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Freiwillige Rückkehr kinderleicht

Von Eva Zelechowski

Politik

Das Bayerische Rote Kreuz sorgt mit seinem Bilderbuch über die "freiwillige Rückkehr" für Kinder für Aufregung. Verharmlosung oder einfach "kinderadäquater Zugang"?


Das (wohl einzige) Rückkehr-Bilderbuch für Kinder stößt auf Unverständnis und Kritik.
© BRK

Neulich sorgte eine Comic-Broschüre des Bayerischen Roten Kreuzes Nürnberg (BRK) für Wirbel. Das Comic wird seit Jänner 2014 in der Rückkehrberatung der BRK eingesetzt und soll Kindern die Angst vor der "freiwilligen Rückkehr" nehmen. "Papa erzählt mir von dem Land, aus dem wir kommen. Dorthin werden wir bald zurückkehren", ist im Textfeld neben dem ersten Bild zu sehen. Eine Familie sitzt auf dem Wohnzimmersofa und die Erzählungen des Vaters zeichnen scheinbar eine positive Zukunft: Farbenfrohe Bilder, lachende Gesichter. Auch der Abschied in der Schule, die Reise mit dem Flieger, Ankunft in der neuen Heimat und Heimweh werden thematisch angeschnitten.

Doch die Illustration lässt die problematischen Lebensrealitäten, in die die Rückkehr auf freiwilliger Basis hinführt und von vielen NGOs letztendlich auch nur als ein Schritt der Verzweiflung beschrieben wird, vermissen. Entstanden ist das Comic im Zuge des Projekts "Zentrale Rückkehrberatung für Flüchtlinge in Nordbayern" und richtet sich laut Selbstbeschreibung an "Flüchtlinge, die vor der Frage einer Rückkehr stehen". Text und Illustration zur Idee der Organisation stammen von der erfahrenen BRK-Flüchtlingsbetreuerin Ulrike Kraft.

"Wir haben das Bilderbuch erstellt, um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, weil wir jahrelang vergeblich nach Material für Kinder gesucht", sagt Ulrike Sing, Abteilungsleiterin Soziale Arbeit im BRK. "Wie würde ich das meinem Kind erklären? Würde ich ihm Angst machen oder die Widerstandskraft stärken, die ein Kind hat, um schwierige Situationen zu packen?", beschreibt Sing das Vorgehen bei der Planung.

"Ganz klar Verharmlosung"

Anders sieht das die Caritas Wien. "Uns hat das Comic etwas befremdet: Als würde es sich um eine Urlaubsreise handeln. Es stellt keinesfalls die Lebenszäsur dar, die eine Rückkehr eigentlich bedeutet", sagt Karin Knogl, Leiterin der Perspektivenberatung der Caritas Wien zur "Wiener Zeitung". In ihren Augen bilde die Broschüre ganz klar eine Verharmlosung der Situation ab. Die Caritas richte sich bei ihrer Rückkehrhilfe an Erwachsene, Kinder seien nicht Teil der Beratung, für deren Aufklärung und Vorbereitung müssten die Eltern selbst Sorge tragen.

Neuer Spielplatz und neue Freunde - kaum ein authentisches Abbild der Lebensrealitäten von Rückkehrern.
© BRK

Einen Bedarf, Kinder mittels solcher Broschüren direkt zu adressieren sieht auch der in Wien angesiedelte Verein für Menschenrechte nicht. Das Angebot sei auf muttersprachliche und kulturell gesellschaftliche Beratung ausgelegt. Der Geschäftsführer vom Verein für Menschenrechte, Günter Ecker, findet die Broschüre allerdings "nicht verharmlosend, sondern falsch illustriert".

Er kritisiert die Darstellung: "Man bekommt das Bild, dass es sich um mitteleuropäische Familien handelt, anstatt von in Quartieren untergebrachten Asylwerbern mit illegalem Aufenthaltsstatus". Die seien das Hauptklientel der Rückkehrberatung und nicht Familien, die "sozial etabliert, finanziell gut gestellt sind und legal in Deutschland oder Österreich leben".

Größere Familien auf kleinerem Raum

Dem Comic mangle es Ecker zufolge an authentischer Darstellung: "Größere Familien, die weniger Platz haben, andere Kleidung tragen und eine andere Hautfarbe haben." Auch fänden sich im Comic keine glaubwürdigen Bilder zu den sozialen Lebensverhältnissen im Heimatland. Fragen zu Beschäftigung, Unterkunft und Perspektive seien offen, wobei "die Betroffenen in der Regel nicht in Kriegsgebiete zurückkehren, wo sie um ihr Leben fürchten müssen, sondern in sozial schlechte Verhältnisse". Hinter den Machern der Broschüre vermutete er eher Grafiker als Flüchtlingsberater.

Das Bilderbuch komme laut BRK gut an – nicht nur die Kleinen, auch mehrere Beratungsstellen seien "sehr angetan", versichert Sing. Die Kritik, die Bilder seien geschönt, weist sie zurück. "Bisher hat sich niemand um die Kinder gekümmert! Sie waren verschreckt, man hat ihnen angesehen, dass sie Angst und auch Fragen haben", sagt Sing.

Pädagogisch sinnvoll?

Wie sinnvoll das Comic-Buch ist, um Kindern die ernste dahinter liegende Situation pädagogisch zu vermitteln, ist fraglich. Umstritten bleibt es jedenfalls. Weder die Caritas noch der Verein für Menschenrechte sind bereit, es in der Form als Hilfsangebot in die Betreuung von Rückkehrern zu inkludieren. Fest steht, dass das Ausblenden eines harten Umfelds und das Vorgaukeln von Normalität kaum einer adäquater Vorbereitung gleichkommt. Denn irgendwann ist das (vorerst beruhigte) Kind aus dem Flugzeug ausgestiegen und sieht sich mit den Lebensrealitäten konfrontiert.

Offiziell bieten in Österreich drei Organisationen Rückkehrberatung an: Der Verein für Menschenrechte, die Diakonie und die Caritas. Die Aufträge dafür werden vom Bundesministerium für Inneres vergeben.