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Danke an die Zuwanderer

Von Zarko Radulovic

Politik
Statussymbol Auto: Wer in der Fremde gearbeitet hat, kann auch mit Waren aus der Fremde in der alten Heimat prahlen.
© Verein Jukos

Rund 1000 aus Ex-Jugoslawien und der Türkei zugewanderte Menschen werden heute zu einem Festakt im Rathaus erwartet.


Wien. Rund 1000 in den 1960er und 1970er Jahren aus Ex-Jugoslawien und der Türkei zugewanderte Menschen werden heute Abend zu einem Festakt mit Bundespräsident Heinz Fischer, Bürgermeister Michael Häupl und Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger im Rathaus erwartet - als Dankeschön für ihre Unterstützung: Haben doch die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter wesentlich zum Wirtschaftsaufschwung in Österreich beigetragen, wie die Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen berichtet. Auch heute noch sind Menschen türkischer und ex-jugoslawischer Herkunft ein wichtiger Faktor in der österreichischen Wirtschaft.

Arbeitskräftemangel

Aufgrund der wirtschaftlichen Situation Österreichs wurden - aufbauend auf das Raab-Olah-Abkommen von 1961 - die Anwerbe-Abkommen mit der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966) unterzeichnet. Denn während in den Staaten des Mittelmeerraums ein Arbeitskräfteüberschuss herrschte, gab es in den Staaten Zentraleuropas einen Arbeitskräftemangel. Verschärft wurde diese Situation noch von den mehr als 100.000 Österreichern, die motiviert von besseren Verdienstmöglichkeiten in der Nachkriegszeit emigrierten. Um dem Arbeitskräftemangel in Zeiten der Hochkonjunktur entgegenzuwirken, wurden Arbeitskräfte aus anderen Ländern angeworben.

Mit der Idee, ausländische Arbeitskräfte für einen gewissen Zeitraum anzuwerben, wurde der Begriff Gastarbeiter geprägt. Das Wort sollte klarstellen, dass sich die angeworbenen Arbeitskräfte nur vorübergehend in Österreich aufhalten. Der Begriff löste die stark negativ konnotierte Bezeichnung Fremdarbeiter ab, welche zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Menschen benannte, die zur Verrichtung von Arbeit zwangsverpflichtet wurden. Gegen Ende der 1960er Jahre setzte sich der Begriff Gastarbeiter im öffentlichen Sprachgebrauch durch und verdrängte jenen des Fremdarbeiters.

Wie stark die zentraleuropäischen Nationalökonomien von Gastarbeitern abhängig waren, zeigt der Ausländeranteil unter unselbständigen Beschäftigten. In Österreich erreichte die Gastarbeiterbeschäftigung 1973 mit 8,7 Prozent einen Höchststand. Nur in der damaligen BRD (10,8 Prozent) und der Schweiz (26,1 Prozent) waren die Werte noch höher.

Wirtschaftsaufschwung

Die Auswirkungen der Gastarbeiterbeschäftigung auf die Konjunktur waren durchwegs positiv: Gastarbeiter haben wesentlich dazu beigetragen, den Konjunkturaufschwung in der ersten Hälfte der 1970er Jahre zu verlängern, denn ohne ausländische Arbeitnehmer wäre es zu einem Kapazitätsengpass in der Produktion gekommen. In den Rezessionsjahren Mitte der 1970er Jahre dienten die Gastarbeiter hingegen als "Konjunkturpuffer": Ausländer wurden vor Österreichern entlassen und federten so die Folgen der schlechten Wirtschaftslage für Inländer ab.

In Österreich kam es wie in anderen zentraleuropäischen Staaten zur Ausbildung von "typischen" Gastarbeiter-Berufskategorien. In diesen Branchen lösten Ausländer Inländer ab, die zu qualifizierteren Tätigkeiten wechselten. Dies führte wiederum dazu, dass gewisse Branchen wie Bauwesen, Textilverarbeitung, Gastgewerbe ohne ausländische Arbeitnehmer nicht länger existieren konnten. Heute noch arbeiten Ausländer und Migranten laut Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria weit häufiger in Hilfsarbeiterberufen als Österreicher.

Großteil wollte zurück

Die soziale Lage der Gastarbeiter hierzulande war schlecht. Sie waren meist in Niedriglohn-Branchen wie im Bauwesen oder der Leder- und Textilindustrie tätig. Mehr als zwei Drittel der Gastarbeiter lebten Anfang der 1980er Jahre in Substandard-Wohnungen. Heimweh, Verständigungsschwierigkeiten und Stress prägten ihre die soziale Situation. Mehr als 70 Prozent der jugoslawischen und fast die Hälfte der türkischen Arbeitsmigranten gaben Anfang der 1980er Jahre an, schon länger in Österreich zu sein als geplant. Die meisten wollten noch etwas Geld sparen, um dann in die Heimat zurückzukehren. Doch die Rückkehrabsicht verwandelte sich immer mehr in eine Rückkehrillusion. Grund hierfür waren oft die in Österreich zur Schule gehenden Kinder, die stärker als ihre Eltern in der Gesellschaft verwurzelt waren.

Jene Gastarbeiter, die Anfang der 1960er Jahre nach Österreich kamen, rücken nun zunehmend ins Pensionsalter vor. Das Alter war weder von den Aufnahmeländern noch von den Arbeitsmigranten selbst eingeplant. Die letztlich gescheiterten Regelungssysteme des Gastarbeiterkonzepts waren auf Rotation, Exklusion und Rückkehr angelegt.

Selbst nach dem Eintritt in den Ruhestand bleibt Österreich für die Mehrheit der Gastarbeiter Lebensmittelpunkt. Familiäre Verankerungen in ihrer neuen Heimat sind zu stark ausgeprägt, um kurzerhand und unbekümmert in das Herkunftsland zurückkehren zu können.

Doch auch unsichere ökonomische und politische Situation in der alten Heimat oder sogar Entfremdung vom Herkunftsland sind Gründe dafür, dass Gastarbeiter in Österreich bleiben. Dennoch finden die meisten jener Menschen aus Ex-Jugoslawien und der Türkei, die einst als Gastarbeiter nach Österreich kamen und viel für dieses Land geleistet haben, ihre letzte Ruhe in der alten Heimat: Die Mehrheit wird in das jeweilige Herkunftsland überführt und dort beerdigt.