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Wenn Südländer Schlagzeile machen

Von Alexander Warzilek

Politik
Diskriminierungen finden sich in vielen heimischen Medien.
© Moritz Ziegler

Der Presserat rügt immer wieder Österreichs Medien, die Menschen diskriminieren.


Wien. Von Südländern, die die Heimat unsicher machen, von kriminellen Ostbanden sowie Tschetschenen und Afrikanern im brutalen Drogenkrieg - die Diskriminierung von Migranten in Massenmedien ist ein Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt. Wo liegen die Grenzen für die Zeitungen? Der Presserat entscheidet im Einzelfall, ob ein Artikel gegen die Medienethik verstößt.

Ende 2010 haben heimische Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs den Presserat wiedergegründet. An die Selbstkontrolleinrichtung kann sich jeder Leser mit einer Beschwerde über einen redaktionellen Beitrag in einer Zeitung oder einer Zeitschrift wenden. Seit dem Neustart haben sich die Ethikwächter mit über 450 Fällen beschäftigt. Die Entscheidungen des Presserats haben in erster Linie Mahncharakter und Appellfunktion - eingefordert wird ein ethisch korrektes und verantwortungsvolles journalistisches Verhalten.

Voltaire hielt einst fest, dass Vorurteile die Vernunft der Narren sind. Dem Presserat ist es ein Anliegen, gegen diese Art der "Vernunft" anzukämpfen. Der "Ehrenkodex für die österreichische Presse" - ein Katalog ethischer Prinzipien, der die Grundlage für die Entscheidungen des Presserats bildet - enthält in Punkt 7 eine Bestimmung, die vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierungen schützt. Einige der Ethikverstöße, die der Presserat bisher festgestellt hat, betrafen Artikel, in denen Migranten diskriminiert wurden.

Nicht zuletzt wegen des "Neger-Konglomerat-Sagers" des FPÖ-Politikers Andreas Mölzer wurde über die Bedeutung des Begriffs "Neger" viel diskutiert. Auch der Presserat hat sich mit diesem Begriff bereits zweimal befassen müssen. So verurteilte er einen Bericht in der rechtskonservativen Wochenzeitschrift "Zur Zeit" - Mölzer fungiert hier übrigens als Herausgeber -, in dem straffällig gewordene Asylwerber mehrmals als "Neger" bezeichnet wurden. Nach Meinung des Presserats sei der Begriff abwertend und diskriminierend. Den Einwand der Zeitschrift, dass der Begriff seit mehr als 300 Jahren im deutschen Sprachraum gebräuchlich und auch nicht gesetzlich verboten sei, ließ der Presserat nicht gelten. Sein Fazit: Einem Journalisten könne es zugemutet werden, dass er sich mit diesem belasteten Begriff ernsthaft auseinandersetze, den Bedeutungswandel, den dieser Begriff in den letzten 20 Jahren erfahren habe, erkenne und respektiere, dass dieser Begriff von den meisten Menschen als diskriminierend betrachtet werde. Vor kurzem hat der Presserat auch die Verwendung des Begriffs "Negerkinder" in einem Kommentar in einer steirischen Gratiszeitung, in dem die Abschaffung der Entwicklungshilfe gefordert wurde, als Ethikverstoß geahndet.

Noch ein weiterer Fall von Diskriminierung betrifft die Wochenzeitschrift "Zur Zeit". In dem Artikel "Das nicht lustige Zigeunerleben" beschreibt die Autorin das Leben der von ihr als "Zigeuner" bezeichneten Roma und Sinti und spricht "vom ungeliebten Volk in Europa". Sie vertritt die Meinung, dass diese, wenn "man sie bettelnd auf der Straße" sehe, "aber eher beschämend, fremdartig wirkten" und "vielen ekelt es sogar vor ihnen". Sie würden "alles an sich reißen, was nicht ‚niet- und nagelfest‘" ist, und "wo sie hinkamen, zerstörten sie die Infrastruktur", sie "trinken und verprügeln ihre Frauen, weil diese ebenfalls trinken".

"Ost-Banden" ist ethisch vertretbar

Der Presserat stellte hier einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Ehrenkodex fest. Durch die negativen Behauptungen allgemeiner Art sei die Volksgruppe der Roma und Sinti auf menschenverachtende Art und Weise pauschal verunglimpft und diskriminiert worden.

Auch nicht akzeptiert hat der Presserat eine Kurzmeldung in der Vorarlberg-Ausgabe der "Kronen Zeitung" über einen Raubüberfall auf eine Taxilenkerin in Dornbirn. Der unbekannte Täter wurde darin als Südländer beschrieben, der einer von hunderten Ausländern sei, "die unsere Heimat unsicher machen". Der Presserat erblickte darin eine Diskriminierung aus nationalen Gründen.

Als ethisch vertretbar hat der Presserat hingegen die Verwendung der Begriffe "Ost-Banden" und "Ost-Kriminelle" bewertet, ebenfalls in einem Artikel in der "Kronen Zeitung": Da eine gewisse Kriminalität tatsächlich auf Banden aus dem Osten zurückzuführen sei, gab es für die Verwendung der Begriffe nach Meinung des Presserats einen entsprechenden Anknüpfungspunkt.

Nicht beanstandet hat der Presserat zudem einen Bericht in der Gratiszeitung "Heute", wonach laut einer Umfrage die Deutschen das "Urlaubsärgernis Nummer 1" für die Österreicher seien. In der Presserats-Entscheidung wurde angemerkt, dass manche Leser an dieser Formulierung zwar Anstoß nehmen könnten, diese aber noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Als unethisch und verunglimpfend wurde demgegenüber die Aussage in einem Kommentar von Wolfgang Fellner in der Tageszeitung "Österreich" eingestuft, wonach "Geld für einen Schweizer immer ein Motiv sei" (Fellner kritisierte den vermeintlichen Abgang von ÖFB-Teamchef Marcel Koller zum Schweizer Nationalteam).

Viele Diskussionen und einen regelrechten "Shit-Storm" in den sozialen Medien verursachte ein Bericht in der Gratiszeitung "Heute" von Dezember 2012, in dem ein mutmaßlicher Straftäter, der noch dazu ein Kärntner war, zu jener Sorte Mann gezählt wurde, "die zum Glück eher hinterm Halbmond lebt"; in Ländern, wo das Gesäß beim Beten höher sei als der Kopf. Der Presserat qualifizierte diese Passage als Diskriminierung von Menschen mit muslimischem Glauben.

Als mit dem Ehrenkodex unvereinbar bewertete der Presserat des Weiteren einen Artikel in der Tageszeitung "Österreich", in dem ein angeblicher "brutaler Drogenkrieg" in der Wiener U-Bahn zwischen Tschetschenen und Afrikanern geschildert wurde. Der Presserat hielt den Bericht für nicht ausreichend recherchiert, da als Quelle für die Behauptungen bloß anonym auf "einen erfahrenen Ermittler" hingewiesen wurde.

Diese Entscheidung hat übrigens dazu geführt, dass die Tageszeitung "Österreich" den Presserat geklagt hat. Sie wollte es der Ethikeinrichtung generell verbieten, Artikel in "Österreich" medienethisch zu beurteilen. Der Prozess ist zugunsten des Presserats ausgegangen: Das HG Wien (10 Cg 44/12v-17) hat entschieden, dass auflagenstarke Medien, die bewusst am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilnehmen, selbst reißerisch vorgetragene Kritik aushalten müssen, weil dies das Fortkommen der Zeitung nicht gefährde. Eine sachlich vorgetragene Meinungsäußerung, dass ein Artikel mit medienethischen Prinzipien nicht vereinbar sei, könne das Fortkommen einer Zeitung laut Gericht erst recht nicht gefährden.

Der Autor ist Geschäftsführer des Presserates.