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Der langweilige Höhepunkt

Von Simon Rosner

Politik

Die Budgetrede als parlamentarische Königsdisziplin. Eine Rückschau.


Wien. Die Budgetrede des Finanzministers ist der alljährliche parlamentarische Höhepunkt. So wie die Salzburger Festspiele in der Kultur, der Opernball für die High Society oder die Streif-Abfahrt beim Skifahren. Worin sich die Budgetrede dann aber eindeutig unterscheidet: Sie ist ein besonders langweiliger Höhepunkt.

"Die Rede, die ich gehalten haben, war sicher die fadeste in meinem ganzen politischen Leben", erinnert sich Rudolf Edlinger, der bisher letzte sozialdemokratische Finanzminister (1997 bis 2000). In seine Amtszeit fiel nur eine große Budgetrede - wegen einem Doppelbudget wie es nun auch Michael Spindelegger erarbeitet.

Der Aufwand für die Budgetrede ist jedenfalls außerordentlich hoch. "Was die Fakten betrifft, muss man absolut genau sein. Die werden dann das ganze Jahr über in den Debatten zitiert", erzählt Edlinger. "Diese Rede ist ja fast wie ein Gesetz."

Spindelegger wird sich am Dienstag laut Nationalratspräsidentin Prammer sogar einer freien Rede bedienen. Normalerweise liest der Finanzminister vom Manuskript ab, das in gedruckter Form stets am Vorabend an alle Parlamentsklubs geht. Spindelegger hat sich nun bei Prammer erbeten, frei zu sprechen. "Ich verstehe das, es ist nicht lustig, eine Rede zu verlesen, die am Vortag schon ausgegeben wurde." Nachsatz: "Es wird schon gut gehen".

Tatsächlich ist es schon einmal gut gegangen. Wilhelm Molterer (ÖVP) war in seiner Rede vor sieben Jahren immer wieder von der schriftlichen Version abgewichen. Sein Vortrag sollte dann auch aus anderen Gründen im Gedächtnis bleiben. "Wir nützen den Spielraum, den eine boomende Wirtschaft bietet und profitieren von den Früchten der Reform der letzten Jahre", sagte Molterer in seiner Rede am 29. März 2007. Fünf Monate später brachen die Finanzmärkte zusammen und trieben das Defizit nach oben. Zwar reduzierte es sich seither wieder auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie in etwa vor der Krise, dennoch wird Spindelegger am Dienstag erneut ein strenges Sparregime ausrufen.

Sparen steht im Vordergrund, zumindest bei der Rede

Rein inhaltlich wird seit den 90er-Jahren der Sparbedarf herausgestrichen. Schon Viktor Klima hatte 1996 als Finanzminister ein "Konsolidierungsprogramm" angekündigt, und zwar nicht "wegen abstrakter Maastricht-Kriterien", sondern "zugunsten der Qualität und Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich". Diese Formulierung könnte vermutlich auch Spindelegger genauso verwenden.

Geht man vergangene Reden durch, so findet sich unter sozialdemokratischen Finanzministern fast immer die Betonung auf die soziale Verträglichkeit von Sparmaßnahmen. "Es ist ja immer die Frage, wie man spart", sagt Edlinger. In seiner Amtszeit sank etwa das Defizit von 4,0 auf 2,3 Prozent des BIP. Das Budget gibt eben die politische Richtung einer Regierung vor, und dementsprechend oft findet sich in Reden der ÖVP-Finanzminister der Verweis auf den verschuldeten Staat. Josef Pröll wollte 2010 den "Grundstein für den Weg aus der Schuldenfalle legen", Molterer beim "Staat den Sparstift ansetzen" und Maria Fekter "Anwältin der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler" sein.

Fekters Auftritt im Herbst 2012 blieb aber deshalb in Erinnerung, da sie das "Budget aus den Fugen" geraten sah, sollte durch die Volksbefragung einige Monate später die Wehrpflicht fallen. Wegen des parteipolitischen Exkurses erhielt Fekter auch kaum Applaus aus den Reihen des Koalitionspartners, wie das sonst Usus ist.

Bei Karl-Heinz Grassers Budgetreden gab es sogar stehende Ovationen von ÖVP-Mandataren. Grund dafür war die Ankündigung, dass erstmals ein Nulldefizits erreicht werde. Wie man heute weiß: auch aufgrund der höchsten Steuerquote der zweiten Republik (45,6 Prozent) und ohne Nachhaltigkeit. Bis 2004 stieg die jährliche Verschuldung auf 4,4 Prozent des BIP, so hoch wie dann zu Krisenzeiten.

Doch Grasser prägte jedenfalls die Budgetrede als solche. Während sich seine Vorgänger auf die Zahlen konzentrierten und sich der Langeweile hingaben, setzte Grasser inszenatorische Akzente. Er verwendete bekannte Werbesprüche ("Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget"), und 2003 wollte er sogar seine Rede mit einer Powerpoint-Präsentation begleiten. Allerdings wurde das untersagt. Bemerkenswerte Begründung für den Wunsch eines Finanzministers: "Wegen unverhältnismäßigen Kosten."