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Schulen sind weiter als Bildungspolitik

Von Brigitte Pechar

Politik

Bildungsprogramm der Regierung für Grüne "ein Ärgernis".


Wien. Die Regierung hat sich bei ihrer Klausur am Freitag und Samstag in Schladming um eine Entscheidung über eine Gesamtschule herumgeschwindelt. Aber von der ÖVP kommt immerhin kein kategorisches Nein mehr. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner will eine Bewertung der Neuen Mittelschule (NMS), die im Jänner abgeschlossen sein soll, abwarten und dann gegebenenfalls entscheiden, ob und in welcher Form es Modellversuche für eine Gesamtschule, also eine gemeinsame Schule bis zum 15./16. Lebensjahr, geben soll.

Die Volksschule ist eine Gesamtschule, die auch funktioniere, sagt Bildungsexpertin Christa Koenne. "Die Volksschulen haben sich schon auf den Weg gemacht, Schwerpunkte zu setzen." Die Lesekompetenz am Ende der Volksschule sei nicht so schlecht erfüllt, aber dann werde darauf nicht aufgebaut, sagt Koenne. Eben auch, weil es an Mindeststandards fehlt. Zwar gibt es festgesetzte Bildungsstandards, darauf aufbauend könnte man weiterarbeiten und Bildungsziele festschreiben.

Sechs Punkte für einebessere Bildung

Ins Zentrum wurde von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek die Ausbildung der Kleinsten gestellt. Es soll vor allem an den Schnittstellen zwischen Kindergarten und Volksschule zu Verbesserungen kommen. Sechs Punkte hat die Regierung am Samstag präsentiert: Schulstart mit Verknüpfung von Kindergarten und Volksschule. Zweiter Punkt ist die Sprach- und Leseförderung - 45 Millionen Euro werden von der Bundesregierung jährlich für Sprachförderung zu Verfügung gestellt. Dritter Punkt ist die Stärkung der Schulautonomie - Schulen können Unterrichtszeiten blocken, bis zur 3. Schulstufe können Leistungsbeschreibungen statt Noten erstellt werden. Vierter Punkt ist eine Qualitätsoffensive für ganztägige Schulformen - bis 2018/19 sollen insgesamt 800 Millionen Euro in den Ausbau von Ganztagsschulen investiert werden. Bis dahin soll für jedes dritte Kind ein solcher Schulplatz zur Verfügung stehen. Fünfter Punkt ist die tägliche Bewegung an den Schulen - vor allem an Ganztagsschulen. Sechster Punkt ist der Ausbau der Erwachsenenbildung - wobei vor allem die Programme zum nachträglichen Erwerb eines Pflichtschulabschlusses gemeint sind.

"All diese sechs Punkte finden sich bereits im Regierungsprogramm und jetzt kündigt man wieder nur an", sagt dazu Grünen-Bildungssprecher Harald Walser. Er sei enttäuscht, dass sich die Regierung zu nichts Konkretem habe durchringen können. Für den AHS-Direktor aus Vorarlberg ist die Bildungspolitik der Regierung "ein Ärgernis".

Schulen setzen Akzentean Schnittstellen

Das letzte Kindergartenjahr und die ersten beiden Volksschuljahre sollen zu einer Schuleingangsphase mit klaren Bildungszielen werden. Diese Schuleingangsphase wird an 35 Standorten bereits erprobt. Es handelt sich also um nichts Neues, man muss es einfach nur tun. "Die Schulen sind oft weiter als die Bildungspolitik", sagt Koenne.

Denn in der Regel tauschen sich Kindergartenpädagoginnen und Volksschulpädagoginnen jetzt schon über ihre Schützlinge aus. Zumindest ist das am Land so. Für den urbanen Bereich braucht es dafür sicherlich eine Institutionalisierung - oder eben einen Rahmen.

Wie überhaupt der Übergang an den Schulen selbst schon sehr kreativ gehandhabt wird. So laden etwa Neue Mittelschulen Kinder der vierten Volksschulklasse zu Schnuppertagen oder sogar -wochen ein. Da können Volksschüler teilweise ganz am Unterricht teilnehmen. Umgekehrt kommen NMS-Pädagoginnen in die Volksschulen und berichten beziehungsweise verteilen auch schon die ersten Lehrinhalte, sodass man sich schon in der Volksschule auf die künftige Schule vorbereiten kann.

Wenn die NMS so funktioniert, wie sie geplant war, dass nämlich AHS-Pädagoginnen mit im Team sind, dann wird dadurch auch der Bogen zum späteren Wechsel an eine AHS-Oberstufe oder eine BHS gespannt. Das alles wird an den Schulen unterschiedlich gelebt. Es kommt aber immer auch auf die Lehrkräfte an.

Qualitätsstandards für Kindergärten fehlen

Worauf sich weder Regierung noch Bund und Länder bisher durchringen konnten, sind einheitliche Qualitätsstandards für elementarpädagogische Einrichtungen in Form eines Bundesrahmengesetzes. Zwar hat die Steiermark hier eine Vorreiterrolle eingenommen, aber der dort vorgegebene Qualitätsrahmen wurde nicht bundesweit übernommen.

Weiters fehlt nach wie vor auch die akademische Ausbildung für Elementarpädagoginnen. Noch immer werden Kindergärtnerinnen an den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik (Bakip) ausgebildet. Eigentlich sollte die getrennte Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen mit der gemeinsamen Pädagogenausbildung ein Ende haben. Aus finanziellen Gründen, aber auch weil es zu wenige akademische Ausbildner für frühkindliche Erziehung an den Universitäten gibt, wurde das jedoch hinausgeschoben. Bildungsexperten fordern aber, dass die Ausbildung von der Bakip zumindest in den tertiären Bereich - etwa an ein Kolleg - verlegt werden müsse. Um in zehn Jahren so weit zu sein, müssen man aber sofort beginnen.

Jedenfalls hat die Regierung eine Bildungsreformkommission, bestehend aus jeweils vier Vertretern des Bundes und der Länder eingerichtet, die rasch ihre Arbeit aufnehmen und laufend beratend tätig sein soll.