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Demnächst sind wir wieder wer

Von Walter Hämmerle

Politik

Ein Tagtraum: Mit der Regierungsumbildung formt sich ein rot-schwarzes Dream-Team, das ein Tor nach dem anderen schießt.


Fantasia/Wien. Die Überzeugung, SPÖ und ÖVP könnten gar nicht miteinander regieren - erstens, weil beide gar nicht wollen, zweitens, weil sie diametral entgegengesetzte Interessen vertreten, drittens, weil es ohne Regierung schließlich auch geht -, zählt zu den grundsätzlichsten Irrtümern der an Irrtümern sowieso reichen heimischen Innenpolitik-Journalisten. Die nunmehr runderneuerte Bundesregierung aus dynamischer Sozialdemokratie und geschlossener Volkspartei wird den Ignoranten aller Lager nunmehr demonstrieren, wie Koalition geht.

Als weithin sichtbares Zeichen der neuen Ära steht der Abschied von lieb gewordenen Feindbildern. Und um zu zeigen, dass man auch im symbolischen Bereich nicht vor den wirklich schweren Brocken zurückschreckt, wird Werner Faymann am kommenden Bundesparteitag der SPÖ in seiner Wahlrede vor den roten Delegierten die zehn gewichtigsten Gründe preisen, warum kein Steuer-Euro für Österreichs darbende Bauern zu viel ist. Reinhold Mitterlehner kann da natürlich nicht zurückstecken, weshalb er in seiner Antrittsrede vor den schwarzen Funktionären am Parteitag der ÖVP die Österreichischen Bundesbahnen als herausragendes Beispiel kreativer öffentlicher Arbeitsmarktpolitik loben wird. Standing Ovations und Zustimmungsraten der Funktionäre von 98 Prozent plus werden die gewohnt zynischen Kommentatoren vor ein Rätsel stellen.

Doch mit symbolischer Politik, so wichtig diese in schweren Zeiten des drohenden Machtverlusts auch sein mag, wollen sich Kanzler und sein neuer Vize gar nicht lange aufhalten. Ihnen steht der Sinn nach Lösung der harten sachpolitischen Fragen.

Der Zufall will es, dass die beiden ihr Meisterstück gleich zu Anfang zelebrieren können. Im Nachhinein kann man sich ja wirklich nur mehr wundern, warum die Senkung des Einkommenssteuersatzes von rund 36 auf 25 Prozent so schwer gewesen sein soll. Dass im Gegensatz die Grundsteuer angehoben werden musste, wollten in der allgemeinen Euphorie nicht einmal kleine Hausbesitzer und Wohnungseigentümer, ja nicht einmal die Gemeinde Wien als größter Immobilieneigner der Republik dem neuen dynamischen Duo übelnehmen. Die neuen Einnahmen dienen ja auch tatsächlich einer guten Sache, unter anderem der Einhaltung des von der EU eingeforderten Budgetpfades, der für 2016 ein "strukturelles Nulldefizit" (neudeutsch für ein Budgetdefizit von 0,45 BIP-Prozent) vorsieht.

Dies gelingt nicht zuletzt deshalb, weil Investoren mit Visionen dem neuen Finanzminister Hans Jörg Schelling nicht nur die Tochter der notverstaatlichten Hypo Alpe Adria in Italien und dem Balkan sowie die Kommunalkredit förmlich aus der Hand reißen. Aufatmen kann der Neue in der Wiener Johannesgasse aber vor allem, weil sich die privaten Mehrheitseigentümer der Volksbanken AG auf wundersame Weise und im letzten Moment ihrer Verantwortung besinnen und der maroden Bank das notwendige Kapital zuschießen, auf dass diese den Stresstest der EU doch noch bestehe.

Und weil das Glücksvogerl selten die erreicht, die es am wenigsten verdienen ("Wenn’s laft, lafts", würde der Sportminister einen Großen des Landes zitieren), bereut Wladimir Putin nach Rücksprache mit seinen beiden Haberern, dem Schranz Karli und dem Wolf Siegi, schließlich öffentlich seinen ukrainischen Irrweg und verhindert so, dass uns Steuerzahlern aufgrund eines ausgewachsenen europäisch-russischen Handelskriegs der Staatshaushalt völlig um die Ohren fliegt.

Aber genug von den außenpolitischen Husarenritten, die Bundesregierung fühlt sich schließlich zuallererst den eigenen Bürgern verpflichtet, von denen sie ja auch zuverlässig ein ums andere Mal wiedergewählt wurde. Das Erfolgsrezept Faymanns und Mitterlehners ist dabei verblüffend simpel: Pro Themenbereich entscheidet der jeweils andere über das Zugeständnis des jeweils anderen. Selten wurde der Hundling, der schließlich auch in jedem Politiker steckt, in produktivere Bahnen gelenkt.

Im Bildungsbereich führt das zum ewig angekündigten großen Wurf, weil die ÖVP die rote Zumutung der Gesamtschule grenzgenial mit der Einführung von Studiengebühren beantwortet. Auch bei der ÖIAG dürfen sich SPÖ und ÖVP aussuchen, was aus dem Machtbereich des jeweils anderen unter das Dach der Holding wandert: Logisch, dass sich die Schwarzen für ÖBB und Asfinag entscheiden, die Roten für den Verbund.

In den Olymp der Zweiten Republik steigen die beiden Teufelskerle Faymann und Mitterlehner aber erst durch die Zähmung der ewig Widerspenstigen auf, der heimischen Landeshauptleute. Künftig müssen die Länder Wahlzuckerl und Prestigeprojekte aus eigenen Steuereinnahmen finanzieren. Damit wird erstmals auch für die Wähler transparent, welches Land gut wirtschaftet und welches nicht.

Diese Innovation hat allerdings zu einer kleinen Krise in der Regierung geführt: Etliche Minister sahen sich um ihren künftigen Traumjob betrogen. Seitdem will nämlich keiner mehr Landeshauptmann werden.