Zum Hauptinhalt springen

Arzt ohne Numerus clausus

Von Brigitte Pechar

Politik
5200 bis 5500 Unterrichtsstunden müssen die Medizinstudenten in der fünfjährigen Ausbildung an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität absolvieren, ehe sie den "Dr. med. univ." erhalten.
© PMU

Aufregung in Deutschland um privaten Medizinstudium-Anbieter aus Österreich.


Wien. Eine österreichische Privatuniversität bietet ab August in Deutschland ein Medizinstudium an. Diese Tatsache, zumal die Studienplatzzahl auf 50 Studienbeginner pro Jahr beschränkt ist, wäre noch keine große Sache. In Deutschland herrscht aber mediale Empörung. Der Grund dafür: Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU) bietet das Studium nach österreichischem Recht an. Das bedeutet, dass die Studierenden keinen Numerus clausus (Abitur mit bestimmtem Notendurchschnitt) vorlegen müssen und daher die deutschen Uni-Zugangsvoraussetzungen ausgehebelt werden.

Das österreichische Wissenschaftsministerium hat den PMU-Studiengang in Nürnberg im Februar genehmigt. "Die PMU und deren Studiengänge haben bereits im Jahr 2002 ihre Akkreditierung erhalten. Die aktuelle Prüfung der AQ Austria hat nur den Standort Nürnberg für den Studiengang Humanmedizin betroffen. Grundlage der Entscheidung über die Akkreditierung dieses Studiengangs waren das österreichische Recht sowie die entsprechenden EU-Regelungen", hieß es aus dem Büro von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner am Mittwoch.

"Dr. med. uni." nach österreichischem Recht

Möglich macht das das EU-Recht. Zwar besage die Niederlassungsverordnung, dass Unternehmen im EU-Ausland den jeweiligen Gesetzen unterliegen, erklärt der Europarechtler Walter Obwexer der "Wiener Zeitung". Bietet die Privatuniversität aber nur Vorlesungen und Praktika im Ausland – in diesem Fall in Nürnberg – an und verleihe den Titel in Österreich, dann sei nach österreichischem Studienrecht vorzugehen. "Nach fünf Jahren schließen die Studenten das Medizinstudium mit dem österreichischen Dr. med. univ." ab, bestätigt Gottfried Stienen, Sprecher der PMU. Und genau damit kann die PMU in Deutschland ein Medizinstudium ohne Numerus clausus anbieten.

In Deutschland ist die Aufregung groß. Es wird ein Qualitätsverlust befürchtet, weil das Klinikum Nürnberg eben keine Universitätsklinik sei. Die PMU kontert: Es gebe zahlreiche habilitierte Professoren am Klinikum Nürnberg. Die PMU sei auch nicht von sich aus in Deutschland tätig geworden. "Wir drängen nicht auf den deutschen Markt. Das ist kein Geschäftsmodell", sagt Stienen. Vielmehr sei das städtische Klinikum Nürnberg vor drei Jahren an die PMU mit diesem Wunsch herangetreten.

"Das tun wir jetzt. Ab August bieten wir wie in Österreich auch 50 Medizin-Studienplätze an", sagt Stienen. Zwar können die Studenten den Numerus clausus umgehen, ein dreistufiges Aufnahmeverfahren gebe es aber auch an der PMU, wie Stienen erläuterte: Zuerst müsse eine Bewerbung mit dem Maturazeugnis und einem Motivationsschreiben eingereicht werden, dann folgt ein schriftlicher Test, bei dem Teamfähigkeit, Sozialkompetenz, Englisch, aber auch Wissen und Intelligenz abgefragt würden. Im letzten Schritt werden etwa 150 Bewerber zu einem je einstündigen Hearing vor einem Dreier-Gremium (Primararzt, Psychologe, zweiter Arzt oder Führungskraft der PMU) geladen. Die besten 50 würden dann genommen.

67.000 Euro für fünf Jahre Studium

Alleine diese Zahl zeigt schon, dass weder den deutschen noch den österreichischen Medizin-Universitäten durch die PMU große Konkurrenz erwächst. In Deutschland beginnen jährlich rund 10.000 Bewerber mit dem Studium der Medizin. Rund 2000 weitere Deutsche studieren in Österreich Medizin. Außerdem kostet ein Semester an der PMU 13.500 Euro, für das fünfjährige Studium müssen also 67.500 Euro hingelegt werden. Wer das nicht zahlen kann, kann auch sein künftiges Einkommen belehnen.

Aber die PMU, deren Gesamtkosten zu einem wesentlichen Teil vom Land Salzburg, der Stadt Salzburg und den Salzburger Gemeinden getragen werden, bietet auch ein Stipendiensystem für "förderungswürdige Studierende" an. Das allerdings wird von Sponsoren getragen. Während an öffentlichen Universitäten 19 bis 20 Prozent der Studierenden Stipendien erhielten, seien es an der PMU 22 bis 25 Prozent, sagt Stienen. Und er verweist darauf, dass die Absolventen an exzellenten Universitäten in der ganzen Welt tätig seien – von Harvard in den USA bis Berlin und Zürich.

Lehrkrankenhäuser ersetzen keine Uni-Klinik

Aber die Kritik verstummt nicht. Der Medizinische Fakultätentag warnt vor einem "wissenschaftlichen Discounter". Und dessen Generalsekretär, Volker Hildebrandt, deutet im "Spiegel" an, dass es bei der Akkreditierung der PMU "mutmaßliche Unregelmäßigkeiten" gegeben habe. Das wiederum weist Achim Hopbach, Geschäftsführer der AQ Austria (Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung), im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" energisch zurück. Die AQ Austria prüfe bei privaten Universitäten die Qualität. Dieses Verfahren laufe nach international üblichen Standards ab. Für die Zulassung der PMU seien Gutachten internationaler Mediziner eingeholt worden.
Aber auch von heimischen Universitäten kommt verhalten der Hinweis darauf, dass die praktische Ausbildung eben nicht an Universitätskliniken, sondern an Lehrkrankenhäusern durchgeführt werde. Eine solche Entakademisierung der Medizin sei nicht zu begrüßen, heißt es etwa seitens der Medizin Universität Wien.

Medizinstudenten in Österreich 
Etwa 12 Prozent oder rund 6000 der Studienanfänger an Österreichs Universitäten kommen aus Deutschland. Von den rund 360.000 Studierenden in Österreich kommen rund 31.000 aus Deutschland. Wobei die Verteilung pro Studium und Bundesland sehr unterschiedlich ist. In Salzburg liegt der Anteil der deutschen Studierenden bei Ingenieurwissenschaften und Psychologie bei 60 Prozent. In Innsbruck sind 45 Prozent der Psychologiestudenten aus Deutschland.

Etwa 2000 deutsche Studenten studieren Medizin. Um den Zustrom zum Medizinstudium einzudämmen, führte Österreich 2006 eine Quotenregelung für das Medizinstudium ein, die noch bis Ende 2016 gilt.
An den drei öffentlichen Medizinischen Universitäten gibt es derzeit 1500 Anfänger-Studienplätze (Wien 740, Innsbruck 400, Graz 360). Heuer startet auch in Linz eine Medizinische Fakultät. Die ersten beiden Studienjahre werden von je 60 Studenten an der Medizin-Uni Graz absolviert, ab 2016/17 darf die Linzer Medizinische Fakultät 120 Studierende pro Jahr aufnehmen.

75 Prozent der Medizin-Studienplätze sind laut der Quotenregelung für Personen mit österreichischem Maturazeugnis reserviert, 20 Prozent gehen an Bewerber aus EU-Staaten und fünf Prozent an Kandidaten aus Drittstaaten.

Dazu kommen noch 50 Anfänger-Studienplätze an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg. Dort gilt die Quotenregelung nicht. Für den Zutritt an alle Medizinuniversitäten in Österreich gibt es ein Aufnahmeverfahren.