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Fokus auf Zweisprachigkeit

Von Stephanie Schüller

Politik
Lesen und Deutsch sprechen sind heuer die Schwerpunkte an Wiens Schulen.
© Christian Rösner

Die Stadtschulratspräsidentin informierte über die Schwerpunkte für das neue Schuljahr.


Wien. Schulbank drücken, Hausaufgaben machen, Arbeiten schreiben, für Tests lernen. Vor drei Tagen hat für rund 220.000 Kinder und Jugendliche in Wien, darunter 17.000 Taferlklassler, wieder der Schulalltag begonnen. Für die Lehrer und für Stadtschulratspräsidentin Susanne Brand-steidl beginnt parallel ein neues Arbeitsjahr.

Bei der Vorstellung der Schwerpunkte für das neue Schuljahr am Mittwoch freute sich Brandsteidl über "mehr Schüler und Klassen, vor allem mehr Volksschulklassen". Der Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf der Zweisprachigkeit: Jedes Kind soll mindestens zwei Sprachen sprechen, eine davon muss Deutsch sein. "Wir können uns den einsprachigen Menschen nicht mehr leisten", so Brand-steidl. Kinder, die noch nicht schulreif, aber bereits schulpflichtig sind, werden nach wie vor in Vorschulklassen gefördert. Auch Kindergartenkinder werden vermehrt auf den Schuleintritt vorbereitet. Für jedes Kind ergeben sich daher - bei Bedarf - zwei Jahre Frühförderung.

Für den Deutsch-Spracherwerb gibt es unterschiedliche Modelle, die an Wiens Schulen umgesetzt werden. In den Volksschulen sowie Haupt- und Polytechnischen Schulen bekommen die Kinder zehn bis elf Stunden in der Woche Deutsch-Sprachförderung. 200 Lehrer sind dafür im Einsatz.

"Neu in Wien"-Kurse

Besonderen Bedarf an Sprach-Förderprogrammen haben sogenannte "außerordentliche Seiteneinsteiger". "Das sind nicht alphabetisierte Kinder im Alter von zehn Jahren oder älter", erklärt Brandsteidl. Diese Kinder können aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Volksschule alphabetisiert werden und lernen deshalb in "Neu in Wien"-Kursen Deutsch. Dieses Fördermodell wird von 8 bis 13 Uhr an 15 Standorten in der jeweiligen Schulregion den Unterricht ersetzend angeboten. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche, die kürzer als sechs Monate in Österreich sind. Die Kurse umfassen drei Module je nach Sprachniveau. Kontrolliert wird außerdem, ob die Betroffenen in ihrer Muttersprache alphabetisiert wurden. "Die Lehrer erklären den Kindern auch, was eine U-Bahn ist oder wie man Fahrpläne richtig liest", versucht Brandsteidl einen Einblick in die Praxis zu geben.

Die Kinder können diese Kurse bis zu 27 Wochen, das bedeutet 270 Stunden, besuchen. Wenn das Sprachniveau passt, begleiten die Lehrer ihre Schüler dann in die jeweiligen Stammklassen. "Wenn sie danach aber noch nicht bereit für die Schule sind, können sie noch einen anderen Kurs besuchen. Genauso kann der Kurs auch früher beendet werden. Die 270 Stunden sind kein Muss", erklärt Brandsteidl.

Für Schüler, die schon länger in Österreich sind, aber eine andere Muttersprache haben, wird muttersprachlicher Unterricht zum Beispiel als "unverbindliche Übung" im Ausmaß von drei Wochenstunden angeboten. Gefragt seien vor allem Sprachen wie Türkisch oder Serbisch, aber auch Sprachen wie Kroatisch, Bosnisch, Somali oder Russisch werden angeboten.

"Hier stehen zwei Lehrer im Klassenzimmer. Ein Lehrer unterrichtet auf Deutsch, ein anderer erklärt, was bestimmte Wörter zum Beispiel auf Bosnisch heißen", erklärt Brandsteidl. So soll verhindert werden, dass Schüler aus anderen Ländern den Bezug zu ihrer Muttersprache verlieren. Eine weitere Form des muttersprachlichen Unterrichts ist die "zweisprachige Alphabetisierung", im Rahmen derer die Schüler zwei Sprachen von Grund auf lesen und schreiben lernen. Insgesamt 500 Lehrer kümmern sich in Wien um die genannten muttersprachlichen Zusatzförderungen.

Leseoffensive

Neben dem sprachlichen Schwerpunkt wird auch in diesem Schuljahr die 2011 begonnene Leseoffensive fortgesetzt. Diese umfasst unter anderem das Projekt der rund 1000 "Lesepaten", welche regelmäßig und ehrenamtlich mit Volksschülern lesen. Auch den "Wiener Lesetest" soll es heuer wieder an den Volksschulen geben. "Wir werden diesmal nicht mit dem Bifi, sondern mit einem universitären Partner zusammenarbeiten", so Brandsteidl. Details dazu sollen in den kommenden Wochen bekannt werden.

Im Gegensatz zu den Sprachförder- und Leseinitiativen, die es bereits seit mehreren Schuljahren gibt, wird ein anderer Beschluss heuer für die Wiener AHS-Schüler Realität: die österreichweite Zentralmatura. Etwa 6000 AHS-Schüler werden kommenden Sommer die neue Reifeprüfung in Fächern wie Deutsch, Mathematik, Englisch oder Französisch absolvieren. Die mündliche Reifeprüfung bleibt individuell. Für alle Eltern, die noch auf der Suche nach der richtigen Schule für ihr Kind sind, findet am 7. November wieder der "Tag der Wiener Schulen statt". Vor Ort kann man sich dann selbst ein Bild vom Schulalltag und den unterschiedlichen Konzepten und Projekten machen.