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Ein Joker für alle Fälle

Von Brigitte Pechar

Politik

Porträt: Reinhold Mitterlehner wurde seit Jahren als Kandidat für höhere Weihen gehandelt.


Wien. "Dass Mitterlehner natürlich im Kreis der möglichen Kandidaten ist, steht außer Zweifel", sagte Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal". Damit öffnete er die Schleusen - ab dem Moment deutete alles darauf, dass der langjährige Wirtschaftsminister die nächste Stufe erklimmt.

Wäre es im April 2011 nach Pühringer gegangen, wäre Mitterlehner schon nach dem Abgang von Josef Pröll als Finanzminister und ÖVP-Obmann der neue Mann an der Spitze des Finanzressorts und der Partei geworden. Und auch dem Wirtschaftsminister selbst wird nachgesagt, dass er auf das Finanzministerium gespitzt haben soll. Aber damals war Erwin Pröll schneller und hievte den Niederösterreicher Michael Spindelegger an die Parteispitze. Im Finanzministerium musste er damals noch Maria Fekter den Vortritt lassen. Diesmal konnte die ÖVP Mitterlehner nicht mehr übergehen, wenngleich es wieder nichts mit dem erstrebten Finanzministerium wird.

Der Wirtschaftsbündler

Der Oberösterreicher Mitterlehner (58)- er ist in zweiter Ehe verheiratet - wurde von Josef Pröll erstmals in das ÖVP-Regierungsteam geholt und ist seit Dezember 2008 Wirtschaftsminister. Ein logisches Ressort für den Juristen, der sich seine ersten beruflichen Sporen in der oberösterreichischen Wirtschaftskammer verdient hat. Unter Wolfgang Schüssel zählte der nunmehr als geschäftsführende Obmann installierte Mitterlehner nicht zum engeren Kreis der Parteiführung. Dem schwarz-blauen Projekt stand der überzeugte Sozialpartner eher kritisch gegenüber.

Mitterlehner startete seine politische Karriere zu Anfang der 90er Jahre als Geschäftsführer des Österreichischen Wirtschaftsbundes; von 2000 bis 2008 fungierte er als Generalsekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Österreich. Kein Wunder, dass er zu den Mitgliedern des ÖVP-Wirtschaftsbundes über einen ausgezeichneten Draht verfügt. Das liegt an seinem unkomplizierten Auftreten - obwohl manche auch Spuren von Überheblichkeit bemerken wollen. Bei Gesprächen abseits politischer Zwänge zeigt sich der 58-Jährige locker und umgänglich, aber immer mit einer Spur Distanz. Er bleibt stets möglichst an den Fakten - auch wenn er äußerst eloquent Schmankerl aus der Politkiste zum Besten gibt.

Der Querverbinder

Die Prägung in Wirtschaftsbund und -kammer merkt man auch, wenn es um sozialpartnerschaftliche Belange geht. Mitterlehner hat in der Regierung eine ausgezeichnete Beziehung zu seinem SPÖ-Spiegelminister, dem Gewerkschaftsurgestein Rudolf Hundstorfer aufgebaut. Beide schätzen aneinander die Handschlagqualität, zuletzt haben sie eine gemeinsame Abwehrstrategie in der Frage der Beschäftigung von Asylwerbern gefahren. Das gute Einvernehmen der beiden zeigt eine Begebenheit: Als Mitterlehner nach einem gemeinsamen Termin mit Hundstorfer zum Heurigen seines Landeshauptmannes aufbrechen musste, nahm er Hundstorfer kurzerhand mit. Ein Roter unter vielen Schwarzen konnte nicht schaden.

Mitterlehner gilt in der Koalitionsregierung als Querverbinder, es gibt von ihm keine Kritik an der SPÖ unter der Gürtellinie. Und er kann mit den meisten Regierungskollegen und -kolleginnen gut. Zudem kommt er in den meisten Medien gut weg. Innerparteilich hat der Wirtschaftsminister aber nicht nur Freunde und Anhänger, dafür liegt er wiederum im Vertrauensindex, den die Austria Presse Agentur gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut OGM durchführt, regelmäßig im Spitzenbereich: Mitterlehner kann also auf konstante Beliebtheitswerte in der Bevölkerung (häufig lag er hinter Bundespräsident Heinz Fischer und der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer an dritter Stelle) verweisen.

Der ÖVP-Vize

Kann sein, dass man solche als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister - eine Zeit lang hatte er die Familien- und Jugendagenden mit in seinem Ressort - eher generieren kann als in einem Schlüsselressort wie dem Finanzministerium oder gar als ÖVP-Obmann. Am Dienstag jedenfalls war Mitterlehner logischer Ansprechpartner und Führungsfigur selbst unter der ÖVP-Ministerriege. Als derzeitiger Vize-ÖVP-Obmann mit Regierungsfunktion schlüpfte er bereits unmittelbar nach Spindeleggers Rücktritt in die Rolle des Sprechers des schwarzen Regierungsteams und drängte auf eine "möglichst rasche" Klärung der Nachfolgefrage, um die Handlungsfähigkeit der Koalition zu sichern.

Die restliche Regierungsmannschaft nahm demonstrativ hinter ihm Aufstellung und hielt sich mit eigenen Kommentaren zurück. In diesem Moment gebührte Mitterlehner noch als dienstältestem ÖVP-Regierungsmitglied der Vortritt, am Abend war diese Rangordnung dann auch offizielle Beschlusslage.

Was nun die künftige Strategie der ÖVP in der Frage einer Steuerreform angeht, so ist vom neuen Obmann bekannt, dass er kein großer Freund einer Millionärssteuer ist; nicht zuletzt aus ganz pragmatischen Gründen, spüle diese doch nach seiner Überzeugung zu wenig Geld ins Budget. Auch er hat bisher immer Strukturreformen gefordert, um für eine Steuerreform Manövriermasse zur Verfügung zu haben. So müsse man bei den Pensionen endlich "Nägel mit Köpfen" machen.

Zumindest in diesem letzten Punkt müsste er sich mit seinem alten Kompagnon auf SPÖ-Seite matchen. Sozialminister Hundstorfer vetrtitt genau die gegenteilige Ansicht.