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Rechter Rand, verschreckt

Von Katharina Schmidt

Politik

Mit der Demontage Andreas Mölzers positioniert sich die FPÖ als Alternative für Protestwähler.


Wien. Es ist nicht das erste Mal. Schon 2005 tagte der FPÖ-Parteivorstand stundenlang und beriet das Schicksal Andreas Mölzers. Damals endete die Debatte in der Gründung des BZÖ. Eine neuerliche Spaltung wird das dritte Lager diesmal nicht zustande bekommen. Dass die Demontage des EU-Parlamentariers als Spitzenkandidat in der ganz rechten Ecke der Freiheitlichen nicht wohlwollend aufgenommen wird, ist aber ebenso klar.

So gaben sich Parteichef Heinz-Christian Strache und der neue Spitzenkandidat Harald Vilimsky vor der Präsidiumssitzung mit anschließendem Bundesparteivorstand am Mittwoch wortkarg. Sicherheitshalber wurde der Termin für die an die Sitzung anschließende Pressekonferenz schon vor Sitzungsbeginn nach hinten verschoben. "Die Entscheidung steht fest", sagte Strache. Generalsekretär Herbert Kickl, der bereits am Dienstag sehr deutlich gemacht hatte, dass Mölzer auch keine Chance auf einen hinteren Listenplatz hat, erklärte: "Rücktritt ist Rücktritt."

Mölzer auf Tauchstation

Mölzer (61) selbst ging auf Tauchstation: Er nahm weder an der mehrstündigen Sitzung teil, noch hob er sein Telefon ab. In der "Kleinen Zeitung" erklärte der langjährige FPÖ-Politiker, der am Dienstag wegen rassistischer Aussagen im EU-Wahlkampf und einer unter dem Pseudonym "F. X. Seltsam" 2012 veröffentlichen Beleidigung des Bayern-Spielers David Alaba als EU-Spitzenkandidat zurücktreten musste, lediglich, er sei ab sofort "Privatmann, kein Politiker". Dennoch wuchsen am Mittwoch die Spekulationen aus dem Boden, dass die Rekos unter Mölzers ehemaligem FPÖ-Weggefährten Ewald Stadler dem gefallenen Herausgeber der rechten Zeitschrift "Zur Zeit" eine neue politische Heimat geben könnten. Genährt wurde das Gerücht durch die Ankündigung einer Rekos-Pressekonferenz für Freitag, bei der "Neuzugänge" präsentiert werden sollen. Die Sache klingt unwahrscheinlich, sind Mölzer und Stadler einander doch nicht grün. Andererseits: Auch Stadler bezeichnete einst das BZÖ als "Bienenzüchterverein Österreichs", um bei der EU-Wahl 2009 für ebendiesen zu kandidieren.

Mölzer ist nach Martin Graf und Barbara Rosenkranz der Dritte von ganz rechts außen, dem Strache die Macht entreißt. Dass sich die Sympathisanten dieses Lagers abspalten könnten, glaubt der Politikexperte Thomas Hofer aber nicht: "Der rechte Rand ist gescheit genug, dass sie wissen, dass eine Abspaltung bei der nächsten Wahl in eine Minderheitsfeststellung mündet", meint er. Zwar wird die Entscheidung Straches zu einer Demobilisierung in diesem Bereich führen -"allerdings hat er damit wahlstrategisch bei weitem das kleinere Übel gewählt".

Mehr Proteststimmen

Denn einerseits kann die FPÖ damit im Wahlkampf wieder auf eigene Themen setzen und muss sich nicht bei jeder TV-Debatte auf Mölzers rassistische Ausritte ansprechen lassen. Andererseits gelingt es den Blauen laut Hofer damit auch, besser als mit Mölzer im Proteststimmenlager zu fischen. Denn eines ist klar: Mit dem Nicht-Antreten von Hans-Peter Martin sind mehr als 500.000 Stimmen aus 2009 heuer de facto auf dem "freien Markt" verfügbar. Die Liste Martin wurde vor fünf Jahren vor allem von jenen Protestwählern gewählt, denen die Freiheitlichen mit Mölzer zu rechtslastig waren. Ohne Mölzer können sie zumindest einen Teil dieser Stimmen für sich lukrieren, meint Hofer. Die Rekos und die Liste "Europa anders" von Martins ehemaligem Mitstreiter Martin Ehrenhauser, die am Mittwoch die Unterstützungserklärungen abgegeben hat, böte ebenfalls ein kleines "Überlaufbecken".

Dass es den Freiheitlichen gelingt, Erste zu werden, ist laut Hofer indes unwahrscheinlich. Zumindest nicht bei der EU-Wahl am 25. Mai, denn dazu lehnen die Blau-Wähler die Institution an sich viel zu sehr ab.

Bei den nächsten Urnengängen - vor allem bei der Landtagswahl in Wien 2015 - sieht das schon anders aus. Mit der Entscheidung gegen Mölzer schielt Strache auch in Richtung Regierungsfähigkeit, die ihm jetzt Teile der SPÖ sicher eher zugestehen als zuvor. "Für ein nicht unwesentliches Segment der SPÖ ist es sehr wohl eine Überlegung wert, sich Strache warmzuhalten", sagt Hofer - unter dem strikten FPÖ-Gegner Werner Faymann werde das aber wohl nicht realisiert.

"Jenseitige" Aussagen

"Die FPÖ war schon bisher keine undemokratische Partei, aber jetzt hat sie mehr Möglichkeiten", sagt auch der 1986 von Jörg Haider entthronte Ex-Parteichef Norbert Steger. Und: Nun werde es immer schwieriger, gegen eine Koalitionsfähigkeit der Freiheitlichen zu argumentieren. Mölzers Aussagen findet er "jenseitig" - dass sich Strache von ihm distanziert habe, "stärkt seine Position in der Öffentlichkeit". Auch Steger ist der Meinung, dass das Stimmenpotenzial am ultrarechten Rand nicht allzu groß sei - "und es gibt Klientel, die muss man verschrecken".

Der Parteivorstand war jedenfalls nicht verschreckt: Vilimsky wurde am späten Nachmittag einstimmig zum Spitzenkandidaten der FPÖ für die EU-Wahl gekürt. Zu Redaktionsschluss noch im Gang war indes der Parteivorstand des BZÖ. Das orange Bündnis unter Gerald Grosz stellte sich die Frage, wer es nach dem Blitzabgang von Ulrike Haider-Quercia am Dienstag in die EU-Wahl führen soll.

Harald Vilimsky

Porträt

Rücktritt ist Rücktritt. Strache (r.) verzichtet auf Mölzers Kandidatur.
© photonews.at/Georges Schneider

Der 47-jährige Harald Vilimsky arbeitet seit Jahren für Strache. Erst in der Wiener Landesorganisation, seit 2006 als Generalsekretär der Bundespartei. Bei der Präsentation der "Doppelspitze" hatte Strache noch vom "Libero" Mölzer gesprochen, Vilimsky solle den "Mittelstürmer" geben. Jetzt wechselt der Wiener in die Rolle des Kapitäns.

Vilimsky wird von den Medien gerne als Straches "Mann fürs Grobe" bezeichnet, wohl auch in Abgrenzung zu seinem Co-Generalsekretär Herbert Kickl, der als der Stratege und Macher im Hintergrund gilt.

Als akademisch geprüftem PR-Berater (1990) obliegt ihm die Medienarbeit in der Partei. 1991 wurde er Pressereferent im FPÖ-Parlamentsklub. 1996 wechselte er in derselben Funktion ins Wiener Rathaus. Ab dann hatte er politische Funktionen, in Wien Mariahilf, Landespartei der Wiener FPÖ, Mitglied im Landes- und Bundesparteivorstand und schließlich Genralsekretär.

Ideologisch wird ihm freiheitliche Sattelfestigkeit attestiert. Dass er in den 1980er Jahren in der Zeitung "Der Völkerfreund" der "Sonne des Deutschtums" huldigte, bezeichnete er später als "poetische Jugendformulierung", meinte aber auch noch 2009 in der "Presse": "Ich stehe zu jedem Satz, den ich geschrieben habe." Die FPÖ bezeichnet er als "Mitte-Rechts"-Partei.

Privat ist von Vilimsky überliefert, dass er per Motorrad die Sahara durchquerte. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.