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"FPÖ-Stimmen sind verlorene Stimmen"

Von Reinhard Göweil

Politik
Köstinger: In der Lebensmittelverarbeitung sollen auch für US-Produkte die strengeren EU-Vorschriften gelten.
© Robert Strasser

ÖVP-EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger führt als Listenzweite einen Vorzugsstimmenwahlkampf.


Wien. Die 35-jährige Elisabeth Köstinger zählt zu den politischen Talenten der Volkspartei. Ihre Heimat dort ist der Bauernbund, sie ist Vizepräsidentin. Ihr Präsident Jakob Auer bezeichnete sie als "nicht nur optisch sehr herzeigbar." Die Kärntnerin sitzt seit 2009 im Europaparlament und tritt nun als Listenzweite hinter Othmar Karas an. Trotz des sicheren Platzes will sie über Vorzugsstimmen ein Direktmandat erringen. Als Parlamentarierin arbeitete sie zuletzt führend bei der Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik mit.

"Wiener Zeitung": Frau Köstinger, der Polit-Frust der Bevölkerung ist groß. Was sagen Sie den Bauern, warum sie bei der Europawahl abstimmen gehen sollen?Elisabeth Köstinger: Ich führe einen sehr inhaltlichen Wahlkampf. Es geht dabei um Europa. Wir müssen aus den innenpolitischen Themen herauskommen. Meine Punkte sind der Erhalt der kleineren und mittleren Strukturen in der Landwirtschaft und auch ein gutes Ergebnis im Freihandelsabkommen mit den USA. Wenn die Einhaltung der europäischen Vorschriften bei Lebensmitteln nicht gewährleistet ist, werden wir dem Abkommen nicht zustimmen, Stichwort Chlorhuhn.

Vor allem die FPÖ legt es aber darauf an, die Europawahl zu einer Denkzettelwahl für die Regierung zu machen.

Na ja, die Mölzer-Diskussion zeigte, dass sich das schon vor der Wahl auflöst. Es sollte allen klar sein, dass jede Stimme für die FPÖ eine verlorene Stimme ist. Diese Abgeordneten bewirken nichts im Parlament, das zeigt schon das manchmal seltsame Abstimmungsverhalten dieser Abgeordneten. Und ich sagen allen, wir sind die junge Generation, und haben mit engstirnigen Parolen nichts am Hut. Außerdem schließen sich Nationalismus und europäische Zusammenarbeit aus, mir ist gar nicht klar, was die im Europaparlament wollen, außer zerstörerisch zu wirken.

Die großen Parteien sagten zuletzt, dass es eine neue Aufgabenverteilung zwischen EU und den Mitgliedsstaaten geben muss. Diese sogenannte "Subsidiarität" wird vor allem von der Volkspartei hochgehalten. Aber was soll das sein außer stärkerer Nationalismus?

Ich sage immer, Europa im Kleinen tötet Europa im Großen. In der EU müssen wir Fragen beantworten wie die Nutzung neuer Technologien. Detailregelungen bringen nichts. Österreich setzt stark auf ländliche Entwicklung (die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums über die Landwirtschaft hinaus, Anm. d. Red.). Jede Region definiert dies unterschiedlich, aber Europa stellt den finanziellen und strukturellen Rahmen zur Verfügung.

Auch in der ÖVP gibt es Politiker, die bei unangenehmen Agrar-Themen gerne eine EU-Vorschrift verantwortlich machen. Das macht Europa bei den Landwirten nicht gerade beliebter. Wie reagieren Sie darauf?

Also, der Bundestierschutz ist streng und ein rein nationales Gesetz. Was immer wir da in der EU zusammenbringen, in Österreich wird sich nichts ändern. Die Kontrollen am Hof gehen meist nicht auf EU-Verordnungen zurück. Wie in allen Verwaltungsbereichen gibt es auch hier Einsparungsmöglichkeiten.

Sie sind auch in die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen EU und USA involviert. Die Industrie fordert dies vehement. Sie sind aber eher kritisch und argumentieren sehr ähnlich wie die Sozialdemokraten und die Grünen.

Das Europaparlament ist sehr sachbezogen, Parteigrenzen spielen eine geringe Rolle. Ich will sicherstellen, dass in der Lebensmittel-Verarbeitung die viel strengeren europäischen Standards auch für US-Waren gelten.

Aber der Gammel- und Pferdefleischskandal passierte in Europa. Und da ist seither eher wenig weitergegangen . . .

Hier ist die Industrie ein großer Hemmschuh, die halt ihren Markt ausweiten will. Wenn ein Kalb zur Welt kommt, bekommt es gleich eine Ohrmarke. Aber sobald das Tier auf den Transporter in den Schlachthof kommt, verliert sich die Spur. Hier muss meines Erachtens auch der Handel einen Beitrag für die regionale Produktion leisten.

Sie führen einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf. Vertrauen Sie der eigenen Partei nicht mehr?

Ich habe 2009 schon 44.238 Vorzugsstimmen erhalten. Nun peilen wir 50.000 an. Vertrauen geht über Personen, und direkte Mandate erhöhen die Glaubwürdigkeit im Europaparlament. Da wird genau darauf geschaut.

Sie haben ja einen sicheren Platz im nächsten Parlament. Was sind denn die großen Agrar-Themen für die kommenden fünf Jahre?

Es geht um eine gemeinsame Forst-Strategie, Holz hat enormes Potenzial und ist für uns in Österreich sehr wichtig. Bio-Verordnung, Lebensmittel-Kennzeichnung, Fleischkontrollen. Und die Überarbeitung der gemeinsamen Agrarpolitik.