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Lebensqualität bis zum letzten Moment

Von Katharina Schmidt

Sterbehilfe

Besuch im Hospiz der Caritas Socialis am Wiener Rennweg.


Wien. Franz-Josef Huainigg ist gerührt. Ganz einfach ist der Besuch im Hospiz der Caritas Socialis am Rennweg für ihn nicht. 2006 hatte der ÖVP-Behindertensprecher selbst mit einer Gesundheitskrise zu kämpfen - "die Ärzte haben meine Frau gefragt, ob ich überhaupt noch leben möchte". Heute ist er froh darüber, dass seine Frau mit "ja, natürlich" antwortete und ihm die moderne Medizin "ein zweites Leben geschenkt hat". Bei diesen entscheidenden Fragen "gibt es kein richtig oder falsch, das muss jeder für sich selbst entscheiden". Wichtig sei es aber, den Menschen die Angst zu nehmen, die oft die Ursache für einen Sterbewunsch ist. "Dann erwacht auch wieder der Lebenswille", sagt Huainigg.

Das Hospiz am Rennweg ist so ein Ort, an dem den Menschen die Angst genommen wird. In den acht Zimmern der Station stehen zwölf Betten für todkranke Menschen zur Verfügung, die sich entweder für einige Zeit erholen oder hier die letzten Wochen ihres Lebens verbringen. Die Einrichtung der Caritas Socialis ist organisatorisch und von der Finanzierung her eigentlich eine Palliativstation - also ein Spitalsbereich, in dem Menschen in schwierigen gesundheitlichen Situationen wieder für die häusliche Pflege "aufgepäppelt" werden sollen. Aus diesem Grund ist die Verweildauer auf den meisten Palliativstationen auf eine gewisse Zeit (meist vier Wochen) begrenzt. Im CS Hospiz ist das nicht so. "Von der Einstellung her sind wir ein Hospiz, die Menschen können bleiben, so lange sie wollen", sagt CS-Geschäftsführer Robert Oberndorfer. Er versteht "überhaupt nicht, dass Menschen nach Ansicht der Politik manchmal drei Tage vor ihrem Tod hinausgeschmissen und zum Sozialhilfeempfänger werden." Daher ist Oberndorfer wie viele andere Experten der Meinung, dass die Finanzierung von Palliativ- und Hospizeinrichtungen auf bessere Beine gestellt werden muss.

An der Finanzierung scheitert derzeit die vollständige Umsetzung des abgestuften Versorgungsplans für Pflege- und Hospizbetreuung der Bundesagentur für Gesundheit (ÖBIG). Den Plan gibt es seit 2004 - bis 2010 hätte er erfüllt sein sollen. Doch noch immer ist man in vielen Bereichen im Hintertreffen (siehe Grafik). "Rund 100 Millionen Euro wären notwendig, um den Plan zu erfüllen", sagt Oberndorfer.

Weiterentwicklung desHospiz- und Palliativplans

Der ÖBIG-Plan und seine Weiterentwicklung soll auch Thema in der parlamentarischen Enquete-Kommission zum Thema Sterbehilfe sein. Neben einer Finanzierung, die alle Beteiligten (Gesundheits- und Sozialressort, aber vor allem auch die Länder und Gemeinden), garantieren können, fordert Huainigg eine Verankerung der Palliativmedizin in der Ärzteausbildung - mit dem neuen Studienplan kommt zwar kaum jemand an dem Thema vorbei, dies müsse aber ausgebaut werden. Ebenso notwendig seien eine Facharztausbildung und mehr Hilfe für pflegende Angehörige. Und natürlich die Verankerung des Sterbehilfeverbots in der Verfassung. Wie berichtet, fordert die Volkspartei die Verankerung der Menschenwürde und des Rechts, in Würde zu sterben. Damit können die anderen Parteien leben - das Problem ist der ebenfalls von den Schwarzen geforderte Satz "Tötung auf Verlangen ist gesetzlich zu verbieten", der ohnehin schon einfachgesetzlich geregelt ist und daher keine Mehrheit im Parlament hätte. Huainigg hält eine Verfassungsbestimmung dennoch für notwendig, er sieht andernfalls die Gefahr einer Anlassgesetzgebung. Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl, mit dem gemeinsam Huainigg eine Broschüre zum Thema Sterben in Würde unter die Parlamentarier bringen will, regt gar eine Generalsanierung der Verfassung zum 100-Jahr-Jubiläum im Jahr 2020 an.

Zurück ins Hospiz: Auf einem grünen Sofa in der Mitte der Station räkelt sich Kater Moritz - "er geht auch ganz gern auf Visite", erzählt der ärztliche Leiter Karlheinz Wiesinger. Man ist hier sichtlich um eine heimelige Atmosphäre bemüht. Es gibt einen Garten, die Verwandten können jederzeit zu Besuch kommen und auch hier übernachten, rund um die Uhr sind zwei bis drei Pflegekräfte und ein Arzt anwesend.

Betreuung durch die Familieist "sehr wichtig"

Der Großteil der 300 jährlich hier betreuten Patienten leidet unter Tumorerkrankungen. Neben der Symptomkontrolle und der psychologischen Betreuung ist "Familie sehr wichtig", sagt Wiesinger. "Wir haben alles hier: die Ehefrau, die der Geliebten über den Weg läuft, oder Kinder, die sich eigentlich mit den Eltern zerstritten haben." Während manche Schwierigkeiten hätten, ihr Schicksal zu akzeptieren, planen andere schon minutiös das eigene Begräbnis. Nur den Wunsch nach Sterbehilfe hat Wiesinger in den 17 Jahren seiner Tätigkeit hier noch nie gehört. Und es gibt auch schöne Erlebnisse: Erst im Sommer hat ein Patient seine Lebensgefährtin im Hospiz geheiratet. "Wir versuchen, dem Leben jeden Tag einen Wert zu geben", sagt Wiesinger. Gerade, wenn der Betroffene, wie in diesem Fall, zwei Wochen später stirbt.