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Neue Bedrohung, neue Gesetze

Von Simon Rosner

Politik
Immer wieder der Zeigefinger. Von IS-Kämpfern präsentiert, von Sympathisanten auf Facebook kopiert.
© Medyan Dairieh/ZUMA Press/Corbis

ÖVP stellt Maßnahmenpaket gegen Radikalisierung und Dschihad vor.


Wien. Es ist eine simple, unauffällige Geste, die sich in der Selfie-Welt von Facebook auf zahlreichen Fotos findet: der gestreckte Zeigefinger der rechten Hand. Er dient als Verweis auf die Einzigartigkeit Allahs, ist aber dieser Tage mehr als nur das. Der gestreckte Zeigefinger ist zum Erkennungszeichen von Salafisten und deren Sympathisanten geworden. Man sieht ihn auch auf den Bildern der IS-Truppen aus Syrien und dem Irak. Und eben auf den Facebook-Fotos von jungen Männern aus Österreich, die im sozialen Netzwerk dem Dschihadisten Firas H. folgen.

Die Profile auf den sozialen Medien mögen nur einen klitzekleinen Ausschnitt der Wirklichkeit wiedergeben, und doch illustrieren die Fotos und Beiträge zumindest mangelnde Abgrenzung zum Islamischen Staat, wenn nicht sogar Rechtfertigung und Bewunderung. Und das wiederum ist das Fundament, auf dem Radikalisierung gedeihen kann.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter präsentierten mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, wie von der "Wiener Zeitung" angekündigt, ein Maßnahmenpaket, um gegen diese Tendenzen und Rekrutierungsversuche in Österreich vorzugehen. Vom Koalitionspartner SPÖ und den Oppositionsparteien kamen großteils zustimmende Reaktionen, einige Details werden jedoch noch für Diskussionen sorgen.

So plant Brandstetter beispielsweise den Verhetzungstatbestand (§ 283 StGB) auszuweiten. Gegenwärtig ist er nur dann anzuwenden, wenn in einer "breiten Öffentlichkeit" gehetzt wird, was 150 Personen entspricht. In Gebetsstuben und kleinen Moscheen halten sich jedoch oft weit weniger Menschen auf, weshalb der Justizminister die Anzahl auf zehn Personen senken will.

Dies könnte allerdings dazu führen, wie der Strafrechtler Alois Birklbauer von der Uni Linz einschränkt, dass auch die Schimpftirade im Wirtshaus mitunter den Verhetzungstatbestand erfüllt. "Mit Frauendiskriminierung am Stammtisch ist man schon dabei", sagt Birklbauer. Laut Helmut Fuchs von der Universität Wien könnte man das Gesetz derart präzisieren, dass nur im Rahmen einer Veranstaltung gehetzt werden kann, dann jedoch hätte man lose Treffen in Gebetsstuben wieder exkludiert. "Es soll eine Fokussierung geben", heißt es aus dem Justizministerium, man müsse sich keine Sorgen machen, "dass man nicht mehr normal reden kann". Jurist Fuchs gibt allerdings zu bedenken, dass das "Verhöhnen und Beschimpfen auch sehr gefährlich sein kann", wie er sagt: "So hat es auch bei den Juden durch die Nazis begonnen."

Grüne und Neos gegen Vorratsdatenspeicherung

Weitere gesetzliche Maßnahmen betreffen die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatsbürgern, wenn diese im Ausland in einer paramilitärischen Einheit gekämpft haben. Geplant ist zudem ein Verbot für Minderjährige, die EU zu verlassen, wenn die Obsorge-Berechtigten keine Zustimmung gegeben haben.

Nach aktuellen Zahlen sind derzeit mehr als 140 Personen aus Österreich in Syrien im Kampfeinsatz, darunter auch Minderjährige. Bei einer gesetzlich festgeschriebenen Zustimmungspflicht hätten sie wohl kaum das Land verlassen dürfen. Andererseits müssten dann künftig alle die Erlaubnis der Eltern mitführen, also auch 17-Jährige, die zum Sprachurlaub in die USA, zur Maturareise in die Türkei oder den Großeltern nach Serbien fliegen.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, der verhalten positiv auf die Pläne der ÖVP reagierte, warnte am Montag davor, "das Kind mit dem Bad auszuschütten". Man dürfe das europäische Wertegerüst "nicht gefährden, indem man überschießend agiert".

Für intensive Diskussionen wird wohl auch der Wunsch Brandstetters sorgen, die Vorratsdatenspeicherung für schwerwiegende Straftaten wieder einzuführen, obwohl der Verfassungsgerichtshof diese erst kürzlich gekippt hat. In dem Erkenntnis ließen die Höchstrichter eine Neuregelung für schwere Straftaten jedoch offen, sollte sie im Einklang mit dem Datenschutz und der Menschenrechtskonvention stehen, was allerdings nicht ganz einfach zu konstruieren ist. Grüne und Neos lehnen diesen Vorstoß Brandstetters auch entschieden ab, Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen, fordert zudem eine rasche Deradikalisierungs-Hotline. Diese wurde vom Innenministerium bereits im Februar angekündigt, ist aber nach wie vor nicht installiert.

Verschärfungen sind auch beim Abzeichengesetz geplant, künftig sollen die Symbole von Organisationen wie IS und Al Kaida nicht mehr öffentlich gemacht werden dürfen, das betrifft dann auch die Sozialen Medien. Auf einigen Profilen ist das IS-Zeichen ebenso zu sehen wie der Zeigefinger. Auf die IS-Fahne ist allerdings nicht immer "Islamischer Staat" geschrieben, bisweilen ist es nur das Glaubensbekenntnis "Es gibt keinen Gott außer Gott" ("Schahada") und das auch in anderen Abbildungen verwendete "Siegel der Propheten". Für die Islamische Glaubensgemeinschaft stellt dies einen "Missbrauch" und eine "nicht zu tolerierende Anmaßung" dar, dennoch spricht sich die IGGIÖ gegen ein Verbot des Abzeichens aus. Werbung für verbotene Terrororganisationen sei ohnehin bereits verboten, schreibt die IGGIÖ.

Gut möglich, dass sowohl Fahne als auch Symbolik vom IS bewusst gewählt wurde: Eine gängige, unauffällige Geste, ein häufig verwendetes Signet, sie haben nun eine neue Bedeutung.