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Ein Schwarzer unter Roten

Von Brigitte Pechar

Politik

Christgewerkschafter im ÖGB marschieren bei Reichensteuer-Kampagne Seite an Seite mit den Sozialdemokraten.


Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) hat seine Kampagne "Lohnsteuer runter" gestartet. 1,2 Millionen Mitglieder sollen motiviert werden, eine Unterschrift für eine rasche Entlastung der Arbeitnehmer zu leisten. Die Kampagne wird auch von der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) mitgetragen. An deren Spitze steht der 53-jährige gelernte Polizist Norbert Schnedl, der sich beim Thema Vermögenssteuern mit seiner Partei, der ÖVP, anlegt.

"Wiener Zeitung":Herr Vizepräsident, Parteilinie der ÖVP ist: Steuerreform ja, aber keine neuen Steuern. Sie dagegen schließen neue Steuern nicht aus. Sind Sie nicht in der falschen Partei?Norbert Schnedl: Das hat mit der Partei nichts zu tun. Wir sind als ÖGB eine Sozialpartnerorganisation und als solche werden wir bis September ein Konzept für eine steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer erarbeiten, und mit diesem Gesetz werden wir die Bundesregierung konfrontieren. Die Bundesregierung besteht aus zwei Koalitionsparteien.

Sie wollen eine spürbare Entlastung. Das ist aus Arbeitnehmersicht verständlich, aber das braucht zumindest ein Volumen von 3 bis 4 Milliarden Euro. Woher soll dieses Geld kommen?

Sie haben völlig recht, wir wollen ein spürbares Volumen. Wobei die Größenordnung durchaus vielleicht noch in eine höhere Richtung gehen soll. Wir wollen den Eingangssteuersatz Richtung 25 Prozent senken, die kalte Progression deutlich entschärfen - das schafft ja auch Arbeitsplätze und erhöht Einnahmen durch mehr Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer - und wir wollen, dass die Steuerstufen deutlich gestreckt werden.

Um die kalte Progression auszuschließen, schlägt etwa IHS-Direktor Christian Keuschnigg vor, einen Automatismus einzubauen. Dazu sollten die Einkommensgrenzen für die Lohnsteuer jedes Jahr um das Wachstum der Lohneinkommen angehoben werden.

Das ist eine sehr vernünftige Möglichkeit, die sicher in unserer Steuergruppe diskutiert wird. Dass die Umsatzsteuer mittlerweile niedriger ist als die Lohnsteuer, ist ein Zeichen, dass die Kaufkraft deutlich zurückgegangen ist. Wir wollen mit unserer Aktion erreichen, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer wieder deutlich ansteigt.

Welche Reformen schlagen Sie vor?

Als Christgewerkschafter werden wir die Durchforstung der unternehmensbezogenen Förderungen und Subventionen einbringen. Für diesen Punkt weist der Förderbericht des Finanzministeriums 6,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2012 aus, das sind mehr als 20 Milliarden Euro jährlich. In Deutschland werden unter diesem Titel 2 Prozent des BIP ausgewiesen. Da gibt es also einen erheblichen Spielraum. Dann wollen wir wirksame Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Da gibt es einen Rechnungshofbericht, der wirksame Maßnahmen gegen Karussellbetrug vorschlägt. Diese braucht man nur 1:1 umsetzen. Man muss auch Ausnahmen im Steuersystem diskutieren. Und schließlich wird man überlegen, die Grundsteuer anzupassen. Wenn man alle Steuerarten diskutiert, wird man auch über vermögensbezogene Steuern reden müssen.

Welche vermögensbezogenen Steuern - außer der angesprochenen Grundsteuer - könnten das sein?

Für uns als Christgewerkschafter ist wichtig, dass der Mittelstand und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht belastet werden. Das ist ein Grundsatz.

Was ist mit der Erbschaftssteuer?

So weit im Detail sind wir noch nicht. Wir werden alle Steuerarten, auch Vermögenssteuer, diskutieren. Unsere Messlatte ist: Arbeitnehmer und Mittelstand dürfen nicht belastet werden. Zweite Messlatte: Das Modell muss praktikabel und administrierbar sein.

Und das Ganze soll ab 2015 schon in Kraft treten?

So schnell wie möglich. Ich bin natürlich Realist und weiß, dass man ein Gesamtvolumen in einer ordentlichen Größenordnung nicht so schnell bewegen wird können. Aber man kann zum Beispiel gewisse Elemente schon mit Beginn 2015 ansetzen.

Eine Steuerreform in Etappen?

Sehr richtig. Es ist vieles möglich. Die Regierung wird gut beraten sein, so schnell wie möglich spürbare Schritte zu setzen.

Der ÖGB will 500.000 Unterschriften sammeln. Bis wann?

Das ist eine Größenordnung. Sammeln werden wir so lange, bis eine Entlastung in Kraft getreten ist. Ich orte eine hohe Bereitschaft in der Kollegenschaft, diese Aktion zu unterstützen.

Tiroler und Vorarlberger Arbeiterkammern haben jetzt gerade ihre Unterschriftenaktion für eine Steuerentlastung verlängert, weil der Zulauf weit unter den Erwartungen geblieben ist.

Wir werden unsere Aktion begleiten mit einer Kampagne und Betriebsräte und Personalvertreter informieren.

Was passiert, wenn die ÖVP und Finanzminister Michael Spindelegger bei ihrem Widerstand bleiben?

Wir verhandeln ja nicht mit einer Partei, sondern mit der Bundesregierung. Wir erwarten, dass sich die Regierung in dieser Frage einigt - und das ist Aufgabe des Bundeskanzlers. Unsere Aufgabe ist es, eine möglichst rasche, deutlich spürbare Entlastung der Arbeitnehmer zu erwirken.

Man könnte auch sagen, Sie verstecken sich da hinter dem Bundeskanzler und segeln in seinem Windschatten.

Ich verstecke mich gar nicht. Der ÖGB verhandelt als überparteiliche Interessenvertretung mit der Regierung und es ist deren Sache, wie sie eine interne Einigung herbeiführt. Sie können aber sicher sein, dass in meiner Partei alle wissen, welche Linie ich vertrete.