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Radikal religiös

Von Petra Tempfer

Politik

Ein friedliches Miteinander der Religionen in Österreich: Das ist erklärtes Ziel des Religionsdialogs im Bundeskanzleramt.


Wien. Für das Fußballmatch zwischen dem französischen Oberhausclub OSC Lille und dem israelischen Verein Maccabi Haifa im salzburgischen Bischofshofen gab es im Vormonat ein jähes Ende. Nachdem zum Teil türkischstämmige Besucher mit palästinensischen Flaggen auf das Feld gestürmt waren und israelische Spieler attackiert hatten, wurde das Spiel in der 85. Minute abgebrochen. Mit diesem Vorfall ist der Gaza-Konflikt in Österreich angekommen. Er war Anlass dafür, dass Bundeskanzler Werner Faymann und Kultusminister Josef Ostermayer (SPÖ) am Montag zu einem Religionsdialog ins Bundeskanzleramt luden.

Zentrales Thema war allerdings auch die Festnahme mutmaßlicher Dschihadisten in Österreich in diesem Monat, die verdächtigt werden, an kriegerischen Kämpfen im Syrien-Krieg teilnehmen zu wollen. Der grüne Bundesrat Efgani Dönmez hatte im Vorfeld ein Verbotsgesetz für radikale islamische Strömungen gefordert. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) begrüßte diesen Vorschlag. Sie will die dschihadistische Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) und damit auch das Tragen von IS-Symbolen so rasch wie möglich verbieten.

Der Religionsdialog am Montag war an alle anerkannten Religionsgemeinschaften gerichtet. Danach lud das Kanzleramt zum Iftar-Essen, dem traditionellen Fastenbrechen während des Ramadan. Seit 2009 findet der Dialog etwa einmal jährlich statt.

"Wer Hass verbreitet, hat nichts aus der Geschichte gelernt"

Die obersten Vertreter der Katholischen Bischofskonferenz, der Israelitischen Kultusgemeinde, der Islamischen Glaubensgemeinschaft sowie die anderen Oberhäupter der in Österreich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften waren zu Gast. Es gehe um "das friedliche Zusammenleben aller Religionen", sagte Faymann. Und um den gemeinsamen Einsatz dafür.

"In Österreich hat Hass nichts verloren. Wer nach zwei Weltkriegen weiter Hass verbreitet und anfacht, der hat nichts aus der Geschichte gelernt", so Faymann. "Ein wichtiger Teil des Miteinanders ist, dass es eine gemeinsame Ablehnung des Gegeneinanders, des Extremismus und radikaler Strömungen gibt." Damit sprach der Bundeskanzler einen wesentlichen Punkt an: die Zunahme der Radikalisierung in Österreich.

Auch Kardinal Christoph Schönborn und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, sowie Omar Al-Rawi von der Islamischen Glaubensgemeinschaft warnen davor. "Der Antisemitismus steigt europaweit, vor allem der islamische", sagt etwa Deutsch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". In Deutschland würden Synagogen angegriffen und Menschen verprügelt, in Schweden sei eine Jüdin zusammengeschlagen worden. Das Gefährliche daran: "Es ist nicht mehr nur ein geringer Prozentsatz, der sich rassistisch und antisemitisch betätigt, sondern es sind Organisationen, die gegen Israel und Juden hetzen."

Schweinekopf auf islamischer Schule

Al-Rawi meint indes: "Die Islamfeindlichkeit hat zugenommen. Vor kurzem hat jemand eine islamische Schule mit einem Schweinekopf bestückt." Auf das Minarett in der Tiroler Gemeinde Telfs haben erst in der Vorwoche unbekannte Täter Hakenkreuze aufgesprüht. Die Situation spitze sich immer mehr zu.

So unterschiedlich die Religionen und Sichtweisen auch sind, so haben sie doch eines gemeinsam: Deutsch und Al-Rawi plädieren genauso wie die übrigen Gäste des Religionsdialogs für ein friedliches Miteinander. "Religionsgemeinschaften sollen sich nicht als Konkurrenten, sondern als Freunde und Partner sehen", sagt Al-Rawi. Dazu gehöre auch, selbstkritisch zu agieren und die Fehler nicht ausschließlich bei den anderen zu suchen.

Wissen:

Die Religionsgemeinschaften in Österreich werden rechtlich in drei Kategorien unterteilt, die mit verschiedenen Rechten und Pflichten verbunden sind.

Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gibt es insgesamt 14. Die meisten Anhänger hat die Katholische Kirche, gefolgt von der Evangelischen Kirche und der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

Eingetragene Bekenntnisgemeinschaften existieren landesweit sieben. Dazu zählt etwa die Hinduistische Religionsgesellschaft.

Religiöser Verein: Glaubensgemeinschaften, die die gesetzlichen Bedingungen von Punkt eins und zwei nicht erfüllen, haben die Möglichkeit, sich als Religiöser Verein im Sinne des Vereinsrechts zu konstituieren.