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Europas rote Laterne

Von Katharina Schmidt

Politik

Grundversorgungsengpass: Österreich ist Schlusslicht beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerber.


Wien. Eigentlich war es ja ein wohlgenutztes Sommerloch, das zum Aufnahmestopp in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen geführt hat. Aber das Problem dahinter wird uns noch bis in den Herbst und darüber hinaus beschäftigen. Denn die Länder erfüllen ihre Grundversorgungsquoten nachhaltig nicht - oft auch deswegen, weil der Widerstand in den Gemeinden so groß ist. Ein Grund dafür ist die angespannte finanzielle Situation in der Grundversorgung, die eine sinnvolle und durchgängige Betreuung der Asylwerber fast verunmöglicht.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre eine Lösung in Sachen Arbeitsgenehmigung für Asylwerber. Denn nicht nur hätten diese dann eine sinnvolle Beschäftigung, sie könnten auch selbst zur Entspannung ihrer finanziellen Lage beitragen und würden ihre mitgebrachten Qualifikationen nicht durch jahrelange Untätigkeit verlieren. Erst vor kurzem hat der Chef des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf, mit einem Vorschlag aufhorchen lassen, jenen Asylwerbern den Arbeitsmarkt zu öffnen, die aufgrund ihrer Herkunft (etwa aus Krisenländern wie Syrien) statistisch eine hohe Wahrscheinlichkeit auf eine Anerkennung als Flüchtling haben.

OECD fordert seit Jahren Zugang zum Arbeitsmarkt

Schon vor drei Jahren hat die OECD in einem Länderbericht die restriktiven Regelungen in Österreich kritisiert. Die Experten rieten dazu, zumindest jenen, deren Asylanträge nicht offenkundig unbegründet sind, "mehr Rechte auf Berufsausübung zu geben".

Passiert ist bisher nichts, und auch auf den Kopf-Vorschlag reagierten Sozial- wie auch Innenministerium abweisend. Das Innenressort verwies darauf, dass ja nicht einmal das Kontingent für Saisonniers ausgeschöpft sei. Was auch stimmt, allerdings lohnt ein Blick auf die Gründe dafür.

Grundsätzlich gilt in allen EU-Ländern, dass Asylwerber spätestens sechs Monate nach Antragstellung Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten müssen. Österreich hat die entsprechende Richtlinie umgesetzt, gesetzlich ist hierzulande der Arbeitsmarkt drei Monate nach Antragstellung offen. Eingeschränkt wurde dies aber 2004 durch den berüchtigten Erlass des damaligen ÖVP-Wirtschaftsministers Martin Bartenstein, wodurch Asylwerber de facto nur noch als Saisonniers - also zeitlich beschränkt als Erntehelfer oder im Tourismus - arbeiten können. Nach den Zahlen des AMS war im Juli 2014 die Quote der "Personen mit befristeten Kontingent-Bewilligungen" nicht ausgeschöpft. So waren 16,4 Prozent der Quote bei den Erntehelfern erreicht - von 68 Beschäftigten waren aber nur 4 Asylwerber. Im Sommerfremdenverkehr lag die Ausschöpfung immerhin bei 91 Prozent, von 811 Beschäftigten waren 57 Asylwerber. Herbert Langthaler von der Asylkoordination erklärt, warum: Das in der Saisonarbeit verdiente Geld wird auf die ohnehin karge Grundversorgung angerechnet. Wer also im Sommer vier Wochen Erdbeeren pflückt, bekommt dann mitunter bis in den Herbst hinein keine Grundversorgung mehr, kann aber auch von der Pflückarbeit nicht Monate hindurch überleben.

Ähnlich verhält es sich mit der selbständigen Tätigkeit, die Asylwerbern erlaubt ist: Zwar gibt es mittlerweile hunderte freie Gewerbe von Maronibrater bis Papierwarenerzeuger, nicht nur die oft zitierte Prostitution oder die Arbeit als Zeitungsausträger. Allerdings sind hier fehlende Netzwerke und die geringe Zuverdienstgrenze zur Grundversorgung ein Problem (in den meisten Bundesländern 100 Euro). Langthaler hebt hier Tirol lobend hervor, wo die Zuverdienstgrenze bei mehr als 200 Euro liegt und Asylwerber oft für Arbeiten in den Gemeinden eingesetzt werden. Dadurch lernen sie schneller Deutsch und eignen sich zusätzliche Qualifikationen an. Denn mindestens so wichtig wie der Zugang zum Arbeitsmarkt seien die Anerkennung bestehender und der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, betont Langthaler. Die Lehre, die Asylwerber bis 25 Jahre absolvieren können, ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein: 2013 wurde diese Möglichkeit nur 83 Mal vom AMS ermöglicht.

Mit diesen Regelungen ist Österreich europaweites Schlusslicht. Das zeigt ein Vergleich des Europäischen Migrationsnetzwerks EMN aus 2013, bei dem Österreich als einziges Land die Verbreitung seiner Daten verweigert hat. Manche Länder machen den Zugang von der Arbeit der Asylbehörden abhängig, in anderen kann man um eine Arbeitsgenehmigung ansuchen (siehe Wissen).

Pragmatischer Zugang in Deutschland, Vorbild Schweden

In Deutschland ist der Zugang "viel pragmatischer", wie Langthaler sagt. Erst 2013 wurde die Wartezeit auf eine Arbeitserlaubnis von zwölf auf sechs Monate gesenkt, im Juli hat der Bundestag diese auf drei Monate verkürzt. Eine Arbeitsmarktprüfung ist zwar nach wie vor vonnöten, allerdings wird viel Geld in die Integration von Asylwerbern investiert. "Man braucht Arbeitskräfte, die Menschen sind da, wieso soll man das nicht nutzen?"

Europas Vorbilder sind aber wieder die nordischen Staaten: In Finnland dürfen Asylwerber nach sechs Monaten arbeiten, wenn sie einen Reisepass vorlegen schon nach drei Monaten. Den liberalsten Zugang hat Schweden, eines der Länder mit der höchsten Asylwerberzahl pro Einwohner. Dort haben Asylwerber de facto sofort nach Antragstellung die Möglichkeit, zu arbeiten, sofern sie mithelfen, ihre Identität aufzuklären, ihr Fall in Schweden behandelt wird (also keine Dublin-Fälle) und der Asylantrag wohlbegründet ist.

Sie erhalten von der Behörde eine Bescheinigung, dass sie keine Arbeitserlaubnis brauchen, den Job müssen sie selbst suchen. Dennoch verlieren sie während des Verfahrens nicht den Anspruch auf Unterkunft und finanzielle Hilfe durch den Staat. Spannend: Seit 2008 können Asylwerber, die einen rechtskräftigen Ausweisungsbescheid haben, noch innerhalb von zwei Wochen eine Arbeitsgenehmigung beantragen, also vom Asylwerber per Inlandsantragstellung zum Arbeitsmigranten werden. Voraussetzung ist, dass derjenige seit mindestens vier Monaten bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und dieser ihm weitere zwölf Monate Arbeit zusichert.

Kein "Pull"-Effekt in Schweden feststellbar

Einer der Hauptgründe, warum sich die österreichische Politik so gegen eine Arbeitserlaubnis für Asylwerber wehrt, ist die Angst vor einem "Pull"-Effekt - also dadurch einen Anreiz zu schaffen, Arbeitsmigranten über die Schiene des Asyls ins Land zu locken. Diese Erfahrung haben die Schweden nicht gemacht, erklärt Magnus Skarbo von der schwedischen Migrationsbehörde: Dadurch, dass die Ausnahme für Asylwerber von der Arbeitsgenehmigung nur für die Dauer des Verfahrens gelte, habe man damit keinen großen Anreiz geschaffen, um Asyl anzusuchen. Auf der anderen Seite sei die Zahl jener abgewiesenen Asylwerber, die um eine permanente Arbeitsgenehmigung ansuchen, durch die Neuregelung seit 2008 gestiegen. Allerdings lasse sich davon nicht ableiten, dass die Zahl der Asylweber dadurch gestiegen sei, sagt er.

Asyl und Arbeitsmarkt:

Wer in Belgien nach sechs Monaten keine erstinstanzliche Entscheidung hat, kann um eine Arbeitsgenehmigung ansuchen. In Bulgarien, Lettland und der Slowakei besteht freier Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sich die Behörden nicht innerhalb eines Jahres zu einer Entscheidung durchringen können, in Polen beträgt diese Frist nur sechs Monate. In Frankreich und Großbritannien können Asylwerber nach einem Jahr um eine Arbeitserlaubnis ansuchen.

Unabhängig von der Entscheidungsdauer wird der Zugang zum Arbeitsmarkt in Tschechien nach einem Jahr gewährt, in Spanien, Zypern und Italien sind es sechs Monate. In Italien muss allerdings eine Arbeitserlaubnis beantragt werden - diese wird auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt ausgestellt und kann nicht verlängert werden. Eine Beschränkung gibt es auch in den Niederlanden - dort dürfen Asylwerber nach einer Wartefrist von sechs Monaten maximal 24 Wochen im Jahr arbeiten. Auch in Slowenien und Griechenland wird die Arbeitserlaubnis für Asylwerber zeitlich befristet.