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Die freundlichen Fremdflieger

Von Clemens Neuhold

Politik

Zur Luftraumsicherung kann das klamme Bundesheer Hilfe aus dem Ausland gut gebrauchen. Ab Herbst dürfte es so weit sein.


Wien. "Umfassende Landesverteidigung", "Unverletzlichkeit des Bundesgebietes": So steht es in der Verfassung. Und so begründete der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Notwendigkeit, die teuren Eurofighter anzuschaffen.

Von dieser Unverletzlichkeit ist zu Luft schon lange keine Rede mehr. Denn in der Nacht ist Österreich ohne entsprechende Vorwarnung "schutzlos", bestätigen hochrangige Militärs. Den 24-Stunden-Einsatz können sich außer Frankreich und Deutschland zwar auch andere europäische Länder nicht leisten - ein Eurofighter kostet beispielsweise pro Stunde 60.000 Euro. Das klamme Bundesheer muss die Einsatzbereitschaft der 15 Eurofighter und 22 alten Saab 105 nun aber auch untertags von durchschnittlich zwölf auf elf Stunden kürzen. Bisher waren die Jets täglich von 8 bis 20 Uhr einsatzbereit, wobei wirklich startbereit im Normalfall nur die Hälfte der Eurofighter sind. Künftig stehen die Flugzeuge "flexibel" zur Verfügung.

Eurofighter"situationselastisch"

Damit reagiert die Einsatzsektion unter Generalleutnant Karl Schmidseder auf die vom internen Sparkurs diktierte neue Lage: Die Stundenzahl für die Eurofighter wurde von 1300 auf jährlich 1070 Stunden gesenkt, die Kampfpiloten von 14 auf 11 reduziert. Für Schmidseder ein schwieriger "Balance-Akt" und ein "Spagat, der gerade noch zu halten ist" - Verteidigungsminister Gerald Klug hätte wohl "situationselastisch" gesagt.

Durch die laufenden Kürzungen wird ein Thema wieder virulent, vor dem sich die Politik seit Jahren drückt: die "Nacheile" aus dem Ausland. Damit ist nicht die routinemäßige Überwachung des Luftraums durch ausländische Jets gemeint, sondern die weitere Verfolgung im österreichischen Luftraum. Ein virtuelles Szenario: Derzeit müsste ein ungarischer Jet, der etwa eine entführte ukrainische Maschine verfolgt, an der österreichischen Grenze abdrehen. Durch einen Staatsvertrag soll diese gegenseitige "Nacheile" nun erlaubt werden. Ein Sprecher des Verteidigungsministers bestätigt laufende Gespräche dazu: "Das wird geprüft. Im Zuge des Reformpaketes wird es bis Herbst eine Entscheidung geben."

Vom Wehrsprecher der ÖVP, Bernd Schönegger, heißt es: "Die prinzipielle Nacheile ist für uns verhandelbar. Details, wie die infrage kommenden Staaten, müsse man sich anschauen."

Damit stehen die Vorzeichen auf eine Einigung gut.

Die Schweiz liegt Österreich seit Jahren mit diesem Anliegen in den Ohren. Die Eidgenossen haben diesbezügliche Verträge mit Italien, Deutschland und Frankreich. Die Neutralität war hier für die Schweiz kein Hindernis. Für Österreich kommt die Schweiz mit ihrer starken Luftwaffe und der politischen Nähe am ehesten für erste Staatsverträge infrage, ist zu hören.

"Verfassungsgesetz nichtzwingend notwendig"

Ob ein entsprechender Staatsvertrag eine Änderung der Verfassung mit Zweidrittel-Mehrheit im Parlament erfordert, prüfen Juristen. Doch selbst ohne Verfassungsrang wird es ein politisches Tauziehen. Denn bisher hat sich die Politik vor einer Entscheidung gedrückt. Von Landeshauptleuten bis hin zu Militärs, die ihre Felle davon schwimmen sahen, reichte der Widerstand. Das Zaudern hat auch mit der umstrittenen Eurofighter-Beschaffung zu tun. Man wollte nicht jenen Stimmen neues Futter liefern, die eine Überwachung durch "Fremdflieger" als Alternative für die teuren Jets stets vorzogen. Dass diese "Nacheile" jedoch sicherheitsstrategisch höchst sinnvoll und zudem Ausdruck eines europäischen Geistes in der Verteidigung ist, wird in den Führungsetagen des Bundesheeres kaum noch bestritten.

Das Bild von der Luftraumüberwachung ist noch immer vom Jugoslawien-Krieg geprägt. Damals verletzte ein serbischer Kampfjet das Hoheitsgebiet. Doch im Bedrohungs-Ranking der Strategen viel weiter oben stehen die Entführung von Passagierflugzeugen wie bei 9/11 oder Maschinen, die ohne terroristischen Grund vom Kurs abweichen. Aktuelles Beispiel: ein äthiopisches Flugzeug, dessen Kopilot um Asyl ansuchen wollte und deswegen über Europa das Steuerruder übernahm. Ein französischer Kampfjet eskortierte das Flugzeug zum Flughafen Genf. Ein gutes Beispiel übrigens für die "Nacheile", weil die Schweizer gerade nicht einsatzbereit waren.

Wenn Frankfurt ruht,schlafen die Eurofighter

Wegen dieser Art der Bedrohung richten die Militärs die künftigen Eurofighter-Einsatzzeiten am internationalen Flugbetrieb aus. Ist wenig los auf den Flugautobahnen, kann die "Gleitzeit" der Jets auch um drei Uhr nachmittags enden. Gibt es hingegen Indikatoren für mögliche Bedrohungen, zum Beispiel zunehmende Turbulenzen im Luftraum der Ukraine, kann die Einsatzbereitschaft auch in die Nacht ausgedehnt werden, erklärt Schmidseder. Am öftesten kamen die Eurofighter bisher bei Großereignissen wie der Fußball-EM zum Einsatz. Kommen zu solchen geplanten Ereignissen akute terroristische Bedrohungen hinzu, kann es eng werden, bestätigen Militärs unumwunden.

Ein Gutes hat der rigide Sparkurs: Die Eurofighter leben länger. Deren Lebensdauer wird wegen der geringen Einsatzstunden auf 40 Jahre geschätzt. Von den alten Saab 105 sind derzeit noch 22 in Betrieb. Zwölf davon werden in einer Minimalvariante modernisiert, um sie bis 2020 im Dienst halten zu können, der Rest fällt nun sukzessive raus. Die Nachfolge der Flieger ist offen.