Wien. Ist ein gesunder Schüler, der bei der Schulärztin auf eine Waage steigt, ein Patient? Gewiss, in Österreich gibt es derzeit wichtigere Fragen zu klären als diese, zum Beispiel jene nach der Steuerreform. Doch selbst in dieser banal anmutenden Frage nach einer bloßen Begrifflichkeit kann sehr viel Österreich stecken.
Im Februar nämlich erhielten die Landesschulräte in dieser Sache einen Brief vom Unterrichtsministerium. Laut Maß- und Eichgesetz, Paragraf 11, Ziffer 2, litera a, sei auch bei schulärztlichen Untersuchungen eine geeichte Waage zu verwenden. Also, ja, gesunde Schüler sind Patienten, zumindest solange sie auf einer Waage stehen.
Solche geeichten Waagen gibt’s nicht im Haushaltsgeschäft, und sie kosten auch um einiges mehr, in etwa 500 Euro. Das ist zwar für die Schulerhalter, die Gemeinden, leistbar, aber dennoch: Muss das wirklich sein? Hängt die Volksgesundheit tatsächlich am Eichwesen von Waagen?
Das Schulwaagen-Beispiel ist eines, das Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes, fast schon genüsslich erwähnt. Seit Jahren seien drei Ministerien mit der Frage nach den Schulwaagen beschäftigt, wirklich zuständig wolle aber niemand sein und zahlen müssten es ohnehin die Gemeinden, insgesamt rund 2,5 Millionen Euro, so Mödlhammer.
Es sind Geschichten wie jene, die man kennen muss, um den Furor wider die Bürokratie des Gemeindebundchefs verstehen zu können, 28 Jahre lang war Mödlhammer auch Bürgermeister der Gemeinde Hallwang in Salzburg, im März trat er bei den Gemeinderatswahlen nicht mehr an. Im Vorjahr verhandelte der ÖVP-Politiker bei den Koalitionsgesprächen das Thema Staatsreform, "aber über Sparvorschläge von den Gemeinden wird nicht einmal diskutiert", beschwert er sich.
Stattdessen würden immer neue Verordnungen und Aufgaben auf die Gemeinden zukommen, wobei die Schulwaagen bei weitem nicht das größte Problem darstellen. Es ist vor allem das neue Haushaltsrecht, das künftig auch von kleinen Gemeinden eine komplexe Bilanzlegung (doppelte Buchhaltung) verlangt. Mödlhammer sieht eine "unendliche Lawine an Verwaltung" auf Österreich niedergehen, selbst die EU habe den Mehraufwand durch das doppische System auf Gemeindeebene mit 250 bis 300 Millionen Euro taxiert. Zudem, so Mödlhammer, fehle in einigen Gemeinden schlicht die Qualifikation dafür. "Wenn man da über uns drüberfährt, werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen", sagt der Gemeindebundchef.