Wien. Trotz Neuregelungen für die Sonderpensionen werden weiterhin "Parallelwelten" bestehen. Die Initiative sei gut, komme jedoch viel zu spät, urteilte Bernd Marin vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung Wien, das den Gesetzesentwurf unter die Lupe genommen hat. Die Begutachtungsfrist des Verfassungsgesetzes zur Begrenzung von Sonderpensionen läuft bis 6. Mai 2014. Der Entwurf sieht vor, dass Sonderpensionen in öffentlichen Bereichen, die vom Rechnungshof geprüft werden, mit 17.800 Euro monatlich begrenzt werden - das ist der Bezug des Nationalratspräsidenten.
Grundsätzlich begrüßt Marin die Initiative, auch dürfte es eine Einigung nahezu aller Parlamentsparteien geben. Er sprach bei einer Pressekonferenz jedoch von "Durchbruch und Durchfaller, weil es eine verpasste Chance ist". Erfasst von der Neuregelung sind Institutionen von der Nationalbank über die Kammern und die Sozialversicherungen bis zum ORF. Dem Pensionsexperten sind zu wenige Personen (9600) von der Neuregelung betroffen: "Sanfter hätte man die Betroffenen nicht in Watte packen können." Der Entwurf bleibe hinter den aus seiner Sicht "sehr moderaten" Rechnungshofvorschlägen und sei "kaum budgetwirksam".
Unter anderem stößt er sich an der Formulierung, dass bei der Berechnung der Obergrenze "Ansprüche auf eine Pensionsleistung aus der gesetzlichen Sozialversicherung nicht berücksichtigt werden" sollen. Die Obergrenzen gelten nicht für die Gesamtpension, sondern lediglich für die "Sonderpension(steile)" genannte Zusatzpension - etwa zusätzlich zu einer ASVG-Höchstpension. "Rätselhaft" bleibt für Marin auch, warum sich die Obergrenze am Aktivbezug eines Nationalratspräsidenten orientiert. Die geplante gestaffelte Kürzung der Pensionssicherungsbeiträge sollte bereits mit höheren Prozentsätzen beginnen, lautet eine der Forderungen.
"Pensionsmultimillionäre" bei ÖBB, OeNB & Co.
Kritik übt Marin auch daran, dass die Regelungen nur 70 Institutionen auf Bundesebene von insgesamt 5000 bis 8000 Organisationen inklusive Länder- und Gemeindeebene erfassen. Das Gesetz gilt für Funktionäre und Bedienstete von Rechtsträgern, die der RH-Kontrolle unterliegen, Pensionen von Altpolitikern, ihre Angehörigen und Hinterbliebenen. Nicht erfasst werden zum Beispiel Landes-Hypos, EVN, Salzburg AG, Begas oder Wienstrom.
"Parallelwelten" bestehen bei Sozialversicherungen, Kammern, ÖBB und OeNB noch bis über 2040 beziehungsweise 2050, so Marin, der von "Pensionsmultimillionären" spricht. Der durchschnittliche neue Pensionssicherungsbeitrag beziehungsweise Pensionsbeitrag für rund 9600 Betroffene beträgt nur etwa 74 Euro monatlich. Marin schätzt das mögliche Einsparungspotenzial auf 75 bis 120 Millionen Euro jährlich und hofft daher auf Verbesserungen durch Abänderungsanträge sowie weitere Schritte auf Länder- und Gemeindeebene. Würden diesem "ersten, wichtigen Schritt" weitere folgen, "wäre das gut", so Marin: "Wenn das der Schlussstrich ist, wäre das eine mittlere bis größere Katastrophe."
Neos und die Grünen drängen die Bundesländer, die künftigen Regelungen für Sonderpensionen ebenfalls umzusetzen. Grünen-Sozialsprecherin Judith Schwentner und Kollege Gerald Loacker von den Neos wenden sich mit einem offenen Brief an die Landeshauptmänner und Landtagspräsidenten. Im Gesetzesentwurf ist die Übernahme in Landesgesetze lediglich ermöglicht. Den beiden Parteien ist das zu wenig, die Länder sollen sich dazu bekennen, die Systematik des Bundes zu übernehmen. Grüne und Neos appellieren an die Länder, die Umsetzung bis zum 30. September 2014 zuzusagen, dann würden die Landesgesetze zeitgleich mit dem Bundesgesetz am 1. Jänner 2015 in Kraft treten.