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"Welcher Frau hat Binnen-I zu besserem Job verholfen?"

Von Clemens Neuhold

Politik

Walburg Ernst verteidigt ihren heftig kritisierten Vorstoß gegen das Binnen-I.


Wien. Das "Komitee zur Regelung des Schriftverkehrs" hat eine Norm vorgeschlagen, die den Verzicht auf das Binnen-I beinhaltet. Es folgte ein Sturm der Entrüstung von SPÖ, ÖGB, AK und ÖH. Walburg Ernst ist Chefin des Komitees.

"Wiener Zeitung": Soll man Frauen nicht mehr über Sprache sichtbar machen?Walburg Ernst: Die Sprache dient der klaglosen Verständigung und nicht der Durchsetzung zweifelhafter politischer Ziele. Großbuchstaben gibt es nur am Wortanfang oder bei durchgehender Schreibweise in Blockbuchstaben, das weiß schon jedes Volksschulkind. Außerdem: Gleichbehandlung ist ein Ziel, das auf der Ebene des Faktischen vorangetrieben werden muss. Welcher Frau hat das Binnen-I zu einem besseren Job oder zu mehr Bezahlung verholfen? Sprachliche Gleichberechtigung und faktische Gleichberechtigung sind verschiedene Paar Schuhe. 20 und mehr Jahre der Bemühungen um sprachliche Gleichbehandlung haben die faktischen Probleme der Frau in der Gesellschaft um keinen Millimeter zum Besseren gewendet. Es waren Ablenkungsmanöver, die die Empörung der Frauen auf falsche Ebene gelenkt hat.

Und: Verordnete sprachliche Gleichbehandlung führt nur zu Unbehagen und Widerständen wie aktuelle Internet-Postings zum Thema Binnen-I zeigen.

Denken Sie bei "Arzt" wirklich die Frau mit?

Natürlich, das tut jeder Mensch, der in der Schule Deutsch gelernt hat, weil das Berufsbezeichnungen und keine Geschlechterzuordnungen sind. Wie beschränkt muss man sein, wenn man beim "Spitzensportler" nicht an Anna Fenninger oder beim "einflussreichsten Politiker" nicht auch an Angela Merkel denkt?

Die Sprachwissenschafterin Karin Wetschanow verweist auf Studien, die belegen sollen, dass Frauen beim Maskulinum nur bedingt mitgedacht werden.

Man muss wissen, dass Frau Wetschanow die feministische Linguistik vertritt. Das ist ein ideologisches Programm im Gewand der Wissenschaft. Wissenschaft hat kritisch, objektiv und wertneutral zu sein.

Könnte man wie an der Uni Leipzig nur die weibliche Form nehmen?

Das tauscht die angebliche "Unterlegenheit" der Frau in der Sprache durch eine "Unterlegenheit" des Mannes aus. Da befinden wir uns auf dem Niveau eines Rachefeldzugs.

Nach dem Aufschrei - das Binnen-I bleibt erhalten, oder?

Ich hoffe nicht. Denn es wird uns von gewissen Kreisen politisch oktroyiert. Es gibt sehr, sehr viele Menschen, die das Binnen-I nicht verwenden - ich erlebe das täglich in meinen Seminaren. Von den Befürworterinnen wird leider auf benachteiligte Gruppen, wie z. B. Blinde, keine Rücksicht genommen. Denn in der Blindenschrift ist ein Binnen-I nicht oder nur sehr schwer darstellbar.