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Möchtegern-Wikinger

Von Walter Hämmerle

Politik

Jahrzehntelang glaubte Österreichs Politik, es komme nur auf die Abgabenquote an. Ein teurer Irrtum.


Wien. So zu werden wie die Schweden: Das ist seit den 1970er Jahren der Traum zumindest der linken Hälfte Österreichs (und wieder einmal stand Bruno Kreisky, der die Kriegsjahre im schwedischen Exil verbrachte, am Anfang). Nun steht fest: Wir haben es geschafft. In einem Teil zumindest. Laut Eurostat hat die Alpenrepublik 2013 sogar erstmals das skandinavische Musterland bei der Abgabenquote (Steuern plus Sozialversicherungsbeiträge) mit 45,4 zu 45 Prozent überholt.

Bittere Erkenntnis

Hinter der Sehnsucht, dem schwedischen Rollenmodell nachzueifern, stand die vage Vermutung, man müsse nur die Steuer- und Abgabenquote auf skandinavisches Niveau heben, dann wäre auch ausreichend Geld für die Finanzierung des Sozialstaats da. Diese Wunschvorstellung stellt sich jetzt allerdings als Illusion heraus: Wir haben zwar schwedische Verhältnisse bei den Abgaben, aber nicht, was die Treffgenauigkeit bei der Umverteilung und die Effizienz bei der Verwaltung angeht. Besonders deutlich schlägt sich dieser Unterschied in den Standortrankings nieder, wo Schweden regelmäßig einen Spitzenplatz einnimmt, Österreich dagegen meist nur im gehobenen Mittelfeld; das World Economic Forum führt Schweden auf Rang 6, Österreich auf Platz 16 von 148 Staaten; in einem neuen europäischen Bildungsranking der Industriellenvereinigung stehen die Skandinavier als "Innovation Leaders" ebenfalls ganz vorne, während Österreich in einer Nachzüglergruppe im hinteren Mittelfeld aufscheint.

Die bittere Erkenntnis sollte daher lauten: Es kommt nicht nur auf die Höhe der Mittel an, die der Staat zur Verfolgung seiner Ziele zur Verfügung hat, sondern mindestens so sehr auf die Effizienz ihres Einsatzes. Oder anders formuliert: Während Österreich seit Jahrzehnten über eine Reform des Föderalismus diskutiert, ohne zu greifbaren Ergebnissen zu kommen, hat Schweden kurzerhand seine Staatsorganisation umgekrempelt. Den Boden dafür bereitete die schwere Krise in den 90er Jahren, als das Land auf einen Bankrott zusteuerte. Als Konsequenz daraus wurde nicht nur das Pensionssystem radikal reformiert, sondern auch das bis dahin zentralistische Land föderalisiert (der Prozess ist nach wie vor am Laufen).

Allerdings erfolgte diese Regionalisierung mit Fokus auf die Gemeinden, die jedoch im Vergleich zu Österreich sehr viel größer sind. Die schwedische Zentralregierung konzentriert sich dabei auf eine Rahmengesetzgebung, die strenge Zielvorgaben verordnen, die Gemeinden und Regionen jedoch weitgehend freie Hand bei der Finanzierung und Erfüllung dieser Vorgaben besitzen, so Niklas Sonntag vom Institut für Föderalismus in Innsbruck. "Schwedens Verwaltungsorganisation zeichnet sich durch eine starke Bündelung von Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben aus", bringt es Christian Helmenstein auf den Punkt, der Chefökonom der Abteilung für Wirtschaftspolitik in der Industriellen Vereinigung. Und genau dies schafft Österreich trotz jahrzehntelanger Bemühungen nicht.

Auf die Tendenz kommt es an

Gruppentechnisch ist Österreich also längst in einer Gruppe mit den viel gerühmten skandinavischen EU-Staaten Schweden, Dänemark und Finnland: Wie diese (und im Unterschied etwa zu Deutschland) verfügt Österreich, so Helmenstein, über eine Endbesteuerung bei Kapitaleinkünften, einen gut ausgebauten Sozialstaat und liegt bei der Staats- und Abgabenquote im Spitzenfeld. Doch diese quantitativen Parameter sagen noch nichts (oder jedenfalls nur relativ wenig) aus über die Qualität, denn "bei der Qualität der Staatsaufgaben liegt Schweden extrem viel besser als Österreich", formuliert der IV-Ökonom. Was sich etwa in einer deutlich niedrigeren Staatsverschuldung und einem deutlich kostengünstigeren Pensionssystem niederschlägt; dabei lag Schweden in den 90er Jahren puncto Schulden schon einmal um Längen vor Österreich.

Der Erfolg des schwedischen Modells liegt weniger in absoluten Parametern, wie Österreich spätestens jetzt schmerzhaft erkennen muss, sondern in der Richtung der Entwicklung: "Es gibt tatsächlich keine nachprüfbare Korelation zwischen der absoluten Höhe der Staatsquote und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit", erläutert Helmenstein, "entscheidend ist die Tendenz, also die Staatsquote sinkt oder steigt".

Es scheint daher so, als ob Österreich dazu verurteilt ist, noch einige Zeit länger hinter dem ewigen Vorbild Schweden herzuhecheln.