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Das Ende der Insellösungen

Von Brigitte Pechar

Die Elektronische Gesundheitsakte soll die Kommunikation zwischen Ärzten auf neue Beine stellen.


Wien. Das österreichische Gesundheitssystem besteht aus Insellösungen. In dieser Analyse sind sich Befürworter und Gegner der Elektronischen Gesundheitsakte (Elga) einig. Während aber die einen in Elga genau jene Lokomotive sehen, die diese Insellösungen überwindet, fordern die anderen, zuerst gemeinsame Strukturen zu schaffen, bevor man Elga implementiert.

Der Hausärzteverband, eine Interessenvertretung der Allgemeinmediziner außerhalb der Ärztekammer, ist die vehementeste Gruppe, die gegen Elga rebelliert. Dort sieht man sich nach der Verschiebung der Elga-Einführung an den 133 Spitälern um ein Jahr (geplant war der Start mit Jänner 2015) bestätigt. Und Hausärzte-Sprecher Wolfgang Geppert sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" darin nur die Fortsetzung der chaotischen Planung.

"Man hat über Jahre verabsäumt, das Gesundheitssystem auf eine zentrale Basis zu stellen, jetzt soll Elga durchgezogen werden. Aber es gibt nicht einmal noch einheitliche Entlassungsberichte der Spitäler", kritisiert der mittlerweile pensionierte Landarzt. Jeder Krankenanstaltenverbund habe sein eigenes System entwickelt und jeder wolle nun sein Modell beibehalten.

Dass diese Entlassungsberichte einheitlich werden, dafür soll Elga sorgen. Da diese Berichte standardisiert sein werden, kann jeder Arzt sehr rasch in der Gesundheitsakte sehen, was er wissen muss, lautet die Antwort der Befürworter. Derzeit funktioniert eine Befundübermittlung des Spitals an den Arzt nur dann, wenn es zwischen den beiden eine gute Gesprächsbasis gibt.

Seit nahezu 20 Jahren wird in Österreich darüber gestritten, wie die fehlende Kommunikation zwischen Spitälern und Ärzten und zwischen den Ärzten untereinander beendet werden kann. Denn auf die Patienten ist in der Regel wenig Verlass. Oft haben sie ihre Befunde gar nicht mit, wenn sie zu einem anderen Arzt gehen, oder sie können ihre Medikamente nicht anführen. Aber selbst, wenn Ambulanzen Befunde mitgeben, ist nicht sichergestellt, dass alles vermerkt ist, da es dafür bisher keine Regeln gibt.

Ein standardisiertes System solle Abhilfe schaffen, hatte die damalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (2003 bis 2007) vorgeschlagen. Der damalige Ärztekammerpräsident Walter Dorner hat dagegen sofort rebelliert und die Ärzteschaft hinter sich geschart. Ungeachtet dessen schritt die Entwicklung der Gesundheitsakte voran. Hauptverband der Sozialversicherungsträger und Gesundheitsministerium einigten sich schließlich darauf, dass Elga auf die sehr gut angenommene E-Card aufgesetzt werden sollte. Erst mit dem Wechsel an der Spitze der Ärztekammer zu Artur Wechselberger wurde die Kritik der Ärztekammer an Elga gemäßigter.

Sorge der Ärzte: Vertrauensverlust

Eine große Sorge - vor allem der Hausärzte - ist die Codierung von Diagnosen, Prozeduren und Maßnahmen. Früher oder später wird eine solche Codierung kommen und die Ärzte befürchten, dass durch solche Standardisierungen die Beziehung zwischen Arzt und Patient verloren geht. "Es wird immer mehr Zeit auf bürokratische Zwecke verwendet. Die Behandlungszeit und das Gespräch werden immer weiter verkürzt", kritisiert Hausärztevertreter Geppert.

Dahinter verbirgt sich aber auch die Sorge um die immer schlechter werdende Leistungsabrechnung mit den Krankenkassen. Auch diese Honorarkataloge sind völlig unstandardisiert und bedürfen ohnehin einer dringenden Überarbeitung. Am Ende wird sehr wahrscheinlich ein Leistungskatalog für alle stehen - was die Befürchtungen der Ärzteschaft nicht verkleinert.

Im Zuge der Implementierung von Elga wird auch die E-Medikation eine zentrale Rolle spielen. Allerdings haben Pilotversuche hier korrigierend gewirkt. Sollte ursprünglich mit der Auflistung der Medikamente auch eine automatische Wechselwirkungskontrolle durchgeführt werden, wurde davon am Ende abgesehen. Zwar werden die Medikamente aufgelistet, die Wechselwirkung überprüft aber der behandelnde Arzt.

Experte sieht Elga als "Globallösung"

"Wir bräuchten Elga in dieser Vollständigkeit gar nicht, wenn wir es geschafft hätten, Register für bestimmte Krankheitsbilder zu schaffen", sagt Gesundheitsökonom Ernest G. Pichlbauer. Aber selbst das Herzschrittmacherregister sei häufig unvollständig, weil nicht alle pflichtgetreu eintragen würden. Es gebe hinter all den Behandlungsregistern keine Strategie. "So gesehen, ist Elga die Globallösung, mit der Defizite abgebaut werden und die Kommunikation aller Beteiligten erheblich verbessert werden kann."

Ungemach könnte der Implementierung von Elga, die bis 2108 geplant ist, von zwei laufenden Beschwerden drohen. Der Wiener Kassenarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Alfred Pixner, hat beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des Elga-Gesetzes eingebracht. Pixner begründet den Antrag vor allem mit dem Eingriff in das Datenschutzrecht sowie in die Privatsphäre, analog zur aufgehobenen Vorratsdatenspeicherung. Und der Tiroler Mediziner Maximilian Ledochowski hat einen negativen Bescheid im Zusammenhang mit der Abmeldung von Elga erhalten und ruft den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) an.