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Ungleich verteilte Empörung

Von Matthias Nagl

Politik

Bei einem Lokalaugenschein im kleinen Deutschen Eck scheinen die Autofahrer beim | Thema Maut wesentlich entspannter als die Politik.


Salzburg. "Es ist den Reisenden, die in die Urlaubsregion Kitzbühel fahren, durchaus zuzumuten, dass sie sich eine Zehn-Tages-Vignette kaufen, die wenig mehr als acht Euro kostet." Das sagte Verkehrsministerin Doris Bures vergangenen Sommer. Bures bereitete damals aber nicht potenzielle Kitzbühel-Urlauber aus Ostösterreich auf die deutschen Mautpläne vor, sie versuchte vielmehr empörte deutsche Tagesgäste von der Zumutbarkeit von Vignettenkontrollen für fünf Autobahnkilometer zwischen Kufstein-Nord und Kufstein-Süd auf der Inntalautobahn zu überzeugen.

Nun, ein Jahr später, steht Bures auf der anderen Seite der Mautdiskussion und führt die österreichische Riege der Empörung über die deutschen Mautpläne an. Am Dienstag sicherte ihr auch Bundeskanzler Werner Faymann die Rückendeckung der gesamten Bundesregierung zu. Bures hatte angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten bis zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen die deutschen Mautpläne auszuschöpfen.

Deutschland will ab 2016 eine Vignette für Autos und voraussichtlich auch Motorräder einführen, die deutschen Autofahrern allerdings durch Freibeträge bei der Kfz-Steuer abgegolten würde. Die nach Hubraum und Umweltfreundlichkeit berechnete Abgabe für alle Straßen würde also nur Ausländer treffen. Eine Jahresvignette soll je nach Fahrzeugtyp zwischen 24 und 112,35 Euro kosten, eine Zehn-Tages-Vignette als billigste Variante 10 Euro, also geringfügig mehr als die österreichische um 8,50 Euro. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU hält die Maut für EU-rechtskonform.

Besonders betroffen von der Maut wäre in Österreich das Bundesland Salzburg. Das kleine Deutsche Eck, die Strecke von Salzburg über Bad Reichenhall in Bayern nach Unken ist die kürzeste und schnellste Straßenverbindung von der Landeshauptstadt ins Saalachtal im Pinzgau. Zudem pendeln derzeit rund 1450 Salzburger zum Arbeiten ins benachbarte Bayern.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat die Bundesregierung in seiner ersten Reaktion zu einer Klage vor dem EuGH aufgefordert und Deutschland mit einer Retourkutsche in Form eines deckungsgleichen Modells in Österreich gedroht. Mittlerweile denkt Haslauer an Verhandlungen über Ausnahmeregelungen für das kleine Deutsche Eck und Kurzstrecken in Grenznähe.

"Ich zahle gerne,ich benutze es ja auch"

Zum Teil wesentlich entspannter als die Politik sehen das Thema die Autofahrer selbst bei einem Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" im kleinen Deutschen Eck. "Die Deutschen müssen bei uns ja auch zahlen", ist der überwiegende Tenor bei österreichischen Autofahrern, die meisten mit Pinzgauer Kennzeichen. "Ich zahle gern, ich benutze es ja auch", sagt etwa Emanuel Daxer aus Kössen in Tirol. Der Unternehmer ist regelmäßig in Bayern unterwegs und hat dort auch Betriebsstandorte. Sein Auto ist allerdings in Österreich gemeldet, er müsste für die Vignette also bezahlen.

Bruno Gassner aus Niedernsill ist auf der Seite des Landeshauptmanns. Ihn stört vor allem, dass die Mautpflicht nicht nur Autobahnen betrifft. "Dass es die Landesstraßen auch betrifft, ist eine Frechheit", sagt er. Die Route über das kleine Deutsche Eck wählt er aber ohnehin nur selten. Als "Sauerei" bezeichnet ein Kundenbetreuer aus Seekirchen im Norden Salzburgs die Mautpläne. Er ist aber überzeugt, dass die Umsetzung der Maut noch scheitert. Beruflich muss der Maut-Gegner regelmäßig in den Pinzgau, für die Straßenbenutzung bezahlen will er generell nicht. "Auf eine Straße gehört keine Maut", sagt er.

Eine Hausfrau aus der Pinzgauer Bezirkshauptstadt Zell am See sieht den Trend aber in eine andere Richtung gehen. "Das (Maut auch abseits der Autobahn, Anm.) wird bei uns auch bald kommen", ist sie überzeugt. Ein Problem sieht sie darin genauso wenig wie in den deutschen Mautplänen, nach Salzburg fährt sie sonst meist über den Pongau und die Autobahn.

Beschwichtigungen ganzim Westen

Tatsächlich wird eine Ausweitung der Maut über die Autobahn hinaus auch in Österreich von verschiedenen Seiten überlegt. So meint etwa der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP): "Wir haben viele Mautflüchtlinge. Mit einer Bemautung aller Straßen könnten wir dieses Problem in den Griff bekommen." Auch ein Senken der österreichischen Kfz-Steuer, wie sie in Deutschland angedacht werde, könne sich Platter vorstellen.

Einen ähnlichen Schachzug hat es übrigens auch in Österreich schon gegeben, als bei der Einführung der Lkw-Maut 2004 die Kfz-Steuer für Lkw gesenkt wurde. Vier Jahre zuvor, als die Maut beschlossen wurde, war die Steuer vorübergehend erhöht worden. Von der Klagsdrohung seines ÖVP-Westachsen-Kollegen Haslauer hält Platter wenig. "Die Veto-Keule ist meiner Meinung nach nicht gerade zielführend", sagt er.

Überhaupt nimmt die Empörung westlich von Salzburg ab, obwohl auch Vorarlberg und Tirol von einer Maut in Deutschland stark betroffen wären. Einzelne Gemeinden dieser Länder sind ausschließlich über Deutschland erreichbar. Zudem führt der einzig praktikable Weg für die beiden westlichsten Bundesländer in den Rest von Österreich auf der Straße durch Deutschland.

Dennoch plädiert Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner für Gelassenheit. Er sei zwar auch "wenig erfreut", doch solle man die Prüfung auf Europarechtskonformität abwarten, so Wallner: "Ich habe den Eindruck, dass eine verbale Abrüstung intelligenter wäre." Vielleicht erinnert sich ja auch Verkehrsministerin Bures an ihre beschwichtigenden Worte vom vergangenen Sommer.