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Eine Debatte wie damals

Von Simon Rosner

Politik
"Der Lehrer" - um ihn herrscht wieder ein Gezerre. Schon bei den Regierungsverhandlungen stand eine Verländerung im Schulwesen, also die komplette Übertragung der Verantwortung an die Länder, im Raum. Aufgrund des Sparzwangs im Ministerium versuchen es nun die Landeshauptleute erneut.
© Russell Cobb/Ikon Images/Corbis

Schon vor Jahrzehnten wurde in Österreich über eine Verländerung im Schulwesen diskutiert, herausgekommen ist die wegweisende Reform 1962. Ein großer Wurf darf jetzt jedoch nicht erwartet werden.


Wien. Der Abgeordnete Neugebauer beschloss seine Rede mit einer eindeutigen Forderung: "Keine Verländerung der Schule!" Doch es war nicht etwa Parlaments-Urgestein und Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer, der dieserart die Lehrergilde verteidigte, es war der Abgeordnete Max Neugebauer von der SPÖ, der diesen Appell in die Debatte warf. Und zwar im Jahr 1953.

Max Neugebauer, gewissermaßen ein Ururgestein des Hohen Hauses, war einer der Väter jener großen Reform des Jahres 1962, die -sterreichs Schulwesen auf neue Beine stellte. Unter anderem wurde die Schulpflicht verlängert und eben die Kompetenzen geklärt. Auch die heutige Schulverwaltung basiert im Wesentlichen auf dem Schulorganisationsgesetz des Jahres 1962. Allerdings kamen seither viele neue Verantwortlichkeiten dazu, neue Gesetze und neue Schulformen. Herausgekommen ist ein undurchsichtiger Wirrwarr, klare Kompetenzen waren einmal.

Wettbewerb umdie besten Lehrer

Der Ruf nach einer Verländerung des Schulwesens ist seither nicht verhallt, auch wenn er nun anders klingt. Eben, weil die unklare Verteilung der Verantwortung in einigen Bereichen nachweislich teuer ist. Damals, also vor jenem wegweisenden Gesetz Anfang der Sechziger, drehte sich die Debatte jedoch um eine komplette Verländerung. Demnach sollten die Bundesländer auch für das Dienstrecht und die Besoldung zuständig sein, was einen Wettbewerb der Länder bei den Gehältern zur Folge gehabt hätte. Für Bildungspolitiker wie Max Neugebauer war das eine Horrorvorstellung.

Die jüngste Initiative aus Oberösterreich von Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), die Verantwortung für die Lehrer einzufordern, unterscheidet sich von der Verländerungsdebatte von einst. Die Grundsatzgesetzgebung soll nun weiterhin beim Bund verbleiben, ebenso soll es ein einheitliches Dienstrecht sowie Lehrpläne geben. Und auch das Geld soll, wie bisher, vom Bund kommen, wobei laut Pühringers Vorschlag künftig nach Schülerzahlen und Strukturdaten abgerechnet werden soll.

Dass auch die anderen ÖVP-Landeschefs hinter diesem Vorschlag stehen, ist keine besonders große Überraschung, doch auch Burgenlands Hans Niessl (SPÖ), der derzeit auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ist, sieht nun, da sich das Bildungsministerium dem Sparregime der Bundesregierung unterwerfen muss, eine neue Chance für eine Verländerung gekommen.

Uneinigkeit in SPÖ überVerländerung der Lehrer

Niessl hatte bei den Regierungsverhandlungen im vergangenen Herbst auch das Thema Staatsreform verhandelt, und kurz schien es, als sei man sich koalitionsintern einig, den "Bundeslehrer" in die Ewigkeit zu schicken. Die Vereinbarung überstand dann aber die Chefrunde nicht, zumal in der SPÖ bis dahin ganz anderes Linie war: die Bündelung der Verantwortung beim Bund, nicht bei den Ländern.

Der Rechnungshof, der 2009 Teil einer von der Regierung eingesetzten Expertengruppe war, die das Schulwesen durchleuchten sollte, hält sich aus dieser Grundsatzdebatte so gut es geht heraus. Er empfiehlt nur eine "grundlegende Reform der Organisationsstruktur". Demnach sollen sich Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung "in einer Hand" befinden. Welche Hand das sein sollte, sagt der Rechnungshof nicht.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek muss sich jedenfalls, ob sie will oder nicht, diesem Thema widmen. Sie wird diese Woche mit den Ländern über Wege verhandeln, die rund 117 Millionen Euro in diesem und dem kommenden Jahr einzusparen. Der Weg über einige Verordnungen hatte in der Vorwoche zu einem kollektiven Aufschrei geführt, der die Ministerin veranlasste, die geplanten Maßnahmen zurückzuziehen.

Nun werde man sich die "Kostentransparenz und die Klein- und Kleinstklassen anschauen", heißt es aus dem Ministerium. "Die Doppelgleisigkeit zwischen Bund und Ländern werden natürlich auch Thema sein." Eine große Reform, also eine Art Entscheidung in dem Dauerstreit, wer für die Lehrer verantwortlich sein soll, ist aber auch jetzt nicht zu erwarten. "Da werden wir keine Einigung erzielen", sagt Wiens Bürgermeister Michael Häupl.

Kaiser will doppelgleisige Fortbildung prüfen

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der 2009, als sich die Landeshauptleute einstimmig für eine Verländerung ausgesprochen haben, noch nicht im Amt war, ist strikt gegen eine solche Reform. Kaiser, studierter Bildungssoziologe, will alle Kompetenzen beim Bund versammelt wissen, eine Überantwortung an die Länder ist für ihn schlicht indiskutabel. "Österreich ist zu klein für neun Bildungssysteme", sagt Kaiser.

Auch Kärntens Landeshauptmann ist dafür, "Doppelgleisigkeiten", wie er sagt, zu beseitigen, etwa im Bereich von Lehrerfortbildungen. So gibt es Fortbildungen auf Länderebene, aber auch die Leadership Akademie des Ministeriums. Große Einsparungsmöglichkeiten bietet das freilich nicht, aber an eine große Reform wie anno 1962 hat vermutlich ohnehin niemand geglaubt.