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Grund-sätzliche Steuern

Von Reinhard Göweil

Politik

Grunderwerbsteuer würde sich am 1. Juni vervielfachen - Regierung repariert Gesetz nun hektisch.


Wien. Die Hypo überstrahlt derzeit alles, aber das Finanzministerium steht vor einer Baustelle, die nicht weniger brisant ist: die Grunderwerbsteuer, die Ende 2012 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden ist und deswegen Ende Mai ausläuft. Derzeit wird hektisch die Reparatur verhandelt, denn ohne sie würde sich - gemäß Erkenntnis der Verfassungsrichter - die Steuer automatisch an den Verkehrswert der Immobilie anpassen, und zwar ohne jede Freigrenze. Mit erheblichen sozialen Auswirkungen. Der Wirtschaftstreuhänder Joseph Böck rechnete der "Wiener Zeitung" vor, was sich dann abspielen würde: "Stirbt ein Mensch nach dem 31. Mai 2014 und vererbt er ein Haus mit einem Einheitswert von 10.000 Euro und einem Verkehrswert von 350.000 Euro, dann zahlen die Erben ab 1. 6. 2014 statt wie bisher 1380 nunmehr bis zu 12.580 Euro an das Finanzamt. In dem realistischen Fall käme es also zu einer Verzehnfachung der Steuern und Gebühren ab dem 1. Juni."

Einigung in zwei Wochen

Der Fall ist deshalb realistisch, weil die derzeit der Besteuerung zugrunde liegenden Einheitswerte seit 40 Jahren nicht angepasst wurden - der Hauptgrund für die harsche Reaktion der Höchstrichter. Bei Verkauf oder Vererbung an Familienangehörige beträgt der Steuersatz derzeit zwei Prozent vom Einheitswert, normalerweise 3,5 Prozent des Kaufpreises (siehe dazu auch help.gv.at, Schlagwort Grunderwerbsteuer). Und genau um diese tausenden Erbschaften geht es. Vor allem in ländlichen Regionen bewohnen viele Nachkommen das Elternhaus. Niedrige Steuer und Mini-Einheitswert reduzierten bisher die Steuerbelastung enorm. Ohne neues Gesetz würde die Grunderwerbsteuer nicht nur finanziell potente Zinshaus-Käufer treffen, sondern auch Familien mit überschaubaren Einkommen. Und damit wäre es nicht getan, denn zur Feststellung des Verkehrswertes müsste der Erbe oder Übernehmer im Ernstfall ein Immobilien-Gutachten in Auftrag geben - was ebenfalls mehrere tausend Euro kostet.

"Wir stehen derzeit in intensiven Verhandlungen mit dem Koalitionspartner und stehen kurz vor einer Einigung", so Michaela Berger, Sprecherin des Finanzministers. "Das Gesetz wird nicht einfach auslaufen. Ich rechne in den kommenden zwei Wochen mit einer Einigung." Danach würde das Gesetz dem Nationalrat vorgelegt. Da auch hier bis zuletzt zugewartet wurde, wird sich eine normale Begutachtungsfrist nicht mehr ausgehen. "Es wird Ausnahmen für die Vererbung von Grund innerhalb einer Familie geben, Details möchte ich aber erst sagen, wenn wir in der Regierung einig sind. Die Gespräche sind gut, es ist allen klar, dass hier etwas unternommen wird."

In der SPÖ gibt es Stimmen, die Grunderwerbsteuer den Ländern zu überlassen, was im Ernstfall dazu führen könnte, dass in Wien-Eßling andere Steuersätze gelten als im nur durch einen Kreisverkehr getrennten niederösterreichischen Großenzersdorf, im Innviertel (Oberösterreich) und dem benachbarten Flachgau (Salzburg) wäre es ähnlich. Wirtschaftstreuhänder sehen diese Verländerung daher skeptisch. Auch im Finanzministerium wird abgewunken, da sich eine solche große Regelung bis Ende Mai auf gar keinen Fall ausgeht.

"Es wird in jedem Fall Ausnahmen für Grund geben, der in der Familie etwa zu Wohnzwecken genutzt wird", ist aus diesen Kreisen zu hören. Eine spezielle Problematik hätte dabei die Landwirtschaft betroffen. Die Anhebung von Einheits- auf Verkehrswert würde dort voll zuschlagen, da landwirtschaftliche Nutzfläche in den vergangenen Jahren um vieles teurer geworden ist. "Die Landwirtschaft wäre überhaupt nur bis Jahresende betroffen gewesen, wenn die jetzige Regelung ausläuft. Das ist aber nicht der Fall. In der Landwirtschaft läuft derzeit sowieso die Neufeststellung der Einheitswerte, die ab 2015 gelten wird. Und dabei bleibt es auch", sagte Spindeleggers Sprecherin. Für die ÖVP wäre eine Belastung der Landwirtschaft eine politische Katastrophe. In der SPÖ wird dies etwas differenzierter gesehen, vor allem die Arbeiterkammer beklagt die - im Vergleich zu Arbeitnehmern - ungleich geringere Steuerbelastung der Bauern trotz vergleichbarer Einkommen.

Gemeinden bangen

Warum mit der Reparatur der Grunderwerbsteuer so lange gewartet wurde, konnte oder wollte in der Regierung niemand sagen. Das Urteil der Verfassungsrichter ist seit 16 Monaten bekannt. Jedenfalls müsse die neue Regelung "aufkommensneutral" sein, so das Finanzministerium. 2013 flossen 800 Millionen Euro aus diesem Titel ins Budget, ist dem auf der ministeriellen Homepage veröffentlichten Budgetvollzug zu entnehmen. Familien-Erbe werde im neuen Gesetz begünstigt, so Berger. "Dritt-Käufer" von Immobilien dagegen müssen mit einer spürbar höheren Steuerbelastung ab 1. Juni rechnen, um die Aufkommensneutralität für das Budget zu gewährleisten. Die ist vor allem für Städte und Gemeinden wichtig, da sie diese Steuer zu 96 Prozent erhalten. "Ein geringeres Steueraufkommen daraus ist für uns nicht hinzunehmen", heißt es aus Städte- und Gemeindebund unisono. Die kommende Regelung soll - so das Büro Spindelegger - die jährlich zu entrichtende Grundsteuer allerdings nicht betreffen. "Es geht nur um die Grunderwerbsteuer." Aus Regierungskreisen ist zu hören, das jetzt zu reparierende Gesetz habe ohnehin ein kurzes Ablaufdatum. Mit dem Finanzausgleich 2016 soll auch das Thema Grund- und Grunderwerbsteuer mit den Ländern und Gemeinden neu besprochen werden - grundsätzlich sozusagen.