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Im rechten Eck gefangen

Von Clemens Neuhold

Politik

Die Entscheidung über Mölzer ist für FPÖ-Chef Strache eine Entscheidung über sich selbst.


Wien. 2011 wurde der Tiroler FPÖ-Abgeordnete Werner Königshofer aus der Partei ausgeschlossen. Er hatte das Massaker auf der norwegischen Ferieninsel Utöya mit der Fristenlösung verglichen. 2012 trat August Penz, der durch die Wahlplakate in Innsbruck ("Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe") zweifelhafte Bekanntheit erlangte, aus der FPÖ aus. Gegen beide wurde wegen Verhetzung ermittelt, aber beide wurden nicht belangt.

Auch der FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Mölzer, wird wohl von der Justiz verschont bleiben. Zwar zeigt ihn der Schriftsteller Michael Köhlmeier - unterstützt durch 17.000 Unterzeichner einer entsprechenden Petition - am Freitag bei der Staatsanwaltschaft wegen Verhetzung an. Doch Verfassungsrechtler Heinz Mayer und andere Juristen sehen den Tatbestand nicht erfüllt. Mölzer hatte die EU mit dem Dritten Reich verglichen, als "Negerkonglomerat" bezeichnet. Später tauchten dann noch rassistische Äußerungen über Fußballstar David Alaba aus Mölzers Zeitschrift "Zur Zeit" auf.

Erregungskurven flachenrasch wieder ab

Königshofer, Penz, Mölzer und davor Legionen weiterer FPÖ-Provokateure: Es sind immer dieselben Erregungskurven. Bewusst getätigte Äußerungen sorgen für einen Sturm der Entrüstung (und Mobilisierung in den eigenen Reihen). Langfristigen Schaden nimmt die Partei nicht. Umfragen, in denen die Strache-Partei zuletzt sogar auf Platz eins lag, belegen das.

Wer diesmal jedoch langfristig Schaden nehmen kann, ist Parteichef Heinz-Christian Strache selbst. Der Parteiintellektuelle, Chefredakteur und Mitherausgeber von "Zur Zeit" ist ein anderes Kaliber als ein Penz oder Königshofer. Am Montag traf Strache Mölzer zum Vieraugengespräch. Spätestens Mittwoch soll beim Bundesparteivorstand bekannt werden, ob Mölzer seine Kandidatur für die EU-Wahl behält oder zurückzieht.

Eine Richtungsentscheidung für Strache: Fährt er den altbewährten Kurs mit schwammigen Distanzierungen Mölzers und spürbar gekreuzten Fingern hinter den Rücken, bleibt er im rechten Eck gefangen. Das läuft aber seiner Langfriststrategie vom Kanzler oder Regierungspartner zuwider. Wie weit weg die FPÖ von der Macht ist, zeigt ein Blick in die Bundesländer. Dort haben die Grünen zahlreiche Landesregierungen erobert, das Team Stronach ist in Salzburg Teil der Koalition und die Neos sind fixer Bestandteil in Planspielen für die Zeit nach den Wahlen in Wien, Oberösterreich oder der Steiermark. Und die FPÖ? "Die kommen in solchen Spekulationen nicht vor", sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Dabei könnte die FPÖ in der Steiermark sogar Platz eins erobern. Doch mit den Mölzers macht es sich die FPÖ weiterhin im regierungsfernen Raum gemütlich. Filzmaier: "Ein ÖVP-Politiker, der eine Beteiligung der FPÖ erwägt, macht bei solchen Aussagen auf dem Absatz kehrt."

Andreas Mölzer,der Bürger-Schreck

Bürgerliche, Unternehmer, sogar Künstler: Die FPÖ-Strategen wissen, dass sie in diese Milieus vorstoßen müssen, wenn aus Strache mehr werden soll als der immer gleiche Oppositionsführer. Doch "was die Regierungstauglichkeit betrifft, ist Strache an den Anfang zurückgeworfen", sagt Filzmaier.

Bei der EU-Wahl kommt noch dazu, dass die übliche Täter-Opfer-Umkehr, die Stimmen bringt und blaue Wähler mobilisiert, nicht zieht. Denn jene, die finden, dass Mölzer schon recht hat und die FPÖ an der Wahlurne gegen die Gutmenschen verteidigen wollen, gehen tendenziell nicht zur Europawahl. Dafür mobilisieren Mölzers Aussagen seine politischen Gegner umso mehr. Am Montag setzte es wieder einen Reigen an Rücktritts-Aufforderungen von ÖVP, SPÖ wie auch Grünen, die Strache aufforderten, "endlich zu handeln". Und auch Bundespräsident Heinz Fischer stößt ins selbe Horn: "Jemand, der die Regelungsdichte der Europäischen Union in Beziehung mit der Regelungsdichte des NS-Terrorsystems setzt, jemand, der von einem ,Negerkonglomerat‘ spricht und David Alaba attackiert, ist im Europäischen Parlament fehl am Platz", sagt Fischer im Interview mit den "OÖ Nachrichten".

Rechter Recke eine Nummerzu groß für Strache?

Mölzer schloss einen Rücktritt bereits aus. Kickt ihn Strache trotzdem raus, geht er ein enormes Risiko ein, das bis zur Spaltung reicht. Denn Mölzer verkörpert nach dem Rückzug des Olympen Martin Graf als Dritter Nationalratspräsident wie kein anderer das Burschenschafterlager und damit den harten ideologischen Kern der Partei.

Schon 2004 habe er einen höchst erfolgreichen Vorzugsstimmenwahlkampf für die Europa-Wahl geschlagen, erinnert Filzmaier. Mölzer kann mobilisieren - nicht nur durch seine eloquenten medialen Auftritte. "Zur Zeit" ist so etwas wie das mediale Zentralorgan der Blauen.