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"Wir können auch Walzer tanzen"

Von Iga Mazak

Politik
Für Alexis Neuberg und Dorothea Hagen gibt es zu wenige positive Beispiele für Integration.
© Mazak

Die Organisatoren des Afrika Frühlingsballs über die Entwicklung afrikanischer Communitys in Österreich.


Wien. Am 3. Mai findet im Arcotel Wimberger der siebente Afrika Frühlingsball statt. Das diesjährige Motto: "Ich bin, weil du bist - Ubuntu". Angesichts der aktuellen medialen Debatte rund um das Wort "Neger" und der neu entflammten Diskussion um "die echten Österreicher" ein heißes Pflaster. Die Organisatoren des Balls, der Leiter des führenden afrikanischen Sendungsprogramms Radio Afrika TV, Alexis Nshimyimana Neuberg, und Kollegin Dorothea Hagen, sprechen im Interview mit der "Wiener Zeitung" über die Entwicklungen der Repräsentation afrikanischer Communitys in der Öffentlichkeit und über die Bedeutung des Balls.

"Wiener Zeitung": Was läuft schief in Österreich? Warum brauchen wir 2014 noch immer einen eigenen "Afrika-Ball"? Haben sämtliche Integrationsversuche versagt?

Alexis Neuberg: Nach meiner Erfahrung aus 17 Jahren Radio Afrika TV steht eines fest: Es gibt zu wenige positive Beispiele der Integration in der Öffentlichkeit. Medial werden mit Afrika die drei K.s assoziiert: Katastrophen, Konflikte und Krise. Das ist nicht die Realität. Genau das wollen wir mit dem Hauptthema des diesjährigen Balls verdeutlichen. Es gibt eine positive Verstrickung beider Kulturen. "Wir" können auch Walzer tanzen.

Dorothea Hagen: Dass wir das Thema im 21. Jahrhundert noch so thematisieren müssen, ist sicher bedenklich - zumal wir in den USA einen schwarzen Präsidenten haben. Politisch bemühen sich die Verantwortlichen hier leider nur vor Wahlen. So erreichen wir mit dem Thema Integration meistens nur Menschen, die unmittelbar im Zusammenleben damit konfrontiert sind. Bei unserem Ball tanzen tatsächlich 50/50 Afrikaner und Österreicher.

Hat sich Ihrer Meinung nach in der öffentlichen Wahrnehmung von ‚Afrika‘ etwas geändert, seit Sie 2007 den Ball gestartet haben?

Neuberg:Die Schritte, die sich seitens der Initiativen ergeben haben, empfinde ich als schüchtern. Dass Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund in öffentlichen Stellen sitzen, ist nach wie vor nicht Alltag. Die AVP (Afrika Vernetzungs Plattform) hat letztes Jahr im Rahmen einer Medienkampagne eine Afrikanerin in traditioneller Kleidung als Kandidatin für die Bundeskanzlerwahl vorgestellt. Unsere Aktion hat unheimlich stark polarisiert und die FPÖ schlussendlich dazu veranlasst, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen, wer die Plakataktion finanziert habe. Eine schwarze Frau zur Bundeskanzlerin schien unvorstellbar.

Hagen: Auf kultureller Ebene hat sich definitiv etwas getan. Vor allem afrikanische Künstler sind dazugekommen, die sich Migration zum Thema machen und dabei das Wienerische nicht auslassen. Das soll eben durch den Ball auch zum Ausdruck gebracht werden. Auf gesellschaftspolitischer Ebene spielt sicherlich Radio AfrikaTV eine große Rolle. Nicht zuletzt durch seine Kampagne "Success Stories", die die viel besagten positiven Bilder in die Köpfe der Menschen locken soll.

Denken Sie, dass die Selbstverständlichkeit, dass Wörter wie "Negerkonglomerat" noch immer verwendet werden, ein politisches, gesellschaftliches oder ein persönliches Versagen sind?

Neuberg: Es ist ein Problem, das sich auf mehreren Ebenen abspielt. Vor allem aber strukturell. Zum einen ist bei der politischen Seite die Legislative zu verantworten: Das Minderheitengesetz zu erweitern sowie die Schaffung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes in Österreich stehen seit Jahren auf der Liste unserer Forderungen. Afrikaner sind Migranten und Migranten fallen in Österreich generell nicht unter das Minderheitengesetz.

Hagen: Man hat kein juristisches Instrument in der Hand. Weiters spielen natürlich öffentliche Meinungsbilder und deren Negativ-Schlagzeilen eine entscheidende Rolle - man denke nur an kleinformatige Zeitungen.

Wie könnte man neben positiven Fallbeispielen ethnischer Communitys für eine positivere mediale Rezeption sorgen?

Neuberg:Wir fordern seit langem, dass Medien, die öffentliche Subventionen erhalten, sich der Wahrung und dem Respekt von Diversität verpflichten. Das sollte ein voraussetzendes Kriterium darstellen. Schließlich werden die Steuergelder, die diese Förderungen erhalten auch von uns Afrikanern mitfinanziert. Das bringt mich persönlich in eine große Verlegenheit.

Hagen: Zusätzlich muss man Diversität im öffentlichen Zusammenleben und insbesondere in der Berufswelt fördern. Sichtbare Menschen in sichtbaren Positionen. Die Konfrontation mit Migrationshintergrund ist wichtig.

Heißt es, man soll hier Quotenregelungen einführen?

Neuberg: Die Leute schreien immer auf, wenn es um Quoten geht. Verpflichtende Quoten hin oder her: Ich denke es sollte einen öffentlichen Kodex geben, der Diversität im Berufsleben berücksichtigt. In einer repräsentativen Demokratie muss das aber auch eine offizielle Angelegenheit sein.

Welche Rolle soll hierbei die Zivilgesellschaft übernehmen?

Neuberg: Es geht um das Vorleben von Zivilcourage. Ohne das Engagement und die Interventionen der Zivilgesellschaft würde sich nichts tun. Was aber sicher verbessert werden muss, ist die Zusammenarbeit der einzelnen Initiativen. In der Realität ist es so, dass es überwiegend "einheimische" zivilgesellschaftliche Organisationen gibt, die wiederum den migrantischen entgegenstehen. Jeder vertritt seine eigenen Anliegen. Es muss eine Brücke geschaffen werden zwischen diesen beiden Positionen.