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"Einsparungen sind eine gefährliche Drohung"

Von Bettina Figl

Politik
Um 15 Prozent zu sparen, dürften Stellen nicht nachbesetzt werden, sagt Rektor Christoph Badelt.
© Stanislav Jenis

WU-Rektor Christoph Badelt über das Sparen in der Wissenschaft, den "Vollprofi" Reinhold Mitterlehner und "kontraproduktive" Doktoratsstudien an Fachhochschulen.


"Wiener Zeitung": Die Auflösung des eigenständigen Wissenschaftsministeriums liegt ein halbes Jahr zurück, damals gab es viel Kritik, auch von den Uni-Rektoren. Warum sind Sie Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gegenüber nun positiver gestimmt?

Christoph Badelt: Meine Meinung hat sich nicht geändert; die Symbolik war schlecht. Aber ich habe nie daran gezweifelt, dass Mitterlehner den Universitäten helfen kann. Mit seinem Background als Wirtschaftsminister steht er natürlich mehr im Machtzentrum der Republik als ein von außen kommender Wissenschaftsminister wie Töchterle. Mitterlehner hat sich rasch eingearbeitet wie ein Vollprofi. Er weiß, wie man in der Politik etwas erreicht. Ich bin optimistisch, dass er etwas für uns herausholen wird.

Der Minister hat aber auch gesagt, jede Uni könne 10 bis 15 Prozent einsparen, ohne dass die Leistung darunter leiden würde.

An der WU können wir auf Studienebene nicht sparen, wir haben nur Großstudien, wenn wir die streichen, müssten wir auf sehr viele Studierende verzichten. Jede Institution kann auf der Verwaltungsebene einsparen, aber nicht 10 bis 15, sondern vielleicht fünf Prozent. Bei Dimensionen bis zu 15 Prozent müsste man als Erstes durch Nichtnachbesetzung beim Personal sparen. Das würde bedeuten, dass die Betreuungsverhältnisse schlechter werden.

Wo könnte gespart werden?

Wir sind in letzter Zeit gezwungen worden, sinnlose Bürokratien aufzubauen. Die würde ich gerne als Erstes einsparen. Wir brauchen beispielsweise eigenes Personal für das Medientransparenzgesetz: Mitarbeiter, die feststellen, welche Medienkontakte unsere Professoren haben. Die Unis waren mit diesem Gesetz nie gemeint, aber wir müssen es ausbaden, das kostet viel Geld. Oder: Warum ist es möglich, dass ein Studierender unendlich viele Studien belegt, unendlich lange studiert und nur gelegentlich Prüfungen macht, ohne dass er einen Abschluss macht? Das sind Ineffizienzen im System, wo der Gesetzgeber gefordert ist. Wenn von öffentlichen Einsparungen gesprochen wird, klingt es immer so, als ginge es darum, die Kaffeekasse zu verkleinern.

Bei der "Kaffeekasse" soll aber auch gespart werden: 2015 bis 2017 sollen die Ermessensausgaben um 76 Millionen Euro sinken.

Das halte ich für eine gefährliche Drohung. Aber da spreche ich weniger von der WU, denn wir haben Leistungsvereinbarungsverträge. Es wird immer gesagt, die Ermessensausgaben können leicht gekürzt werden - rechtlich ja, aber wissenschaftspolitisch ist das extrem nachteilig. Außeruniversitäre Forschungsinstitute leben alle von diesen Ermessensausgaben. Da muss man wahnsinnig aufpassen.

Kürzlich wurde kritisiert, an der WU werde nur Mainstream-Ökonomie gelehrt. Inwieweit können Sie das nachvollziehen?

Ich teile die Kritik, dass sich die Mainstream-Ökonomie von realen Problemen entfernt hat. Aber zu sagen, Ökonomie werde an der WU nicht als Teil der Gesellschaft gesehen, ist lächerlich: Wir haben das Studium der Sozioökonomie und ein eigenes Masterstudium SocioEcological Economics and Policy. Den Vorwurf an uns zu richten ist falsch, denn der Studienplan ist nicht dem Rektorat, sondern den autonomen Studienkommissionen überlassen. Was unterrichtet wird, bestimmen die Lehrenden, es wäre eine Katastrophe, wenn der Rektor diese Macht hätte. Es ist kurios, wenn auch Lehrende diese Petition unterzeichnen, die sollen das einfach umsetzen. Kein Mensch zwingt Professoren, nur Mainstream-Ökonomie zu unterrichten.

Wie beurteilen Sie es, wenn Fachhochschulen (FH) Doktoratsstudien anbieten?

Das ist für mich überhaupt nicht einsehbar, ich halte es für völlig kontraproduktiv. FHs sind von Natur aus keine Forschungseinrichtungen, und das Doktoratsstudium ist eine Mischung aus Forschung und Ausbildung. Der internationale Trend geht dahin, echte PhD-Programme anzubieten, sogar Uni-Institute tun sich zusammen, denn es braucht eine kritische Masse, um Spitzenforschung zu betreiben. Bevor wir diese an den FHs ausbauen, könnten wir gleich neue Unis gründen. Die FHs werden über die Lehre finanziert und bieten fokussiertere, unmittelbarer auf den Arbeitsmarkt zugeschnittene Programme an. Es wird sich langfristig zeigen, wer der Gewinner ist. Der Uni-Abschluss bietet vielleicht mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt, denn er ist die breitere Ausbildung. Es gibt gute Kooperationen zwischen Unis und FHs.

Und wie steht es um die Durchlässigkeit, also der Akzeptanz von FH-Abschlüssen an den Unis?

Es ist absurd, Absolventen von ganz engen Masterstudien das juristische Recht einzuräumen, dass diese an Doktoratsprogrammen zugelassen werden. Doch das Wissenschaftsministerium erlässt Verordnungen, wo ganzen FH-Masterausbildungen juristisches Recht für Doktoratsstudien eingeräumt wird. Das muss immer die aufnehmende Institution entscheiden, denn wenn Absolventen die Qualifikation nicht haben, scheitern sie auch.

Kürzlich haben Sie mit Ihrer Partneruniversität, der Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi im Mailand, ein Kooperationsabkommen für Double Degrees abgeschlossen. Was versprechen Sie sich davon?

Double Degrees sind nach Austausch-Semestern der nächste logische Schritt in der Internationalisierung. Die Internationalisierung verlangt von den Unis, wettbewerbsfähiger zu werden. Wenn wir Double Degrees anbieten, sind wir als Studienstandort attraktiver und bekommen die besten Studierenden.

Wird es in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften heuer Aufnahmeprüfungen geben?

Ja. Mit derzeit 4145 Registrierungen (Stand Mittwochfrüh, Anm.), haben wir zwei Tage vor der Deadline die vorgeschrieben Höchstzahl von 3674 Anmeldungen überschritten.

Wissen
Im Zuge von Double-Degree-Programmen können Studierende an mehreren internationalen Hochschulen studieren und akademische Abschüsse beider Unis erlangen. Die WU bietet Double Degrees in Kooperation mit der Queen’s University (Kanada), der Graduate School of Management in St. Petersburg (Russland) und ab 2014/2015 mit der Università Commerciale Luigi Bocconi in Mailand (Italien) an: Eines ihrer beiden Studienjahre verbringen die fünf Studenten in Italien, mit dem positiven Abschluss des zweijährigen Masterstudiums erlangen sie einen Abschluss von der Universität Bocconi und einen von der WU.