hypo Alpe Adria.

So wie Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) weiß auch Ritsch, dass es im "Ländle" eher Stimmen bringt, gegen Wien aufzutreten. Zum fehlenden Rückenwind kommt Gegenwind durch die Neos, deren Ursprungsland Vorarlberg ist und die deswegen eine Attraktion sind. Das könnte sogar der SPÖ Stimmen kosten. Ritsch sollte auch auf Türkisch werben, denn eine höhere Wahlbeteiligung in der Community könnte ihn retten. Die ist noch in der alten Industrie verankert und wählt traditionell rot, wohingegen die mehrheitlichen Facharbeiter ins bürgerliche Lager tendieren. Ein weiterer Grund für die rostige SPÖ-Westachse. Das klassische Fundament bröckelt und für ein neues fehlen die Architekten. In Tirol erreichte die rote Fraktion bei der Arbeiterkammerwahl nur noch 18 Prozent - was die Genossen zusätzlich gegen Reheis aufgebracht hat.