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Mehr Rechte für das "Reserveheer"

Von Rosa Eder-Kornfeld

Politik
Leiharbeit ist männlich. 80 Prozent des "Reserveheers" sind Blue-Collar-Worker.
© fotolia/Jörg Lantelme

Die Situation der Leiharbeiter hat sich verbessert, laut Arbeiterkammer gibt es aber immer noch "Baustellen".


Wien. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und die Gleichbehandlung aller Mitarbeiter sind bei uns selbstverständlich", sagt Alexander Szöllösy vom niederösterreichischen Regionalentwickler ProgressNetz. Szöllösy hat neun Betriebe aus St. Pölten, Melk, Ober-Grafendorf und Rabenstein zusammengebracht, die künftig gemeinsam Mitarbeiter einstellen und nach Bedarf beschäftigen wollen. Zu diesem Zweck wurde der Verein "AGZeins" gegründet.

AGZ steht für Arbeitgeberzusammenschluss, eine Form, der Unternehmenskooperation, die ursprünglich aus Frankreich stammt und sich auch bereits in Deutschland etabliert hat. Gewinne sollen dabei keine erzielt werden, vielmehr geht es um flexiblen und planbaren Personaleinsatz und die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze in einer Region. "Wir sind auf der Suche nach 12 Vollzeit-Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern, von der Hilfskraft bis hin zum Haustechniker und der Marketingfachfrau/dem Marketingfachmann", sagt Szöllösy. Sie werden im Laufe eines Jahres voraussichtlich an zwei bis vier Arbeitsplätzen zum Einsatz kommen. Eine Schlechterstellung von AGZ-Beschäftigten gegenüber der Stammbelegschaft schließt Szöllösy aus: "Die teilnehmenden Unternehmen bekennen sich zum Prinzip equal pay - equal treatment."

Am 1. Jänner 2013 trat die Novelle des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft, mit der die Leiharbeitnehmerrichtlinie der EU in österreichisches Recht umgesetzt wurde. Den rund 72.000 Leiharbeitskräften - 80 Prozent sind Arbeiter - brachte das mehr Rechte und mehr Gleichstellung mit der Stammbelegschaft. "Die Situation hat sich verbessert, es gibt aber immer noch gravierende Diskriminierungen", sagt Ulrich Schönbauer von der Arbeiterkammer (AK) Wien.

Laut Schönbauer, der 107 Betriebsräte befragte, hapert es etwa bei der Bezahlung: "Nach wie vor stuft jeder vierte Betrieb seine Leiharbeitnehmer nicht korrekt ein." Zeitarbeitskräfte erhalten einen gesetzlichen Mindestlohn von 1466,42 Euro brutto im Monat. Liegt jedoch der Kollektivlohn vergleichbarer Stammbeschäftigter darüber, ist der jeweilige Beschäftiger-KV anzuwenden.

Knausern beim Kantinenessen

Auch werden laut Aussage der befragten Betriebsräte noch immer in fast jedem zweiten Betrieb die Zeitarbeiter bei Bonifikationen und Prämien benachteiligt. 48 Prozent der Betriebsräte gaben zudem an, dass Zeitarbeitnehmer in ihrem Betrieb in puncto Weiterbildung das Nachsehen haben. Besser sieht es bei den Sozialleistungen wie Kinderbetreuungseinrichtungen oder Gemeinschaftsverpflegung aus. Lediglich 16 Prozent der Arbeitnehmervertreter sehen hier noch eine Benachteiligung. Nach wie vor würden sich etwa große namhafte Industriebetriebe um den gleichen Zugang der überlassenen Arbeitnehmer zur Kantine drücken.

Aufklärungsarbeit vonnöten

Tanja Graf, Bundesvorsitzender-Stellvertreterin Personaldienstleistung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und selbst Geschäftsführerin eines Personaldienstleistungsunternehmens in Salzburg, sieht in den Ergebnissen der Umfrage den Beweis dafür, dass das neue Gesetz greift. Die neuen Regelungen dürften sich aber noch nicht überall herumgesprochen haben. "Als Personaldienstleister arbeiten wir natürlich daran, bei den Beschäftigerbetrieben Aufklärungsarbeit über das neue Gesetz zu leisten", sagt Graf. Die Betriebsräte seien aber ebenfalls gefordert, denn "sie sitzen ja in den Betrieben", sagt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Eine deutliche Abfuhr erteilt Graf den Forderungen, die die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft Pro-Ge in puncto Leiharbeit aufstellen. So soll etwa der Anteil der Leiharbeiter in einem Betrieb künftig einen bestimmten Schwellenwert von maximal 10 Prozent der Belegschaft nicht überschreiten, und nach einer Überlassungsdauer von sechs Monaten sollen Zeitarbeiter einen Anspruch auf Übernahme in das Stammpersonal haben. Graf: "Diese Forderungen widersprechen den Vorteilen der Arbeitskräfteüberlassung diametral. Einerseits ist für Arbeitnehmer ein flexibles Arbeitsverhältnis wie Zeitarbeit von großem Vorteil, andererseits ist es nicht sinnvoll, Zeitarbeiter-Quoten in Unternehmen einzuführen, da diese dadurch schlechter auf Auftragsschwankungen reagieren können."

Leiharbeit hat in den vergangenen fünfzehn Jahren in Österreich wie kein anderer Erwerbstypus einen wahren Boom erlebt. War 1998 erst jeder hundertste Arbeitnehmer auf Leiharbeitsbasis beschäftigt, so ist es jetzt bereits jeder 45. Die Zahl der überlassenen Arbeitskräfte hat sich seit 1998 mehr als verdreifacht, während die Zahl der unselbständig Beschäftigten seit dem Jahr 2000 um nicht einmal 15 Prozent gestiegen ist.

Trotz des Anstiegs macht das "Reserveheer" erst einen relativ geringen Anteil an allen Beschäftigten aus: Im Bundesdurchschnitt lag er bei 2,2 Prozent. Überproportional viele Leiharbeitskräfte gibt es in Oberösterreich mit 3,6 Prozent und in der Steiermark mit 2,7 Prozent.