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Schaumgebremst

Von Cathren Landsgesell

Politik

Ob und in welcher Weise die digitalen Medien an der Schule vorkommen, ist Zufall – obwohl sich Experten, Ministerium und Lehrer einig sind, dass Medienbildung wichtig ist.


Peter Sykora muss lachen. Dafür reicht die Frage, wie es um die Mediennutzung in der Schule generell so bestellt sei. Er ist Direktor einer Volksschule im achten Wiener Gemeindebezirk. "Wir waren am Anfang wirklich euphorisch", berichtet Sykora.

"Ende der 1990er Jahre gab es eine große Initiative, bei der alle Wiener Schulen flächendeckend mit Computern ausgestattet wurden. Das Wiener Bildungsnetz wurde ins Leben gerufen und man hat wirklich versucht, vorne mit dabei zu sein. Jetzt würde ich die Stimmung eher als schaumgebremst beschreiben."

Seit den euphorischen Anfängen hat sich nicht viel getan. Die Computer sind heute veraltet. "Man überlegt zweimal, ob man das Gerät wirklich einschalten will, weil man berechtigte Zweifel hat, dass die Lernsoftware darauf läuft", sagt Sykora.

Das Ideal sieht anders aus: "Schulbibliotheken sind zu Netzwerkknoten der analogen und digitalen Medienkommunikation geworden. Schon Kinder in der Grundschule können lernen, einfache Animationen herzustellen und multimedial Geschichten zu erzählen und das Radio als Lernform nutzen", heißt es aus dem Bundesministerium für Bildung und Frauen (bmbf).

Ob dieses Potenzial auch genutzt werden kann, hängt derzeit vom Engagement der Lehrer ab: "Wir haben in diesem Land keine Gewissheit, dass unsere Kinder an den Schulen den Umgang mit den modernen Medien lernen", sagt Barbara Buchegger, Wissenschaftlerin am Österreichischen Institut für Angewandte Telekommunikation ÖIAT und pädagogische Leiterin der Initiative Saferinternet.at. Von dieser Initiative, die von EU-Kommission, bmbf und NGOs unterstützt wird, gehen zahlreiche Impulse für die Jugend- und Erwachsenenbildung im Bereich digitale Medien aus.

Querschnittsmaterie Medienbildung
Medienbildung ist in Österreich eine so genannte Querschnittsmaterie, die Teil anderer Fächer und Unterrichtsinhalte sein soll. Grundlage ist der "Grundsatzerlass für Medienerziehung" des Unterrichtsministeriums aus dem Jahr 2001, zuletzt aktualisiert 2012.

"Der fachliche Unterricht sollte so mit überfachlichen (Medien-) Kompetenzen verbunden werden, dass daraus Handlungskompetenz entsteht", erklärt das bmbf. Für Lehrer entsteht aus diesem Erlass keine Verpflichtung, werden Medien oder gar digitale Medien in den Unterricht eingebaut, geht dies meist auf das Engagement einzelner Lehrer zurück:

"Es kann vorkommen, dass Kinder schon fünfzehn sind, wenn sie das erste Mal an der Schule mit Computern zu tun haben, es gibt aber auch Schulen, die entsprechenden Unterricht anbieten. Das hängt vom Willen und von den Fähigkeiten der Lehrer ab", berichtet Buchegger.

Für diese Fähigkeiten bzw. die medienpädagogische Didaktik gibt es bislang keine verpflichtende Aus- und Fortbildung und relativ wenige Angebote an den Pädagogischen Hochschulen. Während das Smartphone für nahe zu alle Achtjährigen Normalität ist, können Lehrer mit Facebook oftmals wenig anfangen, manchmal haben sie auch "null Ahnung", wie Peter Sykora sagt. In der Volksschule seien Social Media noch "komplett Außen vor".

Es fehlt an modernen Lehrer-Fortbildungen
Lehrer würden sich oftmals nicht trauen, Social Media im Unterricht einzusetzen. Es fehlt an Fortbildungen, die sich an "modernen Standards orientieren und die Lehrer befähigen, die neuen Medien einzusetzen", sagt der Direktor. Er hat Tablets und i-Pads bereits erfolgreich im Unterricht eingesetzt. "Sie sind im Vergleich zu den Standgeräten natürlich viel flexibler. Die Kinder können mobil damit arbeiten, denn wir wollen ja auch nicht, dass sie sich still allein in der Ecke damit beschäftigen. Es gibt viele wunderbare Apps von Malprogrammen bis zu Rechtschreibübungen."

Sykora will damit den analogen Unterricht nicht ersetzen. "Die digitalen Medien sollten ein Unterrichtsmittel sein wie ein Mikroskop oder ein Lexikon – nichts Besonderes." Ein eigenständiges Fach Medienerziehung hält Pädagoge daher nicht für notwendig. Auch braucht es keine flächendeckende Ausstattung mit den neuesten Gadgets. "Nur ein bisschen mehr Flexibilität".

Für Barbara Buchegger ist es wichtig, bestimmte Inhalte festzulegen, die vermittelt werden sollten. "Man muss über Internetrecherche, Urheberrechte und Cybermobbing genauso sprechen wie über Onlineshops oder Phishing. Mit der Haltung, ‚die können das eh‘ kommt man nicht weiter. Es sollte darum gehen, aus den Digital Natives auch Digital Citizens zu machen." Das sieht man auch im bmbf so: "Was die Fähigkeiten betrifft, Medienbotschaften kritisch zu lesen sowie den eigenen Mediengebrauch sicher und vernünftig zu gestalten, gibt es pädagogischen Handlungsbedarf."

Die Lebenswirklichkeit von Lehrenden und ihren Schülern droht derweil immer mehr auseinander zu driften. "Spätestens am Ende der Volksschule haben alle Kinder ein Smartphone. Weil sich niemand damit beschäftigt, sind sie ruckzuck im Internet und bei genau den Inhalten, wo wir sie nicht haben wollen," sagt Sykora. Er erlebt, dass Kinder mit dem Smartphone und generell mit den neuen Medien allein gelassen werden.

Keine Alternative?
Kinder können oftmals keine Grenzen setzen bzw. haben oft keine alternativen Freizeitbeschäftigungen. Barbara Buchegger, die häufig Veranstaltungen und Schulungen mit Kindern und Jugendlichen durchführt erzählt, dass die Kinder zwar merken, wenn sie durch exzessive Computernutzung Kopfschmerzen und brennende Augen bekommen, aber häufig nur die Alternative haben, auf eine andere Bildschirmunterhaltung zu wechseln. "Wir brauchen uns dann nicht zu wundern, wenn sie zu wenig Bewegung haben und können noch froh sein, wenn sie mit xbox oder Wii Bewegungsspiele machen."

Muss sich die Schule um diese Problematik kümmern? "Ja", findet Peter Sykora. Nicht nur hat die Schule einen Bildungsauftrag, die digitalen Medien sind mittlerweile eine "Kulturtechnik": "Genauso wie man den Kindern beibringt, Bücher zu lesen, sollte man ihnen auch beibringen, mit den digitalen Medien umzugehen." Dafür braucht man Pädagogen, die das können und Geräte, die funktionieren.