Alle bürgerlichen Parteien in der entwickelten Welt bestehen im Wesentlichen aus Menschen, die es geschafft haben - und zwar unter den Bedingungen der vergangenen Zeiten. Es sind diese Eliten, die endlos gegen höhere Löhne oder niedere Hürden für den Markteintritt neuer Unternehmen argumentieren. Praktisch alle bürgerlichen Parteien beschränken sich heute darauf, ihre Klientelgruppen zu schützen.
Wie kann sich eine Partei von ihren eigenen Eliten befreien?
Indem sie sich in die Lage all jener versetzt, die die Mehrheit bilden. Die meisten bürgerlichen Volksparteien degenerierten zu defensiven Minderheitsparteien. Es ist fast wie bei den Kommunisten, als klar war, dass der Kommunismus versagt hat: Die, die übrig geblieben sind, sahen sich als die wahren Gläubigen. Das Gleiche passiert jetzt mit den bürgerlichen Parteien: Sie sind keine Plattformen mehr für Veränderung. Sie sind nicht mehr Teil der Lösung, sondern des Problems.
In Österreich ringen die Parteien darum, wie eine Steuerentlastung gestaltet sein soll. Dass die Lohnsteuer gesenkt werden muss, ist Konsens. Umstritten ist, ob die im Vergleich relativ niedrigen Steuern auf Vermögen angehoben werden. Die ÖVP spricht sich dagegen aus, aus grundsätzlichen wie auch aus klientelistischen Gründen.
Die Thesen Thomas Pikettys sind weitgehend unbestritten: Wir wissen, dass Vermögen im langjährigen Durschnitt schneller wächst als die Wirtschaft. Das führt dazu, dass sich Vermögen konzentriert. Wenn nun Arbeit auch noch stärker steuerlich belastet wird, dann verstärkt sich dieser Teufelskreislauf weiter.
Was ist die Lösung?
Wir müssen zwischen produktivem und unproduktivem Kapital unterscheiden. Die Steuern auf Einkommen sollten dramatisch gesenkt werden, um Anreize zu setzen, neuen Wohlstand zu schaffen. Im Gegenzug könnten Erbschaften und Vermögen höher besteuert werden. Allerdings finde ich, dass Immobilien, die selbst genutzt werden, weitgehend steuerfrei gestellt werden. Menschen müssen die Möglichkeit haben, diese Werte zu kapitalisieren. Das Problem ist: Wer nichts besitzt, hat auch keinen Zugang zu Kapital und seinen positiven Folgen. Deshalb sollte das Ziel bürgerlicher Wirtschaftspolitik sein, möglichst vielen Menschen zu Eigentum zu verhelfen. Auch deshalb muss das Grundprinzip lauten: Weg von Einkommen- und Lohnsteuern, hin zu Vermögenssteuern.
Neben der Steuerpolitik ist Bildung das zweite große ideologische Schlachtfeld, auf dem bürgerliche Politik aus der Defensive agiert. Das Festhalten der ÖVP am achtjährigen Gymnasium untergräbt laut Kritikern die Chancengleichheit bildungsferner Schichten; als Gegenrezept gilt die Gesamtschule aller 10- bis 14-Jährigen, was viele bürgerlichen Wähler ablehnen.